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Parlamentarisches Profil : Der Provokateur: Peter Tauber

01.07.2019
2023-08-30T12:36:24.7200Z
3 Min

In der politischen Debatte nach dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hat der frühere CDU-Generalsekretär Peter Tauber einen provokanten Akzent gesetzt: Er hat die Anwendung von Artikel 18 des Grundgesetzes gefordert. Dieser folgt auf den Grundrechtekatalog und besagt, dass diese Grundrechte "verwirkt", wer die Freiheit der Meinungsäußerung "zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht".

Der 44-Jährige aus dem hessischen Gelnhausen, einer kleinen Stadt mit großer Geschichte, gehört seit 2008 als direkt gewählter Abgeordneter dem Bundestag an. Ab Dezember 2013 war Tauber die rechte Hand von Angela Merkel in der CDU-Zentrale und arbeitete daran, die Partei attraktiver für Junge, Frauen und Migranten zu machen. Dann kam 2015 die Flüchtlingskrise, in ihrem Gefolge das Erstarken der AfD, und überlagerte alles Andere. "Ich habe viel abgekriegt, was eigentlich der Chefin galt", sagte Tauber später der "tageszeitung". Dann, Ende 2017, mitten in den Koalitionsverhandlungen, der Zusammenbruch: Eine Darmerkrankung weitete sich zur lebensbedrohlichen Entzündung. Stressbedingt, sagten die Ärzte. Im Februar 2018 übergab Tauber sein Parteiamt an Annegret Kramp-Karrenbauer, mit der Regierungsbildung im März wurde er, halbwegs genesen, Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium.

Vielleicht erklären seine persönlichen Erfahrungen etwas mit die scharfen Worte, die er jetzt in einem Gastbeitrag für die "Welt" fand. "Walter Lübckes Ermordung gingen zahlreiche Angriffe auf Menschen, die sich für diese Republik und ihre Werte einsetzen, voraus", schreibt es da und benennt ein verändertes politisches Klima im Land als Ursache wachsender Gewaltbereitschaft. Die AfD leiste dazu einen Beitrag. "Sie hat mit der Entgrenzung der Sprache den Weg bereitet für die Entgrenzung der Gewalt. Erika Steinbach, einst eine Dame mit Bildung und Stil, demonstriert diese Selbstradikalisierung jeden Tag auf Twitter. Sie ist ebenso wie die Höckes, Ottes und Weidels durch eine Sprache, die enthemmt und zur Gewalt führt, mitschuldig am Tod Walter Lübckes."

Die langjährige CDU-Bundestagsabgeordnete und jetzige Vorsitzende der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung Erika Steinbach wies Taubers Anschuldigung empört zurück und betonte, sie habe "sehr deutlich den Mord an Herrn Lübcke verurteilt". Doch Tauber legte auf Twitter nach: Sie sei "verantwortlich für die Folgen und Reaktionen auf deine Hetze gegen Walter Lübcke", hielt er Steinbach vor, und trage daher "Mitschuld an seinem Tod". Dass Steinbach Lübcke gekannt und gewusst habe, "was für ein aufrechter und feiner Kerl er war", mache ihr Verhalten noch schlimmer. Steinbach hatte auf Twitter Lübckes Aussage verbreitet, wer mit der Asylpolitik nicht einverstanden sei, könne das Land jederzeit verlassen, und ihn dafür heftig kritisiert.

Tauber moniert eine "falsche Nachlässigkeit" im Umgang mit denen, "deren Ziel es ist, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen und diese Republik zu zerstören", und fordert für sie die Anwendung von Artikel 18. Mit ihm hätten die Väter und Mütter des Grundgesetzes "dem Willen zur Selbstverteidigung der freiheitlichen Demokratie gegenüber ihren Gegnern Ausdruck verliehen". Mit der Anwendung von Artikel 18 gehe es ihm nicht um eine "Entbürgerlichung", sondern um eine "Entpolitisierung" der Verfassungsfeinde, erklärt Tauber. Allerdings kann nur das Bundesverfassungsgericht die Verwirkung der Grundrechte aussprechen; alle vier Verfahren in der Bundesrepublik dazu scheiterten bisher in Karlsruhe.

Viel Unterstützung erhielt Tauber für diese Forderung nicht. Der für Verfassungsfragen zuständige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erklärte lediglich: "Wir werden die Möglichkeit ernsthaft prüfen." Politiker anderer Parteien von der FDP bis zur Linken lehnten den Vorstoß ab. Doch Tauber ist niemand, der so leicht aufgibt. Der passionierte Marathonläufer nahm schon kurz nach seiner Entlassung aus der Reha an einem 80-Kilometer-Lauf teil. Halt findet der Protestant im Glauben. Nach seiner Lebensrettung ließ er sich die Koordinaten seiner Kirche, der Marienkirche von Gelnhausen, eintätowieren.