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Recht : Jahrhundertwerk beschlossen

Bundestag beschließt weitreichende Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts

08.03.2021
2023-11-13T09:51:14.3600Z
3 Min

Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen nahm der Bundestag am vergangenen Freitag den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts an (19/24445). Teile der auch als "Jahrhundertwerk" bezeichneten umfangreichen und komplexen Vorlage, mit denen die Rechte der Betroffenen gestärkt werden sollen, waren auch von der Opposition begrüßt worden. Einig waren sich die Fraktionen der AfD, der FDP, der Linken und der Grünen jedoch in der Ablehnung der im Entwurf enthaltenen Regelungen zum Ehegattenvertretungsrecht. Während sich AfD, Linke und Grüne in der Schlussabstimmung über den Entwurf in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung (19/27287) enthielten, stimmte die FDP-Fraktion dagegen. Ein Antrag der Liberalen, mit dem die selbstbestimmte Vorsorge in Gesundheitsangelegenheiten gestärkt werden sollte (19/24638), und ein Entschließungsantrag der Grünen wurden abgelehnt.

Ziele der UN-Konvention Aus der Sicht der SPD setzt der Entwurf das Selbstbestimmungsrecht der betreuten Menschen gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention um und ist ein bedeutsames gesellschaftliches Reformprojekt. Wichtige Erfolg seien unter anderem, dass zeitnah zum Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 2023 niedrigschwellige Beratungs- und Beschwerdestellen eingerichtet werden, dass keine Sterilisation mehr gegen den Willen der betreuten Frau angeordnet werden darf und dass eine Betreuung nicht mehr als Begründung für die Wegnahme eines Kindes ausreicht. Auch die Betreuungsvereine sowie die barrierefreie Kommunikation würden gestärkt.

Aus der Union hieß es zum umstrittenen Thema Ehegattenvertretungsrecht, man habe sich darüber lange mit dem Koalitionspartner ausgetauscht. Nach Auffassung von CDU/CSU sei der Ehepartner oder die Ehepartnerin im Zweifel die Person, die am ehesten über die Belange des anderen Partners entscheiden kann, wenn dieser dazu nicht in der Lage ist. Die Union halte dies für den richtigen Weg, und so sei es auch im Entwurf normiert worden.

Die Grünen sprachen von einer überfälligen systematischen Neufassung. Grundsätzlich hätte man sich eine Zustimmung zu dem Gesetz vorstellen können, dagegen spreche aber die Beibehaltung des Ehegattenvertretungsrechts. Anstatt diese Passage zu streichen, werde es von drei auf sechs Monate verlängert. Es sei anfällig für Missbrauch, so könne ein Arzt nicht wissen, ob eine Ehe noch besteht oder die Partner getrennt leben.

Rechte der Ehepartner Die FDP bedauerte, dass es der Regierung trotz Verbesserungen an vielen Stellen nicht gelungen sei, einen zustimmungsfähigen Entwurf vorzulegen. Die Einführung des Ehegattenvertretungsrechts in Krankheitsfällen schwäche das individuelle Selbstbestimmungsrecht der Ehepartner so massiv, dass eine Zustimmung oder eine Enthaltung für die FDP-Fraktion untragbar wäre. Auch die Linksfraktion und die Fraktion der AfD erteilten dem Gesetz wegen dieser Regelung eine Absage. Beide Fraktionen bezeichneten die Vorsorgevollmacht als den besseren Weg. Für Die Linke fehlt im Entwurf auch eine bessere Unterstützung für die wichtige Berufsgruppe der Betreuer.

In einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses hatten sich die Sachverständigen überwiegend positiv zu der Vorlage geäußert. Laut Entwurf ist das Vormundschaftsrecht durch zahlreiche Ergänzungen und Änderungen unübersichtlich geworden und bildet die aktuelle Praxis nicht zutreffend ab. Im Betreuungsrecht sei das Gebot größtmöglicher Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen im Vorfeld und innerhalb der rechtlichen Betreuung nicht durchgängig zufriedenstellend verwirklicht.