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Autospediteure fahren Bahn

NEUWAGENTRANSPORT Deutsche Logistiker setzen zum Sprung auf internationale Märkte an

12.04.2010
2023-08-30T11:25:53.7200Z
4 Min

In den Jahren vor der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise war die Automobilindustrie ein guter Auftraggeber für Transportunternehmen. Viele innovative und zukunftsweisende Logistikkonzepte beruhten auf den Grundlagen dieser Branche. Weil aber kaum eine Branche so international beschafft und produziert, wodurch hochspezialisierte Logistikdienstleister entstanden sind, wurde die Automobillogistik besonders hart von der sinkenden Nachfrage getroffen. Autospediteure verfügen über hochgradig spezialisiertes Equipment und können daher ihre Flotte kaum anderweitig einsetzen. Sie können nicht wie Universal- oder Stückgutspediteure auf andere Marktsegmente ausweichen. Auch eine Ausweitung des Kundenkreises ist nur eingeschränkt möglich, denn kein Hersteller ist von der Krise ausgenommen.

Hilfe durch Abwrackprämie

In Deutschland wurde dieser Trend bis zum dritten Quartal 2009 durch die von der großen Koalition eingeführte und vieldiskutierte "Abwrackprämie" abgefedert, so dass die Anzahl der Neuzulassungen von Pkw stabil blieb. Diese Sonderkonjunktur war auch für Automobillogistiker deutlich spürbar. Sie konnten in dieser Zeit wieder eine gute Auftragslage verzeichnen.

Vorübergehende Entspannung

Die staatliche Umweltprämie verschaffte aber nur eine vorübergehende Entspannung der Situation. Eine durchgreifende Erholung der Märkte konnte sie nicht erzielen. Deshalb musste jedes Unternehmen seine eigene Strategie im Umgang mit der neuen Marktsituation finden. Jörg Mosolf, Sprecher der Geschäftsführung des Branchenführers "Horst Mosolf GmbH & Co. KG", bleibt optimistisch: "Dies ist nicht die erste Krise, der unser Unternehmen in seiner 55-jährigen Geschichte trotzen musste." 2,5 Millionen während der Krise durch sein Unternehmen bewegte Fahrzeuge stimmen ihn aber optimistisch.

Mosolf ist nicht nur deutscher Branchenführer, sondern auch eines der führenden Logistikunternehmen Europas. Rund 2.000 Spezialisten sind in 32 Technik- und Logistikzentren in Europa sowie Brasilien, China, Russland und Indien für die Firma tätig. Das Unternehmen, das seinen Hauptsitz in Kirchheim/Teck hat, transportierte in den 55 Jahren seines Bestehens mehr als 40 Millionen Fahrzeuge. Da zur Logistik längst nicht mehr allein der Transport gehört, umfasst das Leistungsangebot der Automobillogistiker Gesamtlösungen für Vermietfahrzeuge, Firmenflotten und Leasingsfahrzeuge. Außerdem werden Technik-, Prüfungs-, Montage- und Ausstattungsdienstleistungen für Fahrzeughersteller angeboten. Die Grenzen zwischen Herstellung und Logistik beginnen zu verschwimmen.

Die Mehrzahl der früher allein auf den nationalen Transport mit Lkw ausgerichteten Unternehmen hat sich inzwischen international aufgestellt. Genutzt werden alle Verkehrsträger. Mosolf zum Beispiel hat neben der Lkw-Flotte auch rund 350 Eisenbahnwaggons. Außerdem geht der Trend zu immer komplexeren Logistikleistungen. Da sich über die Transportpreise kaum noch Effizienzpotenziale erschließen, vergeben immer mehr Autohersteller ganze Teile der Lieferkette in die Hände eines Dienstleisters.

Alles in einer Hand

Mosolf ging inzwischen über die Grenzen Europas hinaus und ist unter anderem auf Wachstumsmärkten Russland und Brasilien aktiv. Neu hinzugekommen ist der indische Markt, auf dem der deutsche Branchenführer gemeinsam mit dem indischen Unternehmen "Transport Solutions India Pvt. Ltd." für Volkswagen die "Releasing Agent-Funktion" (Abfertigungsspediteur) übernimmt - eine Aufgabe, die weit über den klassischen Transport hinausgeht. So managt und wartet der Spediteur sämtliche Fahrzeuge innerhalb des neuen Volkswagen-Werkes. Das deutsch-indische Joint Venture ist damit für die gesamte Bewegung der Fahrzeuge von der Übernahme über die technischen Dienstleistungen bis hin zur Übergabe an die Spediteure verantwortlich. "Indien ist für uns ein sehr interessanter Markt mit vielen Potenzialen. Ich rechne hier mit weiteren Zuwächsen", erklärt der Geshäftsführer.

