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ISRAEL : Volle Bars und Reiselust

Fast normales Leben mit Grünem Pass

10.05.2021
2023-08-30T12:39:37.7200Z
3 Min

Als sich vergangene Woche hunderttausend ultraorthodoxe Israelis am Berg Meron versammelten, um das Lag BaOmer Fest zu feiern, befürchtete das Gesundheitsministerium eine Masseninfektion. Israel gilt zwar als Impfweltmeister, doch neben einigen Arabischen Israelis und Skeptikern aus alternativen Kreisen verweigern sich vor allem Strenggläubige der Impfung. Von Mundschutz und Distanzregeln ganz zu schweigen.

Wie es mit der Ansteckung aussieht, bleibt noch abzuwarten. Doch es kam zu einer anderen Tragödie: In einer Massenpanik kamen im Gedränge 45 Menschen ums Leben. Schon zuvor hatten sich die Ultraorthodoxen trotz Lockdowns zu Beerdigungen oder Feiertagen versammelt. Hätte das Unglück verhindert werden können, hätte die Regierung die Covid-19-Restriktionen auch bei ihnen strikt durchgesetzt?

Zwar sind inzwischen - je nach Altersgruppe - 60 bis 90 Prozent der Israelis ab 16 Jahren geimpft oder genesen, und die Zahl der Corona-Schwerkranken ist unter die Marke von hundert gefallen. Zwar sind Cafés und Bars bereits seit Anfang März wieder geöffnet, und neuerdings sogar Nachtclubs und Theater. Doch wer im Restaurant sitzen möchte, ein Museum, Fitnessstudio oder größeres Event besuchen will, muss seinen "Grünen Pass" vorweisen.

Dieser lässt sich einige Tage nach der zweiten Impfung oder bei nachgewiesener Genesung digital herunterladen sowie auf einer Smartphone-App vorweisen. Gesundheitsminister Yuli Edelstein appellierte in einem Tweet an die Solidarität der Bürger, aber auch an ihre Sorge, etwas zu verpassen: "Du musst entscheiden, ob Du dabei sein willst oder alleine zurückbleibst." Ziel ist es natürlich vor allem, die Wirtschaft im Land wieder anzukurbeln.

Tatsächlich gab es im Großteil der Bevölkerung wenig Diskussionen, ob ein Impfpass mit entsprechenden Privilegien die Bevölkerung spalten könnte. Schließlich hatte Premierminister Benjamin Netanjahu so großzügig und frühzeitig Impfstoff eingekauft, dass jeder, der sich impfen lassen wollte, die Impfung auch bekam. Und die meisten wollten.

Das mag an einer gewissen Tradition der Solidarität liegen, auf die immerhin die zionistische Gründungsidee Israels baut. Und an einem großen Vertrauen in die Wissenschaft, oder auch in die Regierung - zumindest, wenn es um Fragen der nationalen Sicherheit geht.

Proteste gegen den Grünen Pass kamen hauptsächlich von Seiten der teils recht esoterischen alternativen Bewegung in Israel. Tatsächlich meldete dann auch die kleine "Hippie"-Gemeinde Pardes Hanna vor zwei Wochen einen Ausbruch des Virus. Nicht immun sind insgesamt noch etwa 900.000 Erwachsene, und das bei rund neun Millionen Einwohnern.

Glückliche Besitzer des Grünen Passes jedoch feiern das Leben. Die Bars in Tel Aviv schienen nie so voll, die Wanderwege in den Parks selten so gut besucht. Und seitdem der Flughafen wieder geöffnet wurde, zieht es viele Israelis ins Ausland; der Pass befreit auch von der 14-tägigen Quarantäne bei der Rückkehr.

Mit Griechenland und Zypern hatte Israel schon zuvor entsprechende Reiseabkommen geschlossen. Seit dem "Frieden" mit den Emiraten, stehen auch Dubai und Abu Dhabi erstaunlich hoch im Kurs unter den Israelis. Auf dem Landweg gönnten sich viele einen Kurztrip an die Strände im Sinai. Ein Reiseverbot herrscht dagegen für Länder wie Indien oder Brasilien. Man sorgt sich um die Einführung von Virus-Varianten.

Mit PCR-Tests, vor dem Boarding und nach der Landung, sollen neue Mutationen schnell entdeckt werden. Ab dem 23. Mai dürfen endlich auch Touristen einreisen, allerdings nur geimpft und erst einmal in Gruppen.

Nur eine Gefahr scheint Israel weitgehend zu ignorieren: Checkpoints schützen nicht vor dem Virus - zumal viele Palästinenser aus dem Westjordanland legal oder illegal in Israel oder in jüdischen Siedlungen arbeiten. Bisher wurden nur Hunderttausend dieser Arbeiter von Israel geimpft.

Insgesamt sind gerade mal 3,3 Prozent der palästinensischen Bevölkerung versorgt. Hier sind die Corona-Zahlen hoch wie nie, die Krankenhäuser überlastet. In Israel liegen derweil zehn Millionen AstraZeneca-Dosen ungenutzt herum.

Die Autorin ist freie Korrespondentin für Israel und Palästina.