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Rotzjungen im Sauladen

Bundestag Das etwas andere parlamentarische Wörterbuch

06.04.2009
2023-08-30T11:23:52.7200Z
2 Min

Ich möchte hier leidenschaftlich für das Recht der Abgeordneten eintreten, Unnsinn zu reden. Es ist eines der Grundrechte des Parlaments." So plädierte am 25. Oktober 1967 der Abgeordnete Hans Dichgans vor dem Deutschen Bundestag. Günter Pursch hat allen Grund, wenn er dieses Zitat den Lesern seines "Parlamentarischen Schimpfbuchs" als Entree präsentiert. Denn verbalen Unsinn hat er wahrlich anzubieten. Aber nicht nur. Aus den stenografischen Protokollen der Bundestagsdebatten filtert er nun bereits seit Mitte der 70er Jahre die schönsten, deftigsten und geistreichsten Stilblüten des parlamentarischen Betriebs. Pünktlich zum 60. Geburtstag des Deutschen Bundestags hat Pursch nun eine neue Ausgabe der ungewöhnlichen Zitatensammlung vorgelegt. Rund 240.000 Seiten der stenografischen Protokolle hat er dafür durchforstet.

Kraftsausdrücke

Nein, sanft gehen die Abgeordneten nicht miteinander um, wenn sie im Eifer des verbalen Gefechts aneinander geraten. Vom inzwischen legendären "Arschloch" über "Brüllaffe", "Cheflügner", "Drecksack", "Ehrabschneider", "Falschmünzer" bis hin zum "Rotzjungen" und "Zuhälter" ist alles vertreten. Das Alphabet hat viele Buchstaben und noch viel mehr Beschimpfungen finden sich in diesem Wörterbuch der eigentlich unparlamentarischen Kraftausdrücke. Doch weil ein einfaches alphabetisches Abspulen all dieser verbalen Entgleisungen auf rund 300 Seiten dann doch etwas ermüdend wäre, hat sie Günter Pursch in unterschiedlichen Kategorien angeordnet und diese Kapitel mit Geschichten aus dem prallen parlamentarischen Leben eingeleitet. Etwa jener des ehemaligen Bundestagspräsidenten Philipp Jenninger, der das "Hohe Haus" während einer turbulenten Stimmauszählung lapidar als "Sauhaufen" titulierte. Jenninger hatte geglaubt, dass die Mikrofonanlage wie üblich bei einer Sitzungsunterbrechung abgeschaltet sei. Von solchen Geschichten weiß der Autor einige zu erzählen, verfolgt er den Politbetrieb doch seit über 30 Jahren aus nächster Nähe: seit 1972 als Referent in der CDU/CSU-Fraktion und von 1987 bis 2008 als Redakteur des "Parlaments".

Eines ist nach der Lektüre des "Parlamentarischen Schimpfbuchs" klar: Im höchsten deutschen Verfassungsorgan sitzen auch nur Menschen - mit all ihren Schwächen. Und deshalb darf man sich dem Wunsch von Günter Pursch anschließen, dass dort "weiter geschimpft, gespottet, gestichelt und gelacht wird".

Günter Pursch:

Das Parlamentarische Schimpfbuch.

Herbig Verlag, München 2009; 303 S., 19,95 €