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Amri-Untersuchungsausschuss : »Wir bekämpfen den IS auch noch auf dem Mond«

Ein syrischer Kurde berichtet, wie er die Behörden auf Amri aufmerksam machte

25.02.2019
2023-08-30T12:36:16.7200Z
2 Min

In gewissem Sinne war das auch eine persönliche Sache zwischen ihm und Anis Amri. Lokman D. "hasst" nach eigenen Worten den "extremistischen Islam". Er fühlt sich bedroht. Es sei ja bekannt, dass der IS, der berüchtigte "Islamische Staat", nicht nur Europäer, sondern auch die Kurden für "Schweine" und "Ungläubige" halte, die den Tod verdienten.

Der Zeuge D. ist selber Kurde, seit Oktober 2014 in Deutschland. In seinem Haus in Afrin im äußersten Nordwesten Syriens hätten sich mittlerweile radikalislamische Terroristen eingenistet, die unter dem Schutz türkischer Truppen eingedrungen seien, berichtete der 48-jährige ausgebildete Apotheker in der vorigen Woche dem 1. Untersuchungsausschuss ("Breitscheidplatz"): "Sie ernten meine Oliven." Seine ganze Familie sei vertrieben worden.

So war es für Lokman D. keine Frage, was er zu tun hatte, als ihm in der Flüchtlingsunterkunft in Emmerich ein Mitbewohner namens "Mohammed", der spätere Breitscheidplatz-Attentäter Amri, einen Blick auf sein Mobiltelefon werfen ließ. Er habe den frömmelnden, autoritären Besserwisser damals im Spätsommer 2015 "auf Anhieb gar nicht gemocht", sagte der Zeuge. Jetzt zeigte der ihm Videos, auf denen langhaarige, bärtige Männer mit Kalaschnikows zu sehen waren, und erklärte dazu, das seien Freunde und Verwandte, die in Syrien für den IS kämpften.

Der Zeuge D. hatte das Gefühl, die Behörden warnen zu müssen. Er ahnte, wie er vor dem Ausschuss formulierte, dass diese "extremistische Person" nicht gekommen war, "um Blumen an die Deutschen zu verteilen". Er verständigte das Sozialamt in Emmerich und, als dieses nach seinem Eindruck der Sache nicht mit der gebotenen Energie nachging, das Ausländeramt und die Polizei in Kleve. Durch seinen Hinweis wurden die Behörden erstmals auf Amri als islamistischen Gefährder aufmerksam.

Der Ausschuss sparte nicht mit Anerkennung. "Sie haben sich ganz vorbildlich verhalten und helfen uns auch heute durch Ihre Angaben", beglückwünschte sogar der Vertreter der AfD, Thomas Seitz, ein ehemaliger Staatsanwalt, den Zeugen. Drei Mitbewohner, die ihn zunächst zum Sozialamt begleitet hatten, seien nicht mit zur Ausländerbehörde und zur Polizei gegangen, weil sie Angst gehabt hätten, sagte dieser. Er selbst hat indes nicht den Eindruck, etwas Außerordentliches geleistet zu haben: "Es ist meine Pflicht, diese extremistische Gruppe zu bekämpfen, egal, wo ich bin. Deutschland ist mein Land, und ich muss dieses Land verteidigen."

Die Kurden seien schließlich die einzigen, die den IS besiegt hätten, und würden ihn auch noch auf dem Mond bekämpfen. Er selbst fühle sich selbst in Emmerich, wo er heute mit seiner Familie lebt, nicht sicher, sagte der Zeuge. 2018 habe ihn ein Journalist besucht, dem die Polizei seine Adresse verraten habe: "Jeder IS-Mann könnte das auch tun, meine Adresse erfahren und zu mir kommen. Ich habe das Gefühl, die Stadt ist gefährlich für mich und meine Familie."