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»Kein Land baut so teuer«

KLAUS-PETER MÜLLER Der Vorsitzende des Präsidiums des Deutschen Verkehrsforums fordert von der Politik, Verkehrswege schneller und günstiger zu bauen. Beim…

12.04.2010
2023-08-30T11:25:53.7200Z
4 Min

Herr Müller, Sie sind von Hause aus Bankier. Welche Berührungspunkte haben Sie mit dem Thema Logistik?

Nicht zuletzt habe ich über meine Arbeit als Präsidiumsvorsitzender im Deutschen Verkehrsforum mit der Logistik- und Güterverkehrsbranche zu tun. Außerdem sehe ich schon einige Parallelen: Die Bankwirtschaft ist für den Geldfluss zuständig, die Logistik für den Waren- und Materialfluss. Und natürlich finanziert die Kreditwirtschaft auch die Logistikindustrie. Zudem ist das Bankwesen durch hohe Komplexität geprägt, die Logistikwirtschaft auch. Jeder hat Berührungspunkte mit der Logistik. 2008 wurden pro Bundesbürger rund 51 Tonnen Güter in Deutschland produziert und die müssen transportiert werden.

Welche Bedeutung hat die Logistikwirtschaft denn konkret für Deutschland?

Logistik ist für Deutschland und damit für uns alle von erheblicher Bedeutung. Mit 2,7 Millionen Arbeitsplätzen, das sind etwa sieben Prozent aller Beschäftigten, belegt die Logistik- und Güterverkehrsbranche den dritten Platz als Wirtschaftszweig. Der Logistikumsatz betrug 2008 rund 218 Milliarden Euro und 8,4 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt. Also auch gemessen am Umsatzvolumen rangiert die Logistikwirtschaft in Deutschland an dritter Stelle hinter der Automobilwirtschaft und dem Maschinenbau. Europaweit ist Deutschland mit einem Anteil von 23 Prozent der mit Abstand bedeutendste europäische Logistikmarkt. Und weltweit haben wir es im Logistikranking der Weltbank auf Platz 1 geschafft. Diese Zahlen verdeutlichen eindrucksvoll, welches Potenzial in der Logistik- und Güterverkehrsbranche steckt und warum sie so wichtig ist.

Welche Spuren hat die Wirtschaftskrise auf dem Logistikmarkt hinterlassen?

Die Entwicklung des Logistikmarktes hängt direkt mit der Verkehrsleistung und der Binnennachfrage zusammen. Laut Statistischem Bundesamt ist das Transportaufkommen im Jahr 2009 insgesamt auf 4 Milliarden Tonnen gesunken und damit um 11,2 Prozent gegenüber 2008 zurück gegangen. Den Güterverkehr auf der Schiene hat es hart getroffen, dessen tonnenkilometrische Leistung brach um 15,5 Prozent ein. Auch die Binnenschifffahrt musste einen tiefen Fall der Beförderungsmenge um 18,1 Prozent verkraften.

Allerdings fördern Globalisierung und Arbeitsteilung das Wachstum des Transportsektors. Die Mittelfristprognose im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums sieht für die deutsche Wirtschaft ein BIP-Wachstum von 1,4 Prozent für 2010 vor. Sowohl für die Straßengüterverkehrsleistung als auch im Eisenbahngüterverkehr soll es eine Zunahme von fünf Prozent geben. Das langfristig anhaltende Wachstum wirft ein ganz gravierendes Problem auf: unsere Verkehrswege. Auf Straßen, Schienen und Wasserwegen soll bis 2050 mehr als doppelt soviel transportiert werden wie heute - eine unglaubliche Vorstellung, wenn man sich die alltäglichen Staus vor Augen hält.

