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FINANZEN I : Das Gesetz zum Skandal

Die Bundesregierung will die Bilanzkontrolle verbessern und die Aufsicht stärken

08.03.2021
2023-11-13T09:51:14.3600Z
3 Min

Selten ist ein Ereignis so weitreichend, dass als Reaktion darauf ein komplettes Gesetz gemacht wird. Im Fall Wirecard ist das der Fall. Der Bundestag debattierte vergangene Woche erstmals über den Gesetzentwurf der Bundesregierung, der Skandale wie im Fall des Finanzdienstleisters Wirecard künftig verhindern soll. Das Vorhaben trägt den Titel "Finanzmarktintegrationsstärkungsgesetz" (19/26966), im Volksmund heißt es kurz Wirecard-Gesetz.

Es könnte auch BaFin-Gesetz heißen, denn der Skandal umfasst nicht nur die Bilanz-Machenschaften des Unternehmens Wirecard, sondern auch das Versagen der staatlichen Kontrollbehörde BaFin, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Wirecard hat im Sommer 2020 Insolvenz angemeldet, das Unternehmen soll jahrelang die Bilanzen gefälscht haben, Wirtschaftsprüfer waren angeblich ahnungslos. Der BaFin wird vorgeworfen, Betrugshinweise lange Zeit nicht entschieden genug verfolgt zu haben. Mitarbeiter der BaFin handelten bis kurz vor der Insolvenz selbst mit Aktien von Wirecard.

Das wird ihnen künftig untersagt. "Wir schieben den Handelsbestrebungen dereinzelnen Mitarbeiter der BaFin einen Riegel vor", erklärte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, Sarah Ryglewski (SPD), bei der ersten Beratung des Gesetzentwurfs. Der von ihrem Haus vorgelegte Entwurf sieht eine Reihe von Maßnahmen vor, die die Kontrolle verbessern sollen. Er sei "ein wesentlicher Schritt, damit sich der Fall Wirecard nicht wiederholt", sagte Ryglewski.

Das Gesetz sieht vor, einerseits die Bilanzkontrolle zu verbessern und zusätzlich die BaFin mit neuen Rechten und Befugnissen auszustatten. Gleichzeitig soll die Unabhängigkeit der Abschlussprüfer gestärkt werden.

Grundlegend reformiert werden soll das Bilanzkontrollverfahren, bisher war es auf die freiwillige Mitwirkung von Unternehmen angewiesen. Die BaFin erhält dem Entwurf zufolge zusätzlich hoheitliche Befugnisse, um bei Verdacht von Bilanzverstößen direkt und unmittelbar gegenüber den Unternehmen auftreten zu können. Dazu gehört ein Prüfungsrecht gegenüber allen kapitalmarktorientierten Firmen.

Künftig ist für Kapitalmarktunternehmen ein Wechsel der externen Prüfer nach zehn Jahren verpflichtend vorgeschrieben. Prüfung und Beratung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse sollen schärfer getrennt werden. Die zivilrechtliche Haftung des Abschlussprüfers gegenüber dem geprüften Unternehmen für Pflichtverletzungen wird verschärft. Das soll die Qualität der Abschlussprüfung fördern.

Außerdem wird das Bilanzstrafrecht geändert, um eine Ahndung der Unternehmensverantwortlichen bei Abgabe eines falschen Bilanzeids zu ermöglichen. Das Gleiche soll für Abschlussprüfer gelten, wenn sie einen inhaltlich unrichtigen Bestätigungsvermerk zu Abschlüssen erteilen.

Die AfD-Fraktion stellte einen eigenen Gesetzentwurf zur Änderung des Handelsgesetzbuchs (10/27023) vor, mit dem sie die Abschlussprüfung von Kapitalgesellschaften verbessern will.

In der Debatte am vergangenen Donnerstag sahen alle Fraktionen bis auf die SPD Nachbesserungs-Bedarf. Der AfD-Abgeordnete Kay Gottschalk sagt, er sei "heilfroh" dass es den Untersuchungsausschuss Wirecard gebe, "der durch seinen Druck und seine Aufklärungsarbeit dazu beitgetragen hat, dass die Koalition nun endlich auch handelt". Die AfD werde sich bei den Beratungen einbringen. Er verwies darauf, dass seine Fraktion mit dem eigenen Gesetzentwurf bei der Rotation der Bilanzprüfer eine Wechselpflicht nach vier Jahren vorschlage, nicht nach zehn Jahren wie im Entwurf des Bundesfinanzministeriums vorgesehen.

Der CDU-Abgeordnete Matthias Hauer erklärte, seine Fraktion wolle den Gesetzentwurf noch nachschärfen. Das sei nötig, um "konsequente Lehren aus dem Fall Wirecard zu ziehen". Er forderte eine Bilanzkontrolle aus einer Hand, klare Kompetenzen bei der Geldwäscheaufsicht und weniger Konzentration auf dem Wirtschaftsprüfermarkt. Dies sei im Gesetzgebungsverfahren zu ergänzen.

Florian Toncar von der FDP-Fraktion beklagte in der Debatte den "beispiellosen Betrug vor den Augen unserer Behörden". Die seien nicht nur untätig geblieben, es sei den "Leuten bei Wirecard sogar gelungen, die Behörden zum Werkzeug ihres Betruges zu machen". Bei der weiteren Beratung werde man Vorschläge zum Aufgabenprofil der Finanzaufsicht machen. "Fokussierung," sei nötig, "nicht immer mehr Aufgaben in der Breite".

Fabio de Masi (Linke) erklärte, in anderen EU-Mitgliedstaaten sei die Bilanzkontrolle eine hoheitliche Aufgabe. Die BaFin aber sei zur Bilanzkontrolle nicht befähigt. "Sie hat nur fünf Mitarbeiter mit Wirtschaftsprüfer-Examen, und das müssen wir dringend ändern."

Lisa Paus (Bündnis 90/Grüne) kritisierte, der Gesetzentwurf greife an entscheidenden Stellen zu kurz. So habe etwa die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung "total versagt". Sie habe nicht die Mittel dazu, als Bilanzpolizei zu agieren. Trotzdem wolle die Bundesregierung die Prüfstelle weiter bestehen lassen.

Die Gesetzentwürfe wurden zur weiteren Beratung an den Finanzausschuss überwiesen.