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Aktuelle Stunde : »Übermächtige Stellung«

Kritischer Blick auf den Einfluss von Facebook und Co.

01.02.2021
2023-11-13T09:51:14.3600Z
2 Min

Als nach den Ausschreitungen im US-Kapitol Twitter den Account von Noch-Präsident Donald Trump sperrte, hat sich bei manchem in die erste Freude bald ein Zweifel gemischt: Ist es in Ordnung, dass große privatwirtschaftliche Plattformen darüber entscheiden können, wer sich in ihnen äußern darf?

Redner verschiedener Fraktionen berichteten in einer Aktuellen Stunde in der vergangenen Woche über solch gemischte Gefühle. Beantragt hatte die Debatte die AfD-Fraktion unter dem Titel "Big Tech und die Meinungsfreiheit im Internet". Für deren Vize-Fraktionschefin Beatrix von Storch steht der Fall Trump für mehr: "Die globalistische Linke im Bündnis mit Big Tech" wolle "jeden mundtot machen, der nicht an ihre Wahrheit glaubt". Aber so wie man Bürgern nicht das Wasser wegen einer falschen Meinung abstellen dürfe, so sollten auch Big-Tech-Konzerne Bürger nicht mundtot machen dürfen. Wie das gehe, habe die polnische Regierung vorgemacht: "Was polnische Gerichte nicht verboten haben, darf nicht mehr gelöscht werden."

Gift in den Netzwerken Die Staatsministerin für Digitalisierung im Bundeskanzleramt, Dorothee Bär (CSU), griff Storch daraufhin scharf an. Es sei "mehr als scheinheilig, wenn ausgerechnet Sie hier die Grenzen der Meinungsfreiheit zelebrieren wollen. Sie und Ihre Verbündeten sind diejenigen, die das Gift in alle Netzwerke träufeln lassen". Und mit Blick auf das am selben Tag gesprochene Urteil gegen den Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke rief Bär: "Für mich haben Sie mitgeschossen!" Auf wütende Proteste aus der AfD-Fraktion hin versicherte Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Die Linke), sie werde sich das Debattenprotokoll noch einmal genau ansehen und dann gegebenenfalls über Ordnungsmaßnahmen entscheiden.

Jan-Marco Luczak (CDU) erklärte, Twitter, Facebook und andere hätten für den öffentlichen Diskurs "eine zentrale, vielleicht sogar übermächtige Stellung". Der Staat habe eine Schutzpflicht, die Meinungsfreiheit zu gewährleisten, und daran arbeite der Bundestag auch. Manuel Höferling (FDP) merkte allerdings an, die Bundesregierung habe es sich zu einfach gemacht, als sie mit dem Netzwerk-Durchsetzungsgesetz "die Durchsetzung von Strafrecht zur Sache von Privatunternehmen gemacht" habe.

Fluch der Algorithmen Auf die Rolle der Algorithmen wies Anke Domscheit-Berg (Die Linke) hin. Diese dienten nur dem Zweck, Werbeeinnahmen zu generieren, und lenkten dazu auch Nutzer gezielt auf Seiten mit extremen Inhalten. "Ohne Algorithmen wäre der Welt wahrscheinlich Trump erspart geblieben", sagte sie und forderte die Zerschlagung von Monopolen und den Aufbau von Netzwerken, die "frei von Profitzwang" seien. Tabea Rößner (Grüne) verlangte gesetzliche Regelungen, die verhindern, dass Plattformen "willkürlich Accounts sperren". Der AfD warf Rößner vor, wenn diese von Meinungsfreiheit spreche, meine sie "nur Meinungsfreiheit für sich selbst". Jens Zimmermann (SPD) hielt Storch vor, sie sei auf all den Netzwerken, die sie in ihrer Rede so scharf angegriffen hatte, selbst aktiv.