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Quantensprung im Bundeswehr-Depot

MILITÄRISCHER BEDARF Nach Kleiderkammern und Heeresinstandsetzung soll jetzt die Lagerhaltung in private Hände übergehen

12.04.2010
2023-08-30T11:25:53.7200Z
3 Min

Von der Schuhbürste bis zum Triebwerksersatzteil, von der Taschenlampe bis zur Panzerkette: Der alltägliche Bedarf der Bundeswehr nach Gütern aller Art ist hoch und vielfältig. Knapp 770.000 so genannte Versorgungsartikel sind es, die permanent bereitgehalten werden müssen. Gerade einmal die Hälfte von ihnen gilt als "handelsüblich". Die "Kunden", das sind 12.000 Dienststellen, die das logistische System zu bedienen hat, um die insgesamt etwas über 250.000 Soldatinnen und Soldaten mit allem zu versorgen, was sie für ihren Dienst benötigen. Ein System, das seinen Preis hat: Ungefähr drei Milliarden Euro gibt die Bundeswehr Jahr für Jahr für die Logistik aus. Bei einem Verteidigungshaushalt von derzeit rund 31 Milliarden Euro sind dies annähernd zehn Prozent des zur Verfügung stehenden Etats.

Neue Aufgaben

Gibt es Möglichkeiten, hier einzusparen und die Abläufe vielleicht auch effizienter zu organisieren? Diese Frage stellt sich die Bundeswehr nicht erst heute angesichts der Sparzwänge, die auf den Bundeshaushalt zukommen. Seit fast zehn Jahren steht sie in einem grundlegenden Veränderungsprozess, den sie selbst als "Transformation" bezeichnet. Diese Transformation verfolgt vor allem das Ziel, die Bundeswehr konsequent auf die neuen Aufgaben auszurichten, denen sie sich heute stellen muss. Nicht mehr die Landes- und Bündnisverteidigung stehen wie in den Zeiten des Kalten Krieges im Mittelpunkt, sondern die internationalen Einsätze, an denen sie sich seit den 1990er Jahren beteiligt. Transformation heißt aber auch: Durch eine Optimierung der Organisationsstrukturen Kosten einsparen und sich auf die militärischen Kernaufgaben beschränken.

Unter dieser Maxime ist die Bundeswehr auch eine Vielzahl von Kooperationen mit der privaten Wirtschaft eingegangen, um mehr Leistung zu geringeren Kosten zu erzielen. Der Bereich der Logistik bot hier vielfältige Ansatzpunkte. So wurde das Bekleidungswesen in die Hände eines Joint Ventures mit einem privaten Unternehmen gelegt. Die Materialerhaltung für Fahrzeuge und Gerät des Heeres in Deutschland ist die Aufgabe der "Heeresinstandsetzungslogistik GmbH", an der der Bund nur eine Minderheitsbeteiligung hält. Da die Bundeswehr derzeit nicht über ausreichende Kapazitäten für den Lufttransport verfügt, greift man auf die Dienste eines osteuropäischen Unternehmens zurück, das Großraumflugzeuge in Leipzig auf Abruf bereithält. Für den Seetransport gibt es eine ähnliche Abmachung mit einer dänischen Reederei. Sogar in den Einsatzgebieten greift man auf zivile Unterstützung zurück, so etwa in der Versorgung mit Betriebsstoffen oder in der Verpflegung.

Einen Quantensprung in der Modernisierung hat die Bundeswehr durch eine Veränderung ihrer eigenen Strukturen angestoßen: die Aufstellung des Organisationsbereichs Streitkräftebasis. Sie versteht sich als eine Art "Gemeinschaftsunternehmen" der traditionellen Teilstreitkräfte Heer, Luft-waffe und Marine und entlastet diese von Aufgaben, die sie bis vor knapp zehn Jahren jeder für sich wahrgenommen haben. Die Straffung der Organisation hat sich ausgezahlt. Etwa 25.000 Soldaten konnten für andere Aufgaben freigestellt werden.

Zuständig ist die Streitkräftebasis nicht zuletzt auch für den logistischen Grundbetrieb in Deutschland, die sogenannte "Basislogistik". Die Strukturen, die sie hier anfänglich zu managen hatte, waren noch deutlich vom Kalten Krieg geprägt. In diesem hatte man eine Vielzahl von Depots angelegt und bewusst Redundanzen geschaffen, um bei Ausfällen einzelner Einrichtungen stets auf Reserven zurückgreifen zu können. Da heute kein Angriff mehr droht, konnte die Zahl der Depots und die Lagerfläche mehr als halbiert werden. Zur Steuerung der logistischen Leistungen im Inland wie auch in den Einsätzen wurde in Wilhelmshaven das Logistikzentrum der Bundeswehr aufgestellt.

Ein nächster Meilenstein dieses Modernisierungsprozesses könnte die Übertragung eines gewichtigen Aufgabenpakets in zivile Hände werden. Ausgeschrieben ist die "Kooperative Durchführung von Lagerhaltung und Distribution", die bei Übernahme des bisherigen Bundeswehr-Personals unter anderem für schnellere und effizientere Abläufe sowie geringere Lagerbestände sorgen soll. Zwei Konsortien, in denen sich jeweils Logistikunternehmen mit Rüstungsfirmen verbunden haben, stehen im Wettbewerb um diesen Auftrag, der als einer der umsatzträchtigsten in der Branchengeschichte gilt. Den Zuschlag wird einer von ihnen aber nur dann erhalten, wenn sich seine Lösung tatsächlich als wirtschaftlicher herausstellt als das Modell, das die Bundeswehr in Eigenregie betreiben könnte.

Der Autor ist Journalist

und lebt in Königswinter.