Andere Unternehmen gehen ähnliche Wege wie der Branchenprimus. Die "Autotransport Logistik GmbH" (ATG) erhielt von der Stutggarter Autoschmiede Porsche den Preis "Porsche Supplier Award 2010" für Zulieferer. Die ATG hat ein Transportkonzept für den Sportwagenhersteller entwickelt, das alle Verkehrsträger benutzt. Die Bahntransporte werden dabei von DB Schenker Rail übernommen. Schenker fährt beispielsweise Karosserien aus dem slowakischen Preßburg und Bauteile aus dem VW-Werk Hannover zum Porsche-Werk in Leipzig. Über die Hälfte der fertig montierten Wagen, die nach Übersee gehen, werden mit der Bahn transportiert. Allerdings bekommt die Bahn, die mit Firmen wie ATG und Schenker stark in der Automobillogistik präsent ist, die Krise besonders heftig zu spüren. Wie die Bundesnetzagentur mitteilte, verlor die Bahn 2009 vier Prozentpunkte ihres Marktanteils im Schienengüterverkehr und kommt jetzt auf 75 Prozent.

Wie schlimm der Einbruch auf den Automobilmärkten war, zeigt ein Blick auf Bremerhaven. Dort standen zum Höhepunkt der Krise über 100.000 Fahrzeuge zum Export nach Übersee bereit, obwohl die Kapazität nur bei 80.000 Fahrzeugen liegt. Die Auswirkungen bekamen auch die Spediteure zu spüren. Bis zu 30 Prozent der Tranportkapazität der Autospediteure dürfte auf dem Höhepunkt der Krise eingemottet gewesen sein.

30 Prozent mehr Insolvenzen

Nach einem Bericht der Bielefelder "Neuen Westfälischen" mussten von den 520.000 in Deutschland zugelassenen Lkw und Sattelzugmaschinen im vergangenen Jahr rund 80.000 stillgelegt werden. Dies meldet das Blatt unter Berufung auf Zahlen des nordrhein-westfälischen Verbandes Spedition und Logistik. "Die Insolvenzen sind 2009 in der Speditionsbranche um 30 Prozent gestiegen", erklärte Verbandsgeschäftsführer Volker Ackermeier, der außerdem von einem Umsatzeinbruch in Höhe von 20 Prozent sprach.

Die Sprecherin des Deutschen Speditions- und Logistik-Verbandes, Barbara Rau, bestätigte den Umsatzeinbruch: "2009 mussten viele Kapazitäten stillgelegt werden." Die höchsten Rückgänge hätten Speditionen gehabt, die für die Auto-, Chemie- oder Maschinenbaubranche unterwegs seien.

Branchenführer Mosolf verzichtete weitestgehend auf Entlassungen. Auch andere Unternehmen versuchten, ihr bewährtes Personal zu halten, indem der Weg in die Kurzarbeit gegangen und die Zeit für Weiterbildungsmaßnahmen oder den Abbau von Überstunden und Urlaubstagen der Mitarbeiter genutzt wurde.

Aufmerksam beobachtet die Bundesregierung die Lage der Speditionen: "Wie schaffen wir es, dass jeder Spediteur sein Auskommen hat?", sorgt sich der Logistikbeauftragte der Bundesregierung, der Parlamentarische Staatssekretär Andreas Scheuer (CSU).

Die Märkte fangen sich wieder

Seit Jahresginn haben sich die meisten internationalen Automärkte wieder positiv entwickelt. Der Verband der Automobilindustrie meldete im Januar bereits eine Steigerung der Neuzulassungen in Westeuropa von 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dieses Wachstum wurde nur von zwei Ländern übertroffen: Indien und China verzeichneten im Januar 37 beziehungsweise 121 Prozent Zuwachs und bleiben damit weiterhin interessante Märkte für die Automobillogistik.