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Wirtschafts- und Klimapolitik der Ampel : Es weht ein frischer Wind

Minister Habeck stellt im Bundestag seine Pläne vor. Die Opposition vermisst Einsatz für Unternehmen.

17.01.2022
2024-03-04T10:50:00.3600Z
4 Min
Foto: picture-alliance/Jochen Tack

Schneller, mehr, unbürokratischer: Die Ampelkoalition will den Ausbau erneuerbarer Energien bis 2030 deutlich voranbringen.

Der Kampf gegen den Klimawandel ist nicht möglich ohne einen Wandel der Wirtschaft und die deutsche Industrie hat keine Zukunft ohne eine Weiterentwicklung ihrer Branchen hin zu mehr Nachhaltigkeit: Diese Haltung hat der neue Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) in der vergangenen Woche deutlich gemacht.

Am Dienstag stellte Habeck zunächst seine "Eröffnungsbilanz Klimaschutz" vor und kündigte Schritte an, die den Ausbau von Windkraft und Photovoltaik-Anlagen voranbringen sollen. So soll beispielsweise die Photovoltaik-Leistung bis 2030 um rund 140 auf 200 Gigawatt steigen. Ziel der Koalition ist es, den Anteil der erneuerbaren Energien bis zu jenem Jahr auf 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs zu steigern.

Am Donnerstag unterstrich Habeck im Bundestag bei seiner ersten Rede als Minister im Plenum erneut die Dringlichkeit des Themas: "Wir treten unsere Regierungszeit in einer Phase großer Veränderung an", sagte er vor den Abgeordneten. Neben der Coronakrise, deren Bewältigung die "allererste große Aufgabe" sei, will Habeck auch die Folgen der steigenden Energiepreise für die Bürgerinnen und Bürger abmildern. Er kündigt an, als kurzfristiges Mittel die EEG-Umlage abschaffen zu wollen und den CO2-Heizkostenaufschlag zwischen Mietern und Vermietern fair zu verteilen.

Darüber hinaus sei "die beste Strategie, uns unabhängig von den fossilen Energien zu machen", so Habeck. "Das gebieten der Klimaschutz und die Aufgaben, die damit verbunden sind, auch die ökonomischen und gesellschaftlichen Kosten, die immer höher werden."

In diesen großen Aufgaben biete sich aber auch eine "Herausforderung, die uns buchstäblich wachsen lassen kann", führte Habeck weiter aus. Es gebe die Chance, den Wohlstand und den Reichtum Deutschlands, auch den ökonomischen Reichtum, noch zu heben und sich dennoch von Rohstoffimporten unabhängiger zu machen, sagte der Minister. "Indem wir durch geschlossene Kreisläufe und eine neue Form des Wirtschaftens die CO2-Emissionen senken." Habeck sprach davon, dass aus der Phase der Veränderung auch eine "Phase des industriellen Aufschwungs" werden könne. "Ich sehe die Chance für Wachstum und Klimaschutz, was sich wunderbar ergänzen kann", sagte der Minister. Doch die Zeit dränge, man müsse effizienter und schneller werden in den Planungs- und in den Genehmigungsverfahren. Wenn die Elektrifizierung einer Schiene 40 Jahre dauere und die Planung und der Bau eines Radwegs zehn Jahre, dann könne das nicht ausreichend sein, betonte Habeck.

Digitale Marktwirtschaft

 Die Unionsfraktion im Bundestag hingegen findet nicht ausreichend, wie sich der Minister für die Unternehmen in Deutschland einsetzt: Julia Klöckner (CDU) vermisste in dessen Rede den Fokus auf die Unterstützung für Familienunternehmen und Industriebetriebe: "Sie möchten den Turbo anwerfen - für den Klimaschutz. Und für die Wirtschaft?, fragte Klöckner.

Unternehmer erwarteten von einem Wirtschaftsminister einen Fürsprecher, "einen Anwalt, der ihre Themen nach vorne bringt". Die Union fordere zudem einen "Digitalisierungsbooster" aus Habecks Ministerium. "Ohne eine Weiterentwicklung unserer sozialen Marktwirtschaft zu einer digitalen, nachhaltigen sozialen Marktwirtschaft wird es nicht gehen", sagte Klöckner. Deshalb brauche es "Entfesselung, Freiraum für Innovation".

Fachkräftemangel thematisiert 

Mehr Innovation forderte auch Verena Hubertz (SPD); auch um Deutschland global wettbewerbsfähiger zu machen. "Wenn man sich die deutsche Wirtschaft ansieht, dann sieht man, dass wir das Rüstzeug dazu haben." Die Wirtschaft sei durch den Mittelstand geprägt, 99,5 Prozent aller Unternehmen seien klein oder mittelständisch, führte Hubertz aus. Man müsse also das Bewährte wandeln; aber es müsse auch Neues entstehen; es brauche einen neuen Gründergeist.

"Wir müssen schneller werden und Bürokratie abbauen", forderte Hubertz in ihrer Rede vor den Abgeordneten. Um dem Fachkräftemangel entgegenzutreten, müsse man Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch Weiterbildung qualifizieren, sagte die Sozialdemokratin weiter. "Wir müssen aber auch die Migration erleichtern und durch Zuwanderung den Fachkräftemangel beheben."

Leif-Erik Holm (AfD) sprach sich in seinem Beitrag zur Grundsatzdebatte gegen erneuerbare Energien und die Abschaffung der Atomenergie aus: "Wir brauchen grundlastfähigen Strom in unserem Land. Wir müssen über Kernkraft sprechen." Es sei kontraproduktiv und umweltfeindlich, laufende, moderne Kernkraftwerke vom Netz zu nehmen, die günstig und emissionsfrei Strom erzeugten, so Holm. Steigende Energiekosten, die Folgen der Corona-Pandemie und die Inflation seien eine starke Belastung für die Wirtschaft. Holm forderte Minister Habeck auf: "Sorgen Sie dafür, dass unsere Unternehmen endlich wieder arbeiten dürfen! Es ist Zeit für eine Öffnung."

Inflation in den Griff bekommen

Für die FDP-Fraktion im Bundestag sprach Lukas Köhler über die Inflation: "Der Weg zum 1,5-Grad-Ziel ist ein Weg, den wir nur mit Fortschritt und neuen Technologien beschreiten können; damit ist er auch ein Weg zu Prosperität." Voraussetzung dafür sei jedoch, die Inflation in den Griff zu bekommen.

"Die Inflation wird aber im Moment durch hohe Energiepreise getrieben", sagte Köhler. Die hohen Energiepreise könnten gesenkt werden, indem man massiv in erneuerbare Energien investiere. Allerdings dürfe man in Deutschland zu keiner Zeit den Strom ausgehen lassen. "Das ist etwas, dass wir uns nicht leisten können, nicht nur volkswirtschaftlich, sondern auch in der Akzeptanz der Bevölkerung." Dennoch dürfe man auch beim Thema Versorgungssicherheit das Ziel der Klimaneutralität nicht aus dem Blick verlieren.

Sicherung von Arbeitsplätzen 

Klaus Ernst (Die Linke), forderte eine stärke Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger beim Ausbau der erneuerbaren Energien, zum Beispiel bei Solar- oder Windkraftanlagen: "Wenn diejenigen, die - aus welchen Gründen auch immer - ein Windrad vor ihrer Haustür akzeptieren müssen, an dem beteiligt werden, was das Windrad erbringt, dann steigt auch die Bereitschaft, es zu akzeptieren", so Ernst.

Um eine Entlastung der Menschen bei den Energiepreisen zu erreichen, müsse über eine kurzfristige Absenkung der Mehrwertsteuer für Strom, Heizöl, Erdgas und Sprit nachgedacht werden, sagte der Linken-Abgeordnete. Auch beim industriellen Wandel dürften die Menschen nicht aus dem Blick geraten, so Ernst: "Bei all den technischen Lösungen, die sich anbieten, müssen wir darüber reden, dass die Arbeitsplätze erhalten werden."