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Arbeit : Eine Brücke nicht für alle

Viele Beschäftigte können künftig nach bis zu fünf Jahren Teilzeitarbeit auf eine volle Stelle zurückkehren

22.10.2018
2023-08-30T12:34:36.7200Z
3 Min

Mutter, am besten alleinerziehend, gegen Lebemann, der sein Golfhandycap verbessern will: Das war, salopp gesagt, aber von einigen Abgeordneten so formuliert, die Demarkationslinie, an der sich in der Debatte über die geplante Brückenteilzeit die Geister schieden. Denn in die Euphorie der Koalitionsfraktionen über den Regierungsentwurf (19/3452) für den neuen Rechtsanspruch wollten die vier Oppositionsfraktionen nicht einstimmen. Die einen, weil sie die Tarifautonomie missachtet sehen; die anderen, weil sie einen Großteil der Beschäftigten von dem Gesetz ausgeschlossen sehen. Genutzt hat es freilich nichts, der Entwurf wurde in der vergangenen Woche mit den Stimmen von Union und SPD angenommen, die Brückenteilzeit kann also zum 1. Januar 2019 kommen.

Begrenzt Das Gesetz regelt, dass in Betrieben mit mehr als 45 Mitarbeitern die Arbeitnehmer, die bereits länger als sechs Monate dort beschäftigt sind, ihre Arbeitszeit ohne Vorliegen bestimmter Gründe reduzieren können. Danach (maximal fünf Jahre) können sie zur ursprünglich vereinbarten Arbeitszeit zurückkehren. In Firmen mit 46 bis 200 Mitarbeitern gilt eine Zumutbarkeitsgrenze: Dort hat nur jeder 15. Beschäftigte Anspruch auf Brückenteilzeit.

Katja Mast (SPD) begründete diese Schwellenwerte damit, dass die Betriebe nicht überfordert werden sollen. "Höher, schneller, weiter ist natürlich immer möglich. Aber wir konzentrieren uns auf das wirklich Machbare", sagte sie. Genau darüber ärgerten sich Grüne und Linke besonders, die die Schwellenwerte als willkürlich kritisierten. "Es gibt nach wie vor doppelte und dreifache Hürden für die Frauen, die ihre Arbeitszeiten verändern wollen", argumentierte Beate Müller-Gemmeke (Grüne) gegen das Gesetz. Ihre Fraktion forderte deshalb unter anderem, den Schwellenwert von 45 auf 15 Mitarbeiter zu senken und auch die Zumutbarkeitsgrenze abzuschaffen. Susanne Ferschl (Die Linke) betonte, jetzt entfalte das Gesetz seine volle Wirkung erst ab 200 Mitarbeitern: "Damit schauen mehr als die Hälfte der Beschäftigten in die Röhre."

Ohne Gründe Die FDP kritisierte wie auch die AfD, dass der Antrag auf Brückenteilzeit nicht an Gründe gebunden sein muss. So werde derjenige, der seine Golfkünste verbessern wolle, genauso behandelt wie die Mutter, die mehr Zeit für ihr Kind brauche; das könne nicht sein, hieß es aus beiden Fraktionen. "Ein Anspruch mit Sachgrund wäre ein echter Fall von Einzelfallgerechtigkeit gewesen", stellte Till Mansmann für die FDP fest. Er hielt der Regierung vor, dass sie mit dem Gesetz das Prinzip der Tarifautonomie außer Kraft setze.

Jürgen Pohl (AfD) zeigte sich darüber hinaus überzeugt, dass die im Gesetz enthaltenen "unbestimmten Rechtsbegriffe" die Arbeitnehmer und Arbeitgeber vor die Gerichte treiben werden. Seinen Schutzzweck für Beschäftigte werde das Gesetz so nicht erfüllen, sagte Pohl.

Daran glaubt jedoch der zuständige Minister: "Das ist ein guter Tag heute für tausende von Menschen, die lange darauf gewartet haben, dass die Arbeit zum Leben passt", sagte Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales. Die Brückenteilzeit komme jedoch nicht nur dem Wunsch nach mehr Flexibilität entgegen, sondern leiste darüber hinaus auch noch einen Beitrag zur Fachkräftesicherung und zur Gleichstellung, zeigte sich Heil überzeugt. Wilfried Oellers (CDU) verwies auf die Klarstellungen, die die Regierung nachträglich über eine Protokollnotiz in den Entwurf eingefügt habe. So seien die Ersatzarbeitsverhältnisse, die für die vorübergehend ausscheidenden Mitarbeiter geschaffen werden müssten, nun mit einem Sachgrund befristet und würden auch nicht bei der Berechnung der Betriebsgröße berücksichtigt.