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Katja Suding : »Es reicht noch nicht«

Die FDP-Bildungspolitikerin kritisiert die Fortschritte bei der Digitalisierung der Schulen als viel zu lasch

30.11.2020
2023-08-30T12:38:27.7200Z
5 Min

Frau Suding, eine Folge der Corona-Pandemie ist, dass die Zustände an Schulen sehr viel Aufmerksamkeit bekommen. Seit dem Frühjahr wissen alle, dass es oft nicht einmal genügend Seife auf den Toiletten gibt. Hat Bildung generell einen zu niedrigen Stellenwert?

Bildung ist ein zentraler Schlüssel, damit Menschen ihr Leben in die Hand nehmen und ihre Träume verwirklichen können. Verglichen damit kann man sicherlich sagen, dass Bildung in unserer Gesellschaft noch einen zu geringen Stellenwert hat. Erst jetzt während der Pandemie wird jedem deutlich, was vorher schon klar war: Wir müssen deutlich mehr für unser Bildungssystem tun!

Ihre Partei fordert, die Bildungsinvestitionen deutlich zu erhöhen. Doch das kostet Steuergelder . Von diesen Steuern will die FDP die Bürger doch eigentlich entlasten.

Da ist kein Widerspruch. Gerade für Zukunftsinvestitionen, und dazu gehört Bildung definitiv, können wir noch viel mehr Geld ausgeben. Dagegen hätte man in anderen Bereichen, wie der Rentenpolitik, viel Geld sparen können. Für die sehr teure "Mütterrente" hat es aus unserer Sicht zum Beispiel keine Notwendigkeit gegeben. Dieses Geld hätte besser in unser Bildungssystem fließen sollen.

Schulen sind offenbar keine Treiber der Pandemie. Warum kocht die Frage pauschaler Schulschließungen dennoch immer wieder hoch?

Darüber wundere ich mich auch, denn es wird durch Studien nicht untermauert. Viele Politiker sprechen in diesem Zusammenhang immer wieder sehr leichtfertig vom hybriden Unterricht, bei dem die eine Klassenhälfte digital zugeschaltet wird. Aber darauf sind die meisten Schulen überhaupt nicht vorbereitet. Darauf hätte man spätestens im März hinarbeiten müssen. Das hat die Bildungsministerin aber nicht getan.

Nun pochen die Ministerpräsidenten auf differenzierte Regelungen, je nach Betroffenheit der Regionen, während vor allem Bundespolitiker einheitliche Regeln anmahnen. Ist der Föderalismus dieser Krisensituation überfordert?

Das würde ich nicht sagen. Es ist sicher richtig, wenn Ministerpräsidenten genau schauen, wie sich das Infektionsgeschehen in den jeweiligen Regionen entwickelt. Man kann nicht das ganze Land einer pauschalen Regelung unterwerfen, sondern muss differenziert vorgehen. Alles andere ist den Schülern, Eltern und Lehrkräften auch nicht zu vermitteln.

Selbst Lehrer sind sich offenbar nicht einig, ob Präsenzunterricht oder Wechselmodelle die beste Lösung sind. Für beides gibt es Argumente. Wie sehen Sie das?

Ich bin ganz klar dafür, den Präsenzunterricht so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Da sind auch noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um das über den Winter sicherzustellen. Neben dem Stoßlüften, was ja in einigen Klassenräumen gar nicht möglich ist, sind auch Luftfilter eine gute Möglichkeit, das Infektionsrisiko sehr stark zu reduzieren. Ich erwarte auch, Lehrkräfte, die zu Risikogruppen gehören, und das sind einige, mit FFP-2-Masken auszustatten. Wir müssen alles tun, um unseren Kindern nicht noch einmal das Recht auf Bildung zu verwehren, wie es im Frühjahr geschehen ist.

Da sehr viele Klassenräume zu klein sind für die Abstandregeln, kursieren mittlerweile auch so originelle Ideen wie die des Unterrichts in Hotels oder Kinos.

Das halte ich für gar nicht realistisch und sehr realitätsfremd.

Die FDP fordert, stärker auf technische Lösungen wie mobile Luftfilter zu setzen. Kann der Bund da überhaupt in einer Form Einfluss nehmen, dass dies noch in diesem Winter Realität werden könnte? Bildung ist Ländersache.

