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Gastkommentare - Contra
Malte Kreutzfeldt, "die tageszeitung", Berlin
Phantomdebatte

Laufzeitverlängerung für AKW?

A uf den ersten Blick mag es naheliegend sein, die letzten drei Atomkraftwerke länger laufen zu lassen, um weniger Gas aus Russland zur Stromerzeugung nutzen zu müssen. Doch bei genauerer Betrachtung ist es weder realistisch noch sinnvoll.

Denn die gesamte Planung der AKW-Betreiber ist seit Jahren darauf ausgerichtet, dass Ende 2022 Schluss ist mit der Atomkraft-Nutzung in Deutschland. Für die oft geforderte mehrjährige Laufzeitverlängerung fehlt daher das nötige Fachpersonal ebenso wie die erforderlichen Brennstäbe. Und die werden für jeden Reaktor individuell hergestellt, was 18 Monate dauert - egal wie sehr manche politische Akteure das ignorieren. Als Hilfe gegen Gasmangel in diesem oder im nächsten Winter käme eine solche Laufzeitverlängerung zu spät.

Vor allem aber würde sie wenig helfen. Denn nur etwa zwölf Prozent des in Deutschland genutzten Erdgases werden in Gaskraftwerken verstromt. Und diese könnten allenfalls zu einem kleinen Teil durch AKWs ersetzt werden, denn die flexiblen Gaskraftwerke werden zum einen benötigt, um kurzfristige Schwankungen im Strombedarf ausgleichen, wozu die auf Dauerbetrieb ausgelegten Kernkraftwerke nicht in der Lage sind. Zum anderen liefern viele Gaskraftwerke neben Strom auch Fernwärme, was die verbliebenen Atomreaktoren ebenfalls nicht können.

Wirklich viel Gas kann anderswo eingespart werden: In den Haushalten, in denen Gasheizungen so schnell wie möglich gegen Wärmepumpen ausgetauscht werden sollten. Und in der Industrie, wo Produktionsprozesse umgestellt oder verlagert werden müssen. Die Debatte um AKW-Laufzeiten lenkt von diesen Herausforderungen nur ab.

Aus Politik und Zeitgeschichte

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