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Gier und Exzesse

FINANZEN An den Börsen wird wieder gezockt wie eh und je. Mit der von der Opposition geforderten Steuer lasse sich das Problem nicht lösen, meinen…

01.02.2010
2023-08-30T11:25:46.7200Z
4 Min

Billionen von Euro und Dollar sind durch die Krise verloren, Volkswirtschaften stehen am Rande des Abgrunds. In den Börsensälen der Welt geht es jedoch wieder zu wie im Spielcasino. Es wird auf Rohstoffpreise und Aktienkurse gewettet, was das Zeug hält. "Die Verantwortungslosigkeit und Gier, die Risikobereitschaft und manchmal sogar Dummheit von Bankern, Finanzmanagern und auch von Verwaltungsräten öffentlicher Landesbanken sprengt das bisher Vorstellbare", empörte sich der SPD-Finanzexperte Joachim Poß am 29. Januar im Bundestag und forderte: "Wir müssen diese Leute aus ihrer Parallelwelt holen."

Neue Steuer

Das kann nach Ansicht der SPD am besten durch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer geschehen. In einem Antrag (17/527) der Fraktion, der vom Bundestag an die Ausschüsse überwiesen wurde, wird die Einführung einer nationalen Transaktionssteuer verlangt, sollte es auf internationaler oder europäischer Ebene zu keiner Einigung kommen. Die SPD-Fraktion warnt vor einem Vertrauensverlust in die Politik, "wenn sie es nicht schafft, auch die Verursacher der Krise mit in die Haftung zu nehmen". 2006 sei auf den internationalen Finanzmärkten das 70-fache des weltweiten nominellen Bruttoinlandsprodukts umgesetzt worden. Damit habe sich der Wert im Vergleich mit dem Jahr 1990 mehr als vervierfacht. "Beinahe das gesamte Wachstum des Transaktionsvolumens geht auf die Expansion des Derivatehandels zurück, bei dem Wetten auf Preise der Zukunft abgeschlossen werden", schreibt die Fraktion.

In einem weiteren, ebenfalls an die Ausschüsse überwiesenen Antrag (17/526) fordert die SPD-Fraktion eine Begrenzung der steuerlichen Abzugsfähigkeit überhöhter Bonuszahlungen. "Durch eine Begrenzung der steuerlichen Absetzbarkeit von Gehältern und Abfindungen auf maximal 50 Prozent der Beträge, die eine Million Euro übersteigen, kann überzogenen Vergütungen entgegengewirkt werden", schreiben die Abgeordneten.

Schnellschüsse

Den Regierungsfraktionen gefiel der Vorstoß der SPD, dem sich Bündnis 90/Die Grünen und die Linksfraktion (mit einem eigenen Antrag - 17/518) anschlossen, überhaupt nicht. Leo Dautzenberg (CDU) stimmte zwar der Aussage zu, dass sich die Krise nicht wiederholen dürfe, "aber alle Anträge , die hier von den Oppositionsfraktionen gestellt worden sind, greifen zu kurz, indem sie nur über Abgabesysteme und Belastungen reden". Man müsse zwar die Banken an den Kosten beteiligen, "aber Schnellschüsse helfen uns hier nicht weiter". Der CSU-Finanzexperte Hans Michelbach forderte: "Die Exzesse dürfen sich nicht wiederholen." Aber wie Dautzenberg wandte sich Michelbach "gegen nationale Alleingänge, Placebos und Schnellschüsse".

Frank Schäffler (FDP) klagte, über das Problem des Geldschöpfens werde viel zu wenig gesprochen. "Die Ursache der Krise ist das verstärkte Gelddrucken der Notenbanken - vorneweg der amerikanischen FED." Zwischen 1998 und 2009 sei das reale Bruttoinlandsprodukt in Amerika um rund 20 Prozent gestiegen. Die Geldmenge sei im gleichen Zeitraum um 200 Prozent gestiegen und das ausgegebene Kreditvolumen um 250 Prozent. "Im Euroraum sind die Zahlen identisch", sagte Scheffler. Man habe es mit einer Überschuldungskrise der Banken zu tun. "Das Kernproblem besteht darin, dass im heutigen Geldsystem Kredite geschaffen werden, die nicht durch Ersparnisse gedeckt sind." Damit habe sich die Finanzwirtschaft von der Realwirtschaft abkoppeln können. Diese "Politik des billigen Geldes" müsse beendet werden, forderte Schäffler, lehnte jedoch eine Finanztransaktionssteuer strikt ab.

Da aber Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) anders als die Finanzpolitiker der Union Sympathien für die eine solche Steuer hatte erkennen lassen, erinnerte Schäffler an die Koalitionsvereinbarung, nach der Steuererhöhungen zur Krisenbewältigung nicht in Frage kommen.

Gerhard Schick (Grüne) reagierte mit Spott auf die Hinweise des FDP-Mannes auf Geld druckende Notenbanken. Eigentlich müssten die Börsen verrückt spielen, da die Liberalen den Euro zur Disposition gestellt hätten. Aber das lasse die Börsen kalt, weil die FDP "irrelevant"sei. Schick kritisierte das "Rumgeeiere" der Koalition. Die genaue Position der Regierung zur Transaktionssteuer, deren Einführung die Grünen schon in der vergangenen Legislaturperiode gefordert hätten, kenne man nach wie vor nicht. Die Regierung lasse sich von der Krise treiben und habe keine Pläne vorgelegt.

Axel Troost (Linksfraktion) wies Vorwürfe, eine Transaktionssteuer treffe auch Kleinanleger, zurück. Bei einem Steuersatz von 0,01 bis höchstens 0,1 Prozent werde ein Depot mit Wertpapieren von 10.000 Euro einmalig mit einem bis zehn Euro belastet. Die Depotgebühren der Banken seien viel höher. Troost appellierte an die anderen Fraktionen, die Gunst der Stunde zu nutzen und die Steuer einzuführen. In ihrem an die Ausschüsse überwiesenen Antrag schreibt die Linksfraktion, durch eine Finanztransaktionssteuer würden viele Geschäfte unprofitabel und daher gar nicht mehr stattfinden. Es werde danach geringere Schwankungen bei Rohstoffpreisen und Kursen geben. Zugleich würden solche Akteure belastet, "die mit kurzfristigen, zumeist spekulativen und höchst gefährlichen Geschäften im globalen Finanzkasino den schnellen Euro verdienen wollen". Troost wies auf einen weiteren Punkt hin: Auch wegen der "traurigen Staatsfinanzen" könne man die Steuer gebrauchen.