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EXTREMISMUS II : Verschwörung in den Grenzen von 1937

Die Reichsbürger-Bewegung im rechten Spektrum

04.01.2021
2023-11-13T09:51:14.3600Z
2 Min

Lange wurden sie als harmlose Spinner mit selbstgebastelten Ausweisen verlacht. Inzwischen nehmen Sicherheitsbehörden und Politik sie sehr ernst: Sogenannte Reichsbürger oder Selbstverwalter, die bestreiten, dass die Bundesrepublik ein legitimer und souveräner Staat ist und ihn und seine Gesetze ablehnen.

Zwar ist die Bewegung schon seit Jahrzehnten aktiv; die erste bekannte Organisation wurde schon 1985 gegründet. Doch erst nachdem ein selbsternannter Reichsbürger 2016 einen Polizisten ermordete, wird die extrem heterogene Szene aus Einzelpersonen und Kleingruppen öffentlich zunehmend als Problem wahrgenommen. Im März dieses Jahres ließ Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) den Verein "Geeinte deutsche Völker und Stämme" und dessen Teilorganisation "Osnabrücker Landmark" verbieten. In zehn Bundesländer fanden Razzien statt, dabei wurden Schusswaffen, Baseballschläger, Propagandamaterialien und Betäubungsmittel sichergestellt. Man habe es mit einer Vereinigung zu tun, "die rassistische und antisemitische Schriften verbreitet und damit unsere freiheitliche Grundordnung systematisch vergiftet", ließ Seehofer wissen. "Verbale Militanz und massive Drohungen gegenüber Amtsträgern und ihre Familien" würden die verfassungsfeindliche Haltung der Vereinigung belegen.

Insgesamt 19.000 Reichsbürger zählt der Verfassungsschutz bundesweit. Besondere Sorge bereitet den Sicherheitsbehörden, dass die zumeist männlichen Reichsbürger besonders waffenaffin sind. 950 von ihnen werden als rechtsextrem eingestuft. 530 Mitglieder der Bewegung haben nach Angaben des Verfassungsschutzes eine Erlaubnis zum Waffenbesitz. Im Februar 2020 ließ der Generalbundesanwalt eine mutmaßliche Terrorzelle aus Reichsbürgern und Neonazis zerschlagen, die kurz davor gestanden haben soll, Anschläge auf Politiker, Asylbewerber und Muslime zu verüben. Weil es im Gedankengut der Bewegung viele Überschneidungen zu rechtsextremen Theorien gibt, fordern etwa die Grünen eine konsequente Einstufung der gesamten Bewegung als rechtsextrem.

Zwar gibt es keine einheitliche Ideologie, der alle Reichsbürger folgen würden. Sie eint aber in der Regel die Überzeugung, die Bundesrepublik existiere formaljuristisch nicht, stattdessen existiere das Deutsche Reich mit der Weimarer Reichsverfassung von 1919 fort. Alternativ werden als gültige Grenzen die des Jahres 1937 gesehen. Das Grundgesetz wird unter dem Verweis, es handele sich dabei nicht um eine Verfassung, nicht anerkannt. Deutschland stehe noch immer unter der Besatzung der "Siegermächte".

Seit dem Beginn der Corona-Pandemie und dem Erstarken der Proteste gegen die Schutzmaßnahmen erhalten diese Verschwörungstheorien ergänzt durch Erzählungen, es gebe eine geheime Elite, die die Weltherrschaft ausübe, vermehrt Zulauf, Psychologen erklären das mit dem Wunsch nach Orientierung und einfachen Erklärungen in einer komplexen und furchteinflößenden gesellschaftlichen Lage.