Gefahr des Absturzes
TOURISMUS Kurz vor der Tourismusmesse betont der Bundestag den Wert des Reiselandes Deutschland
Die Tourismusbranche gilt als weltweite Wachstumslokomotive. Doch statt Wachstum droht nun wie in anderen Branchen der Absturz. "Nach der dynamischen Aufwärtsentwicklung der vergangenen Jahre müssen wir 2009 mit einer Wachstumspause rechnen", beschrieb die Chefin der Deutschen Zentrale für Tourismus, Petra Hedorfer, vorsichtig die Lage. Die Zahl der Übernachtungen in Deutschland (369,6 Millionen in 2008) könnte um zwei Prozent zurückgehen. Die deutschen Fluggesellschaften fürchten, dass fünf Prozent weniger Passagiere an Bord gehen, und wollen Verbindungen streichen.
Vor diesem Hintergrund beginnt in dieser Woche die Internationale Tourismus-Börse (ITB) in Berlin, der größte Branchentreff mit 11.000 Ausstellern aus 180 Ländern.
Leitlinien
Der Bundestag befasste sich am 5. März und damit wenige Tage vor dem Start der ITB auch mit der Tourismuswirtschaft. Anlass der Debatte waren die Leitlinien der Bundesregierung (16/11594) für den Tourismus. Die Rahmenbedingungen der Tourismuswirtschaft sollen verbessert werden, damit Deutschland im härter werdenden Kampf der Reiseziele erfolgreich bestehen kann. So sollen die Unternehmen beispielsweise von überflüssiger Bürokratie entlastet werden. Ziel der Bundesregierung sei ein Tourismus, der in sozialer, kultureller, ökologischer und ethischer Hinsicht verträglich sowie wirtschaftlich erfolgreich ist, heißt es in den Leitlinien. Darin wird auch gefordert, dass Deutschland für eine hervorragende Qualität der touristischen Leistungen stehen solle. Mahnend heißt es: "Bei Gastfreundschaft, Serviceorientierung, Familienfreundlichkeit oder Flexibilität im Umgang mit den Gästen hat Deutschland hinzugewonnen." Aber es gebe immer noch Verbesserungsbedarf.
Der CSU-Abgeordnete Ernst Hinsken betonte bei der Beratung im Bundestag stolz: "Erstmals legt die Bundesregierung Leitlinien für die Tourismuspolitik vor". Hinsken, der auch Beauftragter der Bundesregierung für Tourismus ist, fasste zusammen, was den Abgeordneten bsonders wichtig ist: neben dem Klimawandel und der Erderwärmung auch der demografische Wandel. "Wir dürfen nicht übersehen, dass die Altersgruppe der 49- bis 74-Jährigen 29 Prozent der Bundesbevölkerung ausmacht, aber im Tourismussektor sind es 48 Prozent. Hier müssen Programme aufgelegt werden, damit diese Leute mehr die Möglichkeit haben, Tourismus in der Bundesrepublik Deutschland zu machen." Er mahnte eindringlich: "Werben tut Not! Wer nicht wirbt, ist tot." Ernst Burgbacher (FDP) kritisierte dagegen die Leitlinien als "völlig unkonkret". Darin sei "vieles auch nicht ausgereift". Er monierte außerdem, dass aus den Leitlinien keine Handlungsanweisungen abzulesen seien.
Urlaub für alle
Die tourismuspolitische Sprecherin der SPD, Annette Faße, hob die Bedeutung der Forderung nach "Urlaub für alle" hervor. "Tourismus ist mehr als ein Wirtschaftsfaktor, touristische Angebote sind die Visitenkarte für Deutschland", so ihr Credo. Die SPD-Politikerin forderte unter anderem größere Anstrengungen auf dem Gebiet der Barrierefreiheit und bezog sich auf einen Antrag der Fraktionen von Union und SPD, in dem unter anderem gefordert wird, den barrierefreien Tourismus zu einem Markenzeichen des Deutschlandtourismus zu machen (16/12101). Solche Angebote würden nicht nur Behinderten zu Gute kommen. Auch ältere Menschen und Familien mit Kindern würden profitieren. Der Antrag wurde an die Ausschüsse überwiesen.
Für die Linksfrasktion forderte Ilja Seifert, die Tourismuspolitik müsse "in erster Linie die Bedürfnisse der Menschen nach Erholung, Bildung und Gesundheit befriedigen". Seifert betonte außerdem, dass nach Ansicht seiner Fraktion auch Hartz IV-Empfänger und deren Kinder die Möglichkeit zum Urlauben bekommen müssten.
Bettina Herlitzius von Bündnis 90/Die Grünen nannte die Leitlinien "nichts anderes als Prosa" und betonte, dass die Tourismusbranche mit drei Millionen Arbeitsplätzen der drittstärkste Bereich nach dem Handwerk und dem Gesundheitswesen in Deutschland sei. Sie mahnte Hilfen zur Qualitätssteigerung an.
In einem Antrag (16/9346) wies die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen darauf hin, dass der Massentourismus zu problematischen Entwicklungen für Natur und Umwelt führe. Reiseveranstalter sollen daher verpflichtet werden, die Höhe der transferbedingten CO2-Emissionen und aller anderen klimawirksamen Emissionen der im Rahmen einer Pauschalreise gebuchten Verkehrsmittel für jede Reise in Reisekatalogen, Reisebroschüren und sonstigen Printmedien sowie im Internet gut sichtbar auszuweisen.
Bei der Abstimmung votierten nur die Grünen für den Antrag, CDU/CSU, SPD und FDP waren dagegen. Die Linksfraktion enthielt sich.