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Ende der schwarz-gelben Dominanz

BUNDESRAT Auf den Vermittlungsausschuss kommt wohl mehr Arbeit zu

26.07.2010
2023-08-30T11:26:01.7200Z
3 Min

Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken, Sparpaket, Gesundheitsreform: Schon seit Wochen streiten Koalition und Opposition darüber, ob zentrale Vorhaben des schwarz-gelben Regierungslagers der ausdrücklichen Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Für eine solche Zustimmung nämlich ist dort eine Mehrheit aller 69 Länder-Stimmen erforderlich, also 35 Stimmen, und eben diese Mehrheit hat das Lager der Union/FDP-Koalitionen mit dem Regierungswechsel in Nordrhein-Westfalen verloren: Damit sind so genannte Zustimmungsgesetze verstärkt vom Scheitern im Bundesrat bedroht.

Bislang kamen die insgesamt sieben Landeskoalitionen der Unionsparteien mit den Freidemokraten auf 37 Stimmen im