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MAUT-AUSSCHUSS : Penible Prüfer

Vertreter des Bundesrechnungshofs werfen dem Verkehrsministerium vor, gegen Haushalts- und Vergaberecht verstoßen zu haben. Ministeriumsvertreter modifiziert Aussage…

03.02.2020
2023-08-30T12:38:13.7200Z
4 Min

Reinhard Klingen, Ministerialdirektor und Leiter der Zentralabteilung im Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur, dürfte schon angenehmere Stunden erlebt haben als diesen Januarabend im Europasaal des Paul-Löbe-Hauses. Vor dem 2. Untersuchungsausschuss ("PKW-Maut") musste er den Abgeordneten Rede und Antwort stehen, wobei er mehrfach einen Satz wiederholte: "Zu dieser Frage habe ich keine persönliche Wahrnehmung." Der Grund dieser Aussage liegt darin, dass Klingen die Zentralabteilung erst seit Ende Juli 2019 leitet. Deshalb war er im Zeitraum, der für den Untersuchungsausschuss besonders relevant ist, gar nicht mit der umstrittenen Maut befasst.

Gefragt wurde Klingen im Rahmen einer öffentlichen Zeugenvernehmung vor allem nach den Kritikpunkten, die der Bundesrechnungshof in einem Bericht an der Vergabe der PKW-Maut aufgeführt hatte. Die Prüfer hatten Verstöße gegen das Haushalts- und gegen das Vergaberecht moniert. Vor dem Untersuchungsausschuss bekräftigten nun zwei Mitarbeiter des Bundesrechnungshofs in getrennten Befragungen ihre Kritik.

Viel Raum nahm dabei der Umstand ein, dass das Verkehrsministerium zwischen der Abgabe des finalen Angebots durch das Bieterkonsortium Kapsch TrafficCom/CTS Eventim und der Vertragsunterzeichnung weitere Gespräche mit den potenziellen Mautbetreibern führte. "Über das endgültige Angebot hätte nicht mehr verhandelt werden dürfen", sagte Ministerialrat Werner Pelzer, der die PKW-Maut als Prüfungsgebietsleiter begleitete. Diese Gespräche seien "vergaberechtlich nicht zulässig" gewesen, betonte auch Romy Moebus, Leiterin der für Verkehr und Infrastruktur zuständigen Abteilung V des Bundesrechnungshofs.

Moebus und Pelzer wiesen darauf hin, dass in diesen Verhandlungen die Mindestanforderungen geändert worden seien. Deshalb hätte das Ministerium das Verfahren zurücksetzen und den zuvor ausgestiegenen Bietern die Möglichkeit geben müssen, sich wieder am Verfahren zu beteiligen. Zwar gebe es die Möglichkeit, aus schwerwiegenden Gründen nachzuverhandeln. "Das Ministerium", sagte Moebus, "hat aber keine schwerwiegenden Gründe vorgebracht."

Reinhard Klingen als Vertreter des Bundesverkehrsministeriums widersprach im Anschluss dieser Darstellung. "Es wurden Aufklärungsgespräche und Verhandlungen mit den verbliebenen Bietern geführt, die im rechtlichen Sinne keine Nachverhandlungen waren", sagte er. Im späteren Verlauf der Vernehmung modifizierte Klingen diese Aussage: Konfrontiert mit Paragraf 17 der Vergabeverordnung, wonach Verhandlungen über endgültige Angebote unzulässig sind, sprach er nur noch von "Aufklärungsgesprächen" zwischen Ministerium und Konsortium.

Risikobewertung Bohrende Fragen an die Zeugen stellten die Abgeordneten auch in Bezug auf das Risiko eines negativen Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Bekanntlich hatte Österreich vor dem EuGH Klage gegen die PKW-Maut eingereicht. Im Juni 2019 entschied der Gerichtshof, die Maut in der beschlossenen Form sei nicht vereinbar mit EU-Recht, da sie ausländische Fahrzeughalter benachteilige.

Das Ministerium habe dieses Risiko "nicht in dokumentierter Form betrachtet", rügte Rechnungshofsprüfer Pelzer. "Wir haben nirgendwo gesehen, dass sich das Ministerium mit dem Risiko auseinandergesetzt hat." Ministerialdirektor Klingen erklärte hingegen, es habe regelmäßige Risikoworkshops gegeben. "Die Risikobewertung", sagte er, "erschien mir plausibel und vertretbar."

Eine Mitarbeiterin des Ministeriums, die nicht als Zeugin geladen war, der aber vom Ausschussvorsitzenden Udo Schiefner (SPD) das Wort erteilt wurde, wies ergänzend auf ein Dokument in den dem Ausschuss zur Verfügung gestellten Akten hin. Dieses belegt nach ihren Angaben, dass das Ministerium das Risiko einer negativen EuGH-Entscheidung fortlaufend berücksichtigte.

Auch zu haushaltsrechtlichen Fragen äußerten sich die Vertreter des Bundesrechnungshofs. Es seien ihnen keine anderen Vergabeverfahren bekannt, bei denen das Angebot der Bieter um ein Drittel heruntergehandelt worden sei, erklärten sie übereinstimmend. Bei der PKW-Maut wurde die Angebotssumme von rund drei Milliarden Euro in den Endverhandlungen auf rund zwei Milliarden Euro reduziert. Erst dadurch wurde es möglich, die Verpflichtungsermächtigung des Bundestags einzuhalten.

Erreicht worden sei dies durch die Verschiebung von Leistungspaketen, erklärte Romy Moebus. Konkret nannte sie dabei die Portokosten sowie die Mitbenutzung der Terminals der (bundeseigenen) Toll Collect GmbH. Auf diese Weise, so die Zeugin, habe das Ministerium versucht, "auf eine Summe zu kommen, die haushaltsrechtlich abgedeckt ist".

Stellungnahme Deutlich wurde zudem, dass der Ausschuss sich auch für interne Vorgänge im Ministerium interessiert - beispielsweise für die Frage, warum die Stellungnahme zum Entwurf des Rechnungshofsberichts nicht von der Abteilung Z 21 (die für die Beziehungen zum Bundesrechnungshof zuständig ist) unterzeichnet wurde, sondern vom Leiter der Zentralabteilung. Aus internen Unterlagen, aus denen Mitglieder des Ausschusses zitierten, geht hervor, dass leitende Mitarbeiter des Ministeriums von der Qualität der Stellungnahme nicht überzeugt waren. Klingen erklärte, er habe die Stellungnahme unterschrieben, da er die darin aufgeführten Begründungen "gut, überzeugend, mindestens aber vertretbar" gefunden habe.

Thematisiert wurde in der Sitzung zudem die Kooperationsbereitschaft des Ministeriums bei der Prüfung durch den Rechnungshof. "Wer freut sich schon, wenn der Bundesrechnungshof kommt?", antwortete Moebus. Es sei vorgekommen, dass trotz rechtzeitiger Ankündigung des Besuchs durch die Prüfer kein Computer im Büro gestanden habe und kein Zugang zum Laufwerk gewährleistet gewesen sei.

Als "verbesserungswürdig" bezeichnete auch Prüfungsgebietsleiter Pelzer die Kooperation. Fragen, wie sich die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Verkehrsministeriums konkret geäußert habe, beantwortete er unter Verweis auf die Vertraulichkeit entsprechender interner Vermerke nicht. Das Angebot des Ausschussvorsitzenden Schiefner, sich zu diesem Aspekt in nichtöffentlicher Sitzung zu äußern, lehnte er ab. Christian Hunziker