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umwelt : Verschärfte Klimaziele

Bundestag stimmt in namentlicher Abstimmung der Novelle des Klimaschutzgesetzes zu

28.06.2021
2023-08-30T12:39:39.7200Z
4 Min

In der Debatte zur Novelle des Klimaschutzgesetzes (19/30230) vergangene Woche wurde es mehrfach laut und lebhaft. Etwa, als Karsten Hilse (AfD) ans Rednerpult trat. Das Gesetz sei "ein weiterer Stein auf dem Weg in Unfreiheit und Armut", sagte Hilse. Er ging so weit, einen Vergleich zum Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten zu ziehen: Wie bei diesem habe es beim Klimaschutzgesetz nicht schnell genug gehen können. Die Behauptung, CO2 sei der Hauptgrund für den Klimawandel, sei zu einem religiösen Dogma geworden - und religiöse Dogmen seien schon immer die Grundlage für Freiheitsentzug gewesen. Zahlreiche Zwischenrufe begleiteten die Rede des AfD-Abgeordneten.

In namentlicher Abstimmung billigte der Bundestag mit 352 gegen 290 Stimmen und zehn Enthaltungen die Änderung des Klimaschutzgesetzes, die auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zurückgeht. Dieses hatte im Frühjahr festgestellt, dass das 2019 verabschiedete Klimaschutzgesetz die durch den Kampf gegen den Klimawandel bewirkten Lasten zu stark auf die Zeit nach 2030 verschiebe und damit die Freiheitsrechte der jungen Generation verletze. Mit der Novelle werden nun die Ziele deutlich verschärft: Schon 2045 (und nicht erst, wie bisher geplant, 2050) soll Deutschland klimaneutral sein.

Das Gesetz stelle sicher, dass die Ziele bis hin zur Treibhausgasneutralität zuverlässig erreicht würden, sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). Alle, die das Klimaschutzgesetz als zahnlosen Tiger kritisierten, würden erleben, dass das Gegenteil der Fall sei. Schulze verhehlte nicht, dass sie sich noch mehr gewünscht hätte. Als Beispiele nannte sie ein Tempolimit, eine Solardachpflicht für Neubauten, einen steileren Pfad für den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Aufteilung der durch den CO2-Preis bedingten Mehrkosten beim Heizen zwischen Vermietern und Mietern. Für diesen im Kabinett bereits beschlossenen Punkt habe es leider mit der Unionsfraktion keine Mehrheit gegeben. "Sozial gerechten Klimaschutz", erklärte sie, "gibt es mit der Sozialdemokratie."

Die Bundesregierung missbrauche das Argument der sozialen Gerechtigkeit, um die für den Klimaschutz nötigen Maßnahmen nicht zu ergreifen, sagte hingegen Anton Hofreiter. Der Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen warf der Bundesregierung vor, die Möglichkeiten beim Klimaschutz nicht zu nutzen. Während selbst große Teile der Industrie umgedacht hätten, habe die Bundesregierung bei der Energiewende Chaos angerichtet, die Industrie beim Umbau im Stich gelassen und mit der Mobilitätswende noch gar nicht richtig begonnen.

Auch Sabine Leidig (Die Linke) warf der Bundesregierung vor, die Chance für eine sozial-ökologische Transformation ungenutzt verstreichen zu lassen. Damit mache sie den gleichen Fehler wie die Vorgängerregierung im Jahr 2009, die es verpasst habe, die Finanzmarktkrise zum Umsteuern zu nutzen. Dass die Bundesregierung in Wirklichkeit gegen den Klimaschutz handle, zeige der Bundesverkehrswegeplan, der die Infrastruktur für noch mehr Autoverkehr schaffe. Nötig sei eine wirkliche Verkehrswende mit deutlich weniger motorisiertem Verkehr.

Mit anderen Argumenten kritisierte Lukas Köhler (FDP) den Gesetzentwurf. Er setze die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht um, da er weder effizient sei noch eine europäische Lösung anstrebe. Stattdessen sei die Bundesregierung mit dem Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045 vorgeprescht, womit sie ihre Verhandlungsposition auf europäischer Ebene geschwächt habe. Der Ansatz, einzelnen Sektoren Vorgaben für den CO2-Ausstoß zu machen, sei falsch, da er nicht dafür sorge, dass der Euro dort ausgegeben werde, wo er am effizientesten eingesetzt werde. Köhler forderte stattdessen ein europaweites Emissionshandelssystem.

Für die Fraktion von CDU/CSU hob Stephan Stracke die Aufgabe hervor, in diesem Jahrzehnt die entscheidenden Schritte zu gehen, damit Deutschland ein klimaneutrales Industrieland werde. Klimaschutz, nachhaltiges Wachstum und soziale Sicherheit seien untrennbar miteinander verbunden, betonte Stracke. Deshalb sei es eine zentrale Aufgabe, trotz der CO2-Bepreisung von Wärme und Verkehr die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu erhalten. Bei der Entlastung von Unternehmen, die stark vom CO2-Preis betroffen seien, habe die Unionsfraktion weitergehende Vorstellungen gehabt, die mit der SPD nicht umzusetzen gewesen seien.

Damit sprach Stracke eine der weiteren Vorlagen an, die im Zusammenhang mit dem Klimaschutzgesetz auf der Tagesordnung standen, die Carbon-Leakage-Verordnung (19/28163) in der vom Umweltausschuss geänderten Fassung (19/30955). Diese mit der Koalitionsmehrheit angenommene Verordnung soll energieintensive Unternehmen entlasten und verhindern, dass diese ins Ausland mit weniger strengen Auflagen abwandern.

Im Schatten des Klimaschutzgesetzes billigte der Bundestag zudem mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen einen Gesetzentwurf zur Förderung von Energien aus erneuerbaren Quellen (19/27672) in der vom Umweltausschuss geänderten Fassung (19/30954). Das Gesetz verfolgt das Ziel, die Genehmigung für Anlagen zur Produktion von erneuerbaren Energien zu beschleunigen und zu erleichtern. Insbesondere soll das sogenannte Repowering - also der Austausch von älteren Windkraftanlagen durch leistungsfähigere Anlagen - einfacher werden.