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Gastkommentare : Ein Pro und Contra: Impfpflicht für Pflegepersonal und Co?

Sollte es eine Pflicht für Pflegepersonal und Co. geben, sich gegen Corona impfen zu lassen? Rainer Woratschka spricht sich dafür aus, Timot Szent-Iványi dagegen.

22.11.2021
2024-03-14T11:27:47.3600Z
3 Min

Pro

Möglichst schnell

Foto: Privat
Rainer Woratschka
ist Redakteur bei "Der Tagesspiegel", Berlin.
Foto: Privat

Zuerst mal: Vorsicht vor Bagatellisierung. Mit Gurt-, Schul- oder Steuerpflicht ist eine obligatorische Corona-Impfung nicht zu vergleichen. Es handelt sich um einen körperlichen Eingriff, das sollte man auch in Zeiten rasant steigender Covid-Infektionen nicht herunterspielen. Wer hier unredlich argumentiert, liefert den Impfverweigerern Futter.

Auch eine Impfpflicht für alle wäre derzeit keine gute Idee - und zwar nicht bloß wegen der Sorge vor noch schärferer Spaltung der Gesellschaft. Sie wäre nur zu rechtfertigen, wenn von Geimpften tatsächlich keine Gefahr mehr drohen würde. Und wenn man sich Ungeimpfte und das Virus nicht auch anderweitig vom Leib halten könnte. Exakt daher brauchen wir aber schnellstmöglich eine Impfpflicht für Beschäftigte in Gesundheitseinrichtungen und Pflegeheimen. Denn die Patienten und Bewohner dort sind hoch vulnerabel; Covid-Infektionen sind bei ihnen weit öfter tödlich als bei Jüngeren oder weniger Geschwächten. Und vor allem: Sie können sich nicht eigenverantwortlich vor infiziertem Personal schützen.

In Schulen und Kitas ist es ähnlich. Bisher gibt es keine Impfempfehlung für unter 12-Jährige. Die Kleinen sind ihren Betreuern und deren persönlicher Impfentscheidung ausgeliefert. Zwar verlaufen Covid-Erkrankungen bei Kindern meist weniger schwer, doch als Überträger können sie vielen ebenfalls hochgefährlich werden.

Körperliche Unversehrtheit ist ein Grundrecht. Das ist bei jeder Impfpflicht zu beachten, die nur maßvoll Verwendung finden sollte. Es gilt aber auch und unbedingt für Menschen, die anders nicht oder nur unzureichend geschützt werden können. Dafür muss in manchen Berufen das Recht, sich nicht impfen zu lassen, zurückstehen.

Contra

Pragmatisch handeln

Foto: Privat
Timot Szent-Iványi
Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Foto: Privat

Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass Beschäftigte, die sich um besonders verletzliche Menschen kümmern, alles zum Schutz der ihnen Anvertrauten tun. Dazu gehört, diese Menschen nicht durch das eigene Verhalten zu gefährden. Insofern darf die Gesellschaft erwarten, dass sich Ärzte, Pfleger, Erzieher und Lehrer gegen Corona impfen lassen.

Da das aber längst nicht alle der betreffenden Beschäftigten so sehen, werden die Rufe nach einer Impfpflicht für einige Berufsgruppen zu Recht immer lauter. Doch das Argument, dass dann insbesondere viele Pflegekräfte ihren Job hinschmeißen würden, wiegt schwer.

Der "Plexit" - also die Flucht aus dem Pflegeberuf - ist längst in vollem Gang. In einer Umfrage der Deutschen Krankenhausgesellschaft gaben 72 Prozent der Kliniken an, derzeit weniger Intensivpflegepersonal zur Verfügung zu haben als noch Ende 2020. Als Gründe wurden vermehrte Kündigungen und Arbeitszeitverkürzungen angegeben. Dieser Personalmangel hat ganz konkrete Folgen: Wurden dem Klinikintensivregister Anfang Januar noch mehr als 26.000 betreibbare Intensivbetten gemeldet, sind es derzeit nur noch etwa 22.000. Eine Impfpflicht könnte den Aderlass noch verstärken. Dazu darf es aber nicht kommen.

Ein großes Unbehagen bleibt, wenn unterlassen wird, was eigentlich für notwendig erachtet wird. Doch die Politik muss gerade in Krisenzeiten die Risiken abwägen und pragmatisch vorgehen. Eine tägliche Testpflicht für das Personal in kritischen Bereichen ist zwar kein vollwertiger Ersatz für eine Impfung. Sie mindert die Gefahren für andere jedoch ganz erheblich - ohne eine Kündigungswelle der Mitarbeitenden zu provozieren.

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