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zoll : Offene Türen

Die FDP dringt auf einfachere Warenanmeldung. AfD spricht von »EU-Bürokratie-Wahnsinn«

21.01.2019
2023-08-30T12:36:15.7200Z
4 Min

Geschmeidigere Zollverfahren verlangt: Mit einem umfangreichen Wunschzettel entsprechender Maßnahmen meldete sich die FDP-Fraktion zu Wort. Ihre Brisanz bezog die erste Debatte ihres Antrags (19/6549) im Bundestag am vergangenen Donnerstag durch die Brexit-Turbulenzen. Ansonsten: Machen wir alles schon, versicherten die Koalitions-Fraktionen zu den FDP-Forderungen. Konkretes vermisste die Linke. Für die AfD war der Antrag Stichwortgeber, um vom Parlaments-Rednerpult in den Europa-Wahlkampf einzusteigen. Von den Grünen kam der Appell zu mehr Europa.

Die "wachsende Personallücke bei den Zollbehörden" schließen, dazu mehr IT und weniger Bürokratie: Mit solchen Forderungen an die Bundesregierung sieht sich die FDP auf der richtigen Seite. Die Resonanz aus der Wirtschaft zu dem Antrag sei groß, versicherte die Abgeordnete Sandra Weeser im Bundestag. Jetzt wird er in den zuständigen Ausschüssen beraten.

Die FDP macht in ihrem Antrag geltend, gerade für kleine und mittlere Unternehmen müsse die Arbeitsbelastung vereinfacht werden. Unternehmen verwiesen darauf, dass trotz voranschreitender Digitalisierung des Zollwesens immer noch umständliche Kurierfahrten zu Dienststellen des Zolls erforderlich seien, um Dokumente in Papierform vorzulegen.

In ihrem Antrag stellen die Liberalen fest, dass "der Brexit, der Stillstand bei der Welthandelsorganisation (WTO) und die zunehmenden bilateralen Handelsabkommen" den Außenhandel immer mehr verkomplizierten. Von der Bundesregierung erwarten sie im Zusammenhang mit dem Brexit eine "grundlegende Aufklärungs- und Informationskampagne der Unternehmen".

Brexit Weeser verband denn auch mit ihrer Klage über die enge Personalsituation beim Zoll die Frage, woher nach zu spät vorgenommenen Neueinstellungen jetzt noch die Zeit genommen werden solle, die Mitarbeiter für den Brexit zu qualifizieren. Sie setzte sich für ein "einfacheres Recht für Importe" ein. Insgesamt seien die Anforderungen der Zollbürokratie an die Unternehmen zu hoch: "Das ist weder zeitgemäß, noch ist es angemessen." Die Zollverfahren müssten "digitaler, einfacher und effizienter" werden.

Thomas de Maizière (CDU) meinte, der Antrag der FDP lese sich so, als ob "die gute Arbeit der Zollbeamten eher Belastung und Zumutung" sei. Der Zoll behindere nicht die Betriebe, sondern "schützt und gewährleistet das unternehmerische Handeln". Auch wenn es "Fehler und Übertreibungen beim Vorgehen des Zolls" geben möge - er müsse sich darum kümmern, dass "alles mit rechten Dingen zugeht". Der Zoll solle sich um die schwarzen Schafe kümmern und die Ehrlichen in Ruhe lassen: "Leider ist es so, dass nicht an jedem Firmenschild steht, wer der Ehrliche und wer das schwarze Schaf ist." De Maizière dankte den Zoll-Mitarbeitern, die sich nun auch noch auf den Brexit vorbereiten müssten. Der Antrag der FDP enthalte "wenig Falsches", sei indes "nicht nötig". Die FDP renne "Türen ein, die längst offen sind". Maßnahmen wie die Einstellung von mehr Personal seien "längst auf dem Weg". Er lenkte den Blick auf "andere Baustellen": Wie sei gutes Personal zu bekommen und wie könne es effektiv ausgebildet werden?