Es gibt zum Beispiel noch Mittel aus dem Schulsanierungsprogramm, für das der Bund 2015 den Ländern 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt hat. Auch hier sind noch längst nicht alle Mittel abgeflossen. Darüber könnte man die Luftfilter kurzfristig beschaffen.

Deutschland hinkt bei der Digitalisierung der Schulen im OECD-Vergleich hinterher. Gleichzeitig wurde bisher nur ein Bruchteil der fünf Milliarden Euro, mit denen der Bund über den Digitalpakt Schule den Ländern unter die Arme greift, abgerufen. Wie kann das sein?

Die bürokratischen Hürden sind zu hoch, das hören wir immer wieder von den Schulen. Dass man die Medienkonzepte inzwischen nachträglich einreichen kann, hat daran nichts geändert. Das Antragsverfahren muss radikal vereinfacht werden.

Aber ist es nicht sinnvoll, dass die Schulen zunächst ein Medienkonzept vorlegen? Erst dann kann man doch feststellen, welcher Bedarf wofür nötig ist. Einfach 500 Computer in die Schule zu stellen, bringt ja nicht viel.

Nein, das reicht nicht. Und daran krankt der Digitalpakt, der in seiner jetzigen Konstruktion vorwiegend auf die Finanzierung von Technik setzt. Wenn digitale Bildung funktionieren soll, müssen auch die Lehrkräfte geschult werden. Es hilft kein Konzept, wenn die Lehrer nicht wissen, wie sie es umsetzen sollen. Es müssen auch entsprechende Lerninhalte, also beispielsweise digitale Schulbücher, gefördert werden. Das Thema Datenschutz muss angegangen werden. Das alles fordern wir in unserem Antrag zum Digitalpakt 2.0, denn da muss noch deutlich mehr passieren.

Der Digitalpakt wurde inzwischen drei Mal aufgestockt, jeweils um 500 Millionen Euro unter anderem für Leihgeräte und zur Finanzierung von IT-Administratoren. Glauben Sie, dass dieses Geld schneller bei den Schulen ankommt?

Im Moment sieht es nicht danach aus. Die Zielrichtung ist gut und richtig, aber die Bund-Länder-Vereinbarung, die nötig ist, damit die 500 Millionen Euro für die Lehrer-Laptops angeschafft werden können, wird erst in den nächsten Wochen unterzeichnet werden. Jetzt müssen die Länder noch die juristischen Voraussetzungen dafür schaffen. Ich sehe nicht, wie das bis Ende des Jahres gehen soll. Inzwischen hat man sich von diesem ambitionierten Ziel auch schon verabschiedet und hat den Zeitraum bis auf Ende 2021 ausgedehnt. Das ist in einer Zeit, wo die Lehrer händeringend darauf warten, völlig unzureichend. Von einem Sofortprogramm kann da wirklich keine Rede sein.

Waren Sie überrascht, als im Frühjahr deutlich wurde, wie viele Schüler offenbar zu Hause nicht die nötige Lern-Infrastruktur zur Verfügung haben?

Nein, darüber war ich nicht überrascht. Es ist ja nichts Neues, dass es viele Kinder gibt, die in finanziell schwierigen Verhältnissen aufwachsen. Deshalb ist es ja so wichtig, dass jede Schule endlich über die nötige Zahl an Leihgeräten verfügt.

Nun löst auch die Digitalisierung nicht alle Probleme, das heißt, diesen Kindern hilft ein Laptop allein auch nicht, um am Ball zu bleiben.

Das Allerwichtigste ist, dass wir die Schulen im Präsenzunterricht offen halten. Damit die Kinder die Möglichkeit haben, mit anderen Kindern und dem Lehrer zusammen zu lernen. Lernen hat ja auch eine soziale Komponente. Und wenn das punktuell nicht geht, müssen wir ganz schnell dafür sorgen, neben den Endgeräten für die Schüler auch die entsprechende Lernsoftware und Lernplattformen zu installieren. Die Lehrer müssen entsprechend ausgebildet sein. Das alles hätte man im Sommer mit Hochdruck angehen müssen. Das wurde leider versäumt und rächt sich jetzt erneut.

Das Gespräch führte Claudia Heine .

Katja Suding ist seit 2017 für die FDP Mitglied des Bundestages und dort unter anderem Mitglied des Ausschusses für Bildung, Forschung, Technikfolgenabschätzung. Sie ist stellvertretende FDP-Fraktions- und Bundesvorsitzende.