Aber für Verkehrswege fehlt das Geld, und ab 2011 wird die Schuldenbremse wirksam…

Wir können es uns nicht leisten, Kürzungen der Investitionen in Verkehrswege zu akzeptieren. Der Koalitionsvertrag hat im Verkehrskapitel dazu grundlegende Aussagen getroffen, denen wir voll zustimmen. Das Problembewusstsein für Erhalt, Neu- und Ausbau unserer Verkehrswege - dem Rückgrat unserer Wirtschaft - ist gegeben. Wir müssen dem Substanzverzehr unserer Infrastruktur entgegenwirken, sonst wird es am Ende noch teurer. Außerdem gibt es eine Menge Ansatzpunkte, wonach die Bundesregierung Verkehrswege viel schneller und günstiger bauen könnte. Das Deutsche Verkehrsforum hat der Politik ein "Zukunftsprogramm Verkehrsinfrastruktur" an die Hand gegeben. Darin steht in neun Punkten zusammengefasst, wie mit sinnvollen Investitionen, aber auch mit einfachen Mitteln und strukturellen Veränderungen eine Menge erreicht werden kann. Die Politik ist jetzt am Zug, diese Strukturveränderungen umzusetzen. Kein Land wie wir baut so teuer Verkehrswege - und das hat ein Politiker gesagt.

Wie lässt sich das beträchtliche Verkehrswachstum mit den Klimaschutzzielen der Bundesregierung vereinbaren?

Die deutsche Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2020 den Ausstoß von Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um maximal 40 Prozent zu reduzieren.

Aller Fortschritt und größte Sparsamkeit helfen jedoch nichts, wenn wir im Stau stehen. Milliarden Tonnen CO2 werden jährlich unnütz in die Luft geblasen, weil Fahrzeuge stecken bleiben, Flugzeuge Umwege fliegen und nicht landen können, Schienen überlastet sind. Es müssen bedarfsgerechte Verkehrswege her, sei es bei Straße, Schiene oder Wasserstraße. Erhalt und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur ist die Voraussetzung, um Staus zu vermeiden. Darüber hinaus gibt es eine Reihe an Möglichkeiten, Verkehr intelligenter zu gestalten, etwa durch Verkehrsleitsysteme oder Förderung von Kombiniertem Verkehr. Auch technische Fortschritte bei Antriebssystemen, Fahrzeugbau und Kraftstoffen werden die Emissionen senken. Insgesamt hat der Verkehrssektor trotz Wachstum seine Energieeffizienz beträchtlich gesteigert. Das heißt, weniger Verbrauch bei steigender Leistung.

Was kann die Logistikwirtschaft dafür leisten und was kann sie erwarten?

Ein großer Engpass ist, wie bereits erwähnt, unsere Verkehrsinfrastruktur. Beim Thema Klima- und Umweltschutz steht die Industrie in der Pflicht genauso wie jeder einzelne. Und die Politik muss dafür die richtigen Weichen stellen. Daher bin ich froh, dass das Thema Güterverkehr und Logistik von der Bundespolitik ernst genommen wird. So hat das Bundesverkehrsministerium letztes Jahr den "Masterplan Güterverkehr und Logistik" aufgesetzt. Ein Dokument, welches das Güterverkehrssystem noch effizienter machen soll. Zwar sind wir nicht mit allen 35 Einzelmaßnahmen zufrieden, aber die Bundesregierung ist auf dem richtigen Weg, nur ausgewählte Maßnahmen umzusetzen. Diese Maßnahmen im Masterplan reichen allein nicht aus, um die künftigen Herausforderungen des Güterverkehrs zu bewältigen. Deshalb sollte die Verkehrswirtschaft in der Krise gezielt durch Investitionen sowie kreditwirksame und fiskalische Maßnahmen unterstützt werden. Keinesfalls darf diese krisengebeutelte Branche durch zusätzliche Steuern oder Abgaben belastet werden. Gemeinsam mit der neuen Regierung will unser Wirtschaftszweig weiter auf eine optimale Mobilität für Deutschland hinarbeiten, die nachhaltig, bezahlbar, wettbewerbsfähig und sicher ist.

Das Interview führte Petra Pintscher.

Klaus-Peter Müller ist Vorsitzender des

Präsidiums des Deutsches Verkehrsforums und Vorsitzender des Aufsichtsrates

der Commerzbank AG.