Kay Gottschalk (AfD) erklärte den Zoll zum "Prüffall". Da, wo es nötig sei, könne er wegen des "EU-Bürokratie-Wahnsinns" seiner Arbeit "nicht nachkommen". Er rief den EU-Wahlkampf seiner Partei aus: "Diese EU gehört auf den Scheiterhaufen der Geschichte." Statt für die Menschen da zu sein, sei sie zu einer "reinen Transfer- und Schuldenunion verkommen". Sie zu reformieren, werde "nur mit der AfD gehen". Den FDP-Antrag nannte er "handwerklich sehr schlecht gemacht". Doch er könne einigen Punkten folgen, etwa Vereinfachung, Harmonisierung und Entbürokratisierung. Doch genau das Gegenteil produziere der Zoll "auf Grund der Handlungsunfähigkeit dieser EU". Gottschalk verwies auf einen Sonderbericht des EU-Rechnungshofs, wonach die 2020 angepeilte IT-Harmonisierung beim Zoll auf 2025 verschoben werde.

Ingrid Arndt-Brauer (SPD) sah in dem FDP-Antrag eine Aufforderung an die Große Koalition, ihre Hausaufgaben zu machen. Dies geschehe bereits. So beteilige sich die Bundesregierung an der von der FDP geforderten Reform der Welthandelsorganisation. Sie gehe auch das Problem der Personallücke beim Zoll "massiv" an: "Zusätzliche Planstellen werden zunehmend besetzt." Sie versicherte: "Wir sind normalerweise mit unserer IT ganz gut ausgestattet." Zwar werde da noch "mehr zu machen sein". Indes: "Wir sind auf dem Weg". Der Forderung nach mehr Hilfestellung des Zolls für die Unternehmen setzte sie entgegen: Grundsätzlich seien dafür die steuerberatenden Berufe da. Bei Unternehmensbesuchen habe sie noch nie Klagen über zu wenig Hilfestellung durch den Zoll gehört. Die "Lächerlichkeit" des FDP-Vorstoßes werde auch dadurch deutlich, dass nach Aussage der Weltbank Deutschland über die effizientesten Zollbehörden verfüge.

Jörg Cezanne (Die Linke) verwies darauf, dass der Zoll 2017 mehr als 220 Millionen Sendungen im Warenverkehr mit Staaten außerhalb der EU abgewickelt habe. Mit 130 Milliarden Euro nehme er den größten Teil des Bundeshaushalts ein. Für diese "stille, ruhige, solide Tätigkeit" wolle er Dank sagen. Er beklagte, dass etwa im Bereich der Geldwäsche-Bekämpfung Verdachtsmeldungen unbearbeitet liegen geblieben seien, weil es an Personal fehlte. Beim Zoll seien von 39.000 Planstellen 6.000 gar nicht besetzt. Jetzt neue Stellen zu schaffen, bedeute nur "das Stopfen von in vergangenen Jahren gerissenen Lücken". Cezanne sah darin den Beleg, dass "die Schwarze Null mehr Geld kostet als man kurzfristig einsparen kann". Die FDP warte mit "keinem überzeugenden Konzept" auf. Er hoffe, dass bei den jetzt beginnenden Ausschuss-Beratungen "der eine oder andere konkrete oder praktikable Punkt" komme.

Katharina Dröge (Grüne) machte auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen dem FDP-Antrag und dem Brexit aufmerksam. Die Frage müsse beantwortet werden, "was wir tun können, wenn es auf einen harten oder chaotischen Brexit hinsteuert". Was tue die Bundesregierung, um die Unternehmen ausreichend darauf vorzubereiten? Geklärt werden müsse, "wie endlich der EU-Binnenmarkt weiterentwickelt werden" könne - auch, um es den Briten womöglich schmackhaft zu machen, darin zu verbleiben. Dazu zähle eine gemeinsamen Investitionsstrategie und industriepolitische Strategie in der EU. Zur Währungsunion müsse die Wirtschaftsunion kommen. Forderungen im FDP-Antrag nach mehr Personal in der Zollverwaltung und Vereinfachung in der Bürokratie könne sie nur zustimmen, sagte Dröge.