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Gastkommentare : Ein Pro und Contra: Ist eine Impfpflicht kontrollierbar?

Ist die Impfpflicht überhaupt kontrollier- und damit durchsetzbar? Ein Pro und Contra von Peter Thelen und Margaret Heckel.

31.01.2022
2024-03-14T11:37:24.3600Z
2 Min

Pro

Routine nutzen

Foto: Tagesspiegel
Peter Thelen
arbeitet als freier Journalist.
Foto: Tagesspiegel

Über Sinn oder Unsinn einer Impfpflicht gegen Corona lässt sich trefflich streiten. In dieser Debatte sollte die angeblich fehlende Kontrollierbarkeit einer einmal eingeführten Pflicht aber keine Rolle spielen, auch wenn wir anders als Österreich (noch) kein Impfregister haben. Wir haben die Meldepflicht. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer hat zu Recht darauf hingewiesen, dass daher jede Kommune in der Lage ist, ihre Bürger um einen Impfnachweis zu bitten und in Kooperation mit der kommunalen Bußgeldstelle Bußbescheide rauszuschicken. Beim Falschparken klappt das ja auch.

Doch es gibt einen "organischeren" Weg, das Kontrollproblem zu lösen. Nutzen ließe sich dafür die Abrechnungsroutine, die für Impfungen außerhalb von Corona etabliert ist. Hier meldet der Arzt im Rahmen der Abrechnung quartalsweise die Impfungen für gesetzlich Versicherte samt Patientennamen an die Kassenärztliche Vereinigung (KV); Privatpatienten erhalten eine Rechnung.

Da die KVen für die Abrechnung wie im Lochkartenzeitalter fünf Monate brauchen, erfahren die Kassen davon allerdings erst, wenn der Impfstatus wie beim Impfstoff von Johnson&Johnson schon wieder erloschen sein kann. Nötig wäre also die lange überfällige Modernisierung des Abrechnungsbetriebs der KVen, mit denen auch Impfzentren abrechnen. Monatliche, selbst tägliche Abrechnungen dürften technisch kein Problem sein. Genauso wenig wie die Weiterleitung der Daten auch von Privatpatienten an das RKI für ein Impfregister. So hätten die Kassen zeitnah alle Daten, um ihre Versicherten sanft an die versäumte Impfung zu erinnern, bevor die Bußgeldstelle aktiv wird. Die datenschutzrechtlichen Hürden hält der Datenschutzbeauftragte Ulrich Kelber für überwindbar.

Contra

Völlig utopisch

Foto: Michael Lüder
Margaret Heckel
arbeitet als freie Journalistin.
Foto: Michael Lüder

Für Diskussionen über die Impfpflicht gibt es ein interessantes Beispiel - die Pflicht zur Masern-Impfung. Sobald Kinder in den Hort oder die Schule kommen, muss ihr diesbezüglicher Impfstatus offen gelegt werden. Ansonsten droht ein Bußgeld von bis zu 2.500 Euro. Obwohl dies bundesweit seit März 2020 gilt, dürften bislang kaum impfunwillige Eltern mit dem Bußgeld belegt worden sein. Zwar scheint der Meldeweg von der Schule zum Gesundheitsamt gut zu funktionieren. Ab dann jedoch ist Informationsnebel: Weder gibt es ein zentrales Register, noch werden die Zahlen gesammelt und veröffentlicht. Medienberichte aus Berlin sprechen von rund 500 Verstößen. Die seien dann von den Ämtern abtelefoniert worden. Kein einziges Mal wurde ein Bußgeld-Bescheid ausgestellt.

Wenn es aber schon bei rund 750.000 Kinder pro Geburts-Jahrgang nicht gelingt, eine Impfpflicht zu kontrollieren, ist das bei 83,24 Millionen Menschen hierzulande vollkommen utopisch. Tatsächlich aber kommt es auf eine lückenlose Kontrolle gar nicht an. Es geht um das Signal: Wir als Gesellschaft in Deutschland setzen uns die Norm, gegen Corona geimpft zu sein. Das ist der entscheidende Schritt - die Normsetzung. Normal ist, geimpft zu sein. Normal ist, rote Ampeln zu beachten. Normal ist, andere Menschen nicht zu bestehlen.

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