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»Korrekt gehandelt«

KUNDUS-AUSSCHUSS Ex-Verteidigungsminister Jung weist Vorwürfe der Vertuschung zurück

29.03.2010
2023-08-30T11:25:52.7200Z
3 Min

Warum bloß ist Franz Josef Jung zurückgetreten? Recht rätselhaft bleibt diese Frage nach dessen Auftritt am 25. März im Kundus-Untersuchungsausschuss. Der CDU-Politiker hatte Ende November als Arbeitsminister seinen Hut genommen, um die "politische Verantwortung" für die zu seiner Zeit als Verteidigungsminister praktizierte Informationspolitik zum verheerenden Luftschlag vom 4. September im Norden Afghanistans zu übernehmen.

Jung insistierte mit Nachdruck, beim Umgang mit Nachrichten über zivile Opfer alles richtig gemacht zu haben. Und er beharrte darauf, dass Oberst Georg Kleins Befehl zum Bombardement zweier von Taliban entführter Tanklaster "nachvollziehbar" sei. Er habe sich "damals vor Klein gestellt, und dabei bleibe ich".

Am 22. April wird sich Nachfolger Karl-Theodor zu Guttenberg bei seiner Vernehmung mit diesem Diktum seines Vorgängers herumschlagen müssen: Der CSU-Politiker hat seine anfängliche Einschätzung, der Luftangriff sei "militärisch angemessen" gewesen, später revidiert. Ohnehin ist Jungs Befragung für die Abgeordneten vor allem interessant zum Sammeln von Munition für Guttenbergs Auftritt - zum Angriff oder zur Verteidigung, je nach politischer Couleur. Ex-Minister Jung wies Vorwürfe, er habe frühzeitige Hinweise auf zivile Tote und Verletzte durch die von zwei US-Piloten abgeworfenen Bomben vertuschen wollen, als "ehrabschneidende" Unterstellungen zurück: Er habe Bundestag und Öffentlichkeit stets "korrekt und wahrheitsgemäß" nach seinem jeweiligen Kenntnisstand unterrichtet. Minutiös listete er seine Informationsquellen und Kontakte seit dem frühen Morgen nach dem Luftschlag auf. Zunächst habe ihm nur die Meldung vorgelegen, unter 56 Toten und mehreren Verletzten befänden sich keine Zivilisten. Dies habe ihm auch Klein telefonisch bestätigt. Vom 6. September an habe er dann aber aufgrund eines Artikels in der "Washington Post" und nach einem Telephonat mit Isaf-Kommandeur Stanley McChrystal zivile Opfer nicht mehr ausgeschlossen.

Allerdings betonen Ausschussmitglieder auch unter Verweis auf geheime Vernehmungen von Militärs immer wieder, dass schon zügig nach dem Angriff Meldungen über zivile Opfer im Ministerium angekommen seien. Und pünktlich zur Anhörung Jungs wird publik, dass bereits am frühen Morgen nach dem Bombardement im Kanzleramt eine brisante Mail des BND über diesen Luftschlag kursierte: Das "Verheerende" sei, hieß es darin, dass zwischen 50 und 100 Zivilisten ums Leben gekommen sein könnten. Laut einem Regierungssprecher hat es sich bei dieser Mail um eine "unverbindliche Erstinfo des BND" gehandelt. Offen bleibt die Frage, wie die Informationsstränge zum und im Bendler-Block verliefen.

Jung sprach im Ausschuss auch den ominösen Feldjäger-Bericht an, dessen Veröffentlichung Ende November zu seinem Rücktritt geführt hatte. Über diese Expertise, die "nicht vorteilhaft" gewesen sei für die Soldaten, sei er vom damaligen Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan Anfang Oktober unterrichtet worden. Man habe beschlossen, diese Analyse an die Nato weiterzuleiten. Die Nato habe die Feldjäger- Studie, wie Jung unterstreicht, als "bedeutungslos" eingestuft.

Nun hat Guttenberg die Revision seiner anfänglich positiven Einschätzung des Luftschlags damit begründet, ihm seien Analysen wie etwa der Feldjäger-Bericht im Ministerium zunächst vorenthalten worden, insofern beruhe seine geänderte Beurteilung auf neuen Erkenntnissen. Im Blick auf die Vernehmung des CSU-Politikers zu diesem Thema baut Jungs Befragung durchaus eine gewisse Spannung auf. Einerseits entlastet er Guttenberg durch die Anmerkung, er habe bei der Amtsübergabe den Feldjäger-Bericht nicht erwähnt. Andererseits sagt Jung, er habe bei diesem Gespräch unter anderem unter Hinweis auf Pressemeldungen über die mögliche Existenz ziviler Opfer aufmerksam gemacht. Vor allem aber war laut Jung die Feldjäger-Expertise für die Aufklärung der Kundus-Affäre wertlos.

Omid Nouripour griff diesen Ball auf: Wie könne Guttenberg sein Urteil wegen eines Berichts ohne "relevante Informationen" revidieren, fragte der Grünen-Obmann. Guttenberg werde den Abgeordneten erläutern müssen, wieso er das Bombardement inzwischen als "militärisch nicht angemessen" qualifiziere, obwohl sein Vorgänger es weiterhin als "nachvollziehbar" einstuft.

Koalition geht auf Distanz

Dass die Opposition Jung kritisiert, überrascht nicht. Aber auch die Koalition lässt eine gewisse Distanz erkennen. Unions-Obmann Ernst-Reinhard Beck wundert sich, wieso trotz der im Ministerium vorliegenden Informationen "noch tagelang eine Presselinie" gefahren wurde, welche die Existenz ziviler Opfer "zumindest nicht in den Vordergrund gerückt hat". FDP-Obmann Joachim Spatz meint, wegen der anfänglich nicht funktionierenden Informationsweitergabe sei der "unglückliche Eindruck" entstanden, man habe etwas vertuschen wollen. Auch Jan van Aken (Linke) hegt angesichts der im Ministerium vorhandenen Informationen den Verdacht, wegen des Bundestagswahlkampfs seien Versuche zur Vertuschung in Gang gewesen. SPD-Obmann Rainer Arnold kommentierte Jungs Auftritt mit der Bemerkung, der CDU-Politiker habe "nichts dazu gelernt". Deshalb sei es gut, "dass er nicht mehr Minister ist".