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Antiziganismus : »Unrecht auch in den Zeiten der Bundesrepublik«

Fast alle Fraktionen dringen auf verstärkte Anstrengungen zur Bekämpfung des Rassismus gegenüber Sinti und Roma

28.06.2021
2023-08-30T12:39:38.7200Z
2 Min

Abgeordnete der Koalition wie der Opposition haben zu verstärkten Anstrengungen im Kampf gegen Antiziganismus in Deutschland aufgerufen. In einer Debatte über den Bericht der "Unabhängigen Kommission Antiziganismus" (19/30310) beklagte Axel Müller (CDU) vergangene Woche, Sinti und Roma "wurden und werden aus rassistischen Gründen ausgegrenzt, unterdrückt und ermordet". Das sei nicht nur während des Nationalsozialismus, sondern auch schon früher der Fall gewesen. Auch der Bundesrepublik sei es in Bezug auf das Leben von Sinti und Roma nur bedingt gelungen, die Fehler der Weimarer Republik nicht zu wiederholen. Müller mahnte, den Genozid an Sinti und Roma umfassend anzuerkennen und für eine "angemessene Entschädigung" zu sorgen. Auch sei das in der Bundesrepublik gegenüber der Minderheit begangene Unrecht aufzuarbeiten.

Wie Müller stellte sich Helge Lindh (SPD) hinter die Forderung der Kommission, einen Antiziganismus-Beauftragten zu berufen. Zudem plädierte er unter anderem für einen nationalen Aktionsplan gegen Antiziganismus sowie für eine Wahrheitskommission, die sich mit dem "Unrecht in den Zeiten der Bundesrepublik" befasst.

Sandra Bubendorfer-Licht (FDP) betonte die "große historische Verantwortung, die aus den Gräueltaten der Nationalsozialisten an Sinti und Roma besteht". Antiziganismus habe indes "nicht erst mit den Verbrechen der Nationalsozialisten begonnen und auch nicht nach dem Ende der Naziherrschaft aufgehört, zu bestehen". Ihre Fraktion wolle unter anderem eine größere Sensibilisierung für antiziganistische Straftaten herbeiführen und Meldestellen bei der Polizei ausbauen.

Ulla Jelpke (Linke) verwies darauf, dass im Ausland lebende NS-Opfer bis heute von Entschädigungen ausgegrenzt worden seien. Es dürfe aber "keine NS-Opfer wie die Roma geben, die als Opfer zweiter Klasse diskriminiert werden". Auch kritisiere die Kommission die Einstufung der Westbalkanstaaten als asylrechtlich sichere Herkunftsstaaten. Dort würden Roma rassistisch diskriminiert. "Alle Roma, die heute in Europa leben, sind Überlebende des NS-Völkermordes und deren Nachkommen", fügte Jelpke hinzu. Ihre Sicherheit zu gewährleisten, müsse deutsche Staatsräson werden.

Filiz Polat (Grüne) konstatierte, der Rassismus gegenüber Sinti und Roma ziehe sich bis heute "wie ein roter Faden durch unsere Gesellschaft und staatlichen Institutionen". Nicht nur sei der NS-Völkermord lange Zeit nicht anerkannt, sondern auch "Praktiken der Stigmatisierung und Sondererfassung einfach fortgeführt" worden. Sie forderte, die Benachteiligung in der Wiedergutmachungspraxis nach 1945 schnellstmöglich auszugleichen, die Einrichtung einer Kommission zur Aufarbeitung des Unrechts nach 1945 einzurichten und geflüchtete Roma als besonders schutzwürdige Gruppe anzuerkennen.

Im Gegensatz zu den übrigen Rednern äußerte Markus Frohnmaier (AfD) scharfe Kritik an der Kommission. Diese kriminalisiere "den Begriff ,Zigeuner', den viele Sinti noch immer mit Stolz verwenden", sagte Frohnmaier. Auch sollten nach dem Willen der Kommission "sämtliche Bücher aus der Vergangenheit, in denen beispielsweise ein romantisiertes Zigeunerleben dargestellt wird, umgeschrieben werden". Dies sei "ein Verbrechen an der Literatur und Kultur".