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Angelesen : Angelesen

12.01.2009
2023-08-30T11:23:43.7200Z
3 Min

Die Vokabel "führen" gehört wahrlich nicht zu beliebtesten in Deutschland. Vor allem im Bereich der häuslichen und der schulischen Erziehung wird lieber von "Anleitung", "Orientierung" oder "Motivation" gesprochen. Und wie es um die Führungsqualitäten in Wirtschaft und Industrie bestellt ist, die gerne zitiert werden, kann man derzeit getrost hinterfragen. Doch bevor man sich in eine Debatte über Begrifflichkeiten stürzt, kann auch schon Entwarnung gegeben werden. Die "Neun Gebote der Bildung", die der ehemalige Internatsleiter Bernhard Bueb unter dem Titel "Von der Pflicht zu führen" seinem "Lob der Disziplin" folgen lässt, lesen sich in weiten Passagen recht harmlos.

So harmlos sich Buebs Ausführungen lesen, so wenig neu erscheinen sie. In der wahren Bücherflut, die die Bildungsmisere hervorgebracht hat, ist es eben nicht leicht, mit neuen Erkenntnissen zu punkten. Von frustrierten Lehrern, Schülern, Eltern und Kindern war schon viel zu lesen. Insofern hat Bueb Recht, wenn er Eltern und Lehrer auffordert, nicht auf die Vorgaben der Politik zu warten, sondern selbst zu führen.

Bernhard Bueb:

Von der Pflicht zu führen. Neun Gebote der Bildung.

Ullstein Verlag, Berlin 2008; 171 S., 18 €

Es geht eben auch anders: Abseits von Geschichten über die Bildungsmisere an der Rütli-Schule in Berlin und U-Bahn-Schläger in München zeigt Ruth-Esther Geiger mit ihren Porträts von 15 jugendlichen Migranten, dass deren Integration und Erfolg in der deutschen Gesellschaft nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt ist.

Sie heißen Zarine, Abdel, Dorna, Ümmühan, Leila oder Mojtaba, kommen aus Armenien, Togo, dem Iran, der Türkei oder Afghanistan. Ihnen allen gemeinsam ist, dass sie Stipendiaten des Start-Programms der Hertie-Stiftung sind. Start unterstützt Migrantenkinder ab der 7. Klasse, die gute bis sehr gute schulische Leistungen vorweisen können und darüber hinaus sozial und gesellschaftlich engagiert sind. Doch hier liegt zugleich das Problem des Buches. Zu gerne würde man auch von jenen Migrantenkindern lesen, die auch ohne solche lobenswerten Programme ihre persönliche Erfolgsgeschichte in Deutschland geschrieben haben.

Trotzdem vermitteln die reportagehaft angelegten Porträts einen guten Einblick in die Lebenswelt von Migrantenkindern und den Problemen, mit denen sie konfrontiert werden - und wie diese auch überwunden werden können.

Ruth-Esther Geiger:

Ihr seid Deutschland, wir auch. Junge Migranten erzählen.

Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 2008; 264 S., 8,50 €

Noch Jahrzehnte später können Menschen von ihren traumatischen Kindheitserlebnissen im Krieg geplagt werden. Nächtelang litten sie in Bunkern unter den Detonationen während Bombenangriffen, froren und hungerten auf Flüchtlingstrecks, bekamen Bilder zu sehen, die nicht für Kinderaugen bestimmt sind: von Vergewaltigungen, Erschießungen und Plünderungen.

Die Journalistin Anne-Ev Ustorf beschreibt in ihrem sehr einfühlsamen Buch "Wir Kinder der Kriegskinder" am Beispiel des Zweiten Weltkriegs, wie sich solche traumatischen Erinnerungen selbst noch auf die nächste Generation auswirken können. Etwa wenn Kinder von Vertriebenen selbst ein Gefühl der Wurzellosigkeit verspüren. Ihr Buch resultiert aus Gesprächen, die sie mit zwischen 1955 und 1975 geborenen Menschen geführt hat, deren Eltern unter ihren Kriegserfahrungen bis heute leiden. Ustorfs Buch, sie ist 1974 geboren, ist auch von eigenen Erfahrungen geprägt. So erzählt sie von der "emotionalen Unerreichbarkeit" ihrer Eltern, die zwar erst kurz nach dem Krieg geboren wurden, aber kurz vor dem Mauerfall eine traumatische Flucht von Ost- nach Westdeutland erlebten mit monatelangen Aufenthalten in Flüchtlingslagern.

Anne-Ev Ustorf:

Wir Kinder der Kriegskinder. Die Generationen im Schatten des Zweiten Weltkriegs.

Herder Verlag, Freiburg 2008; 189 S., 19,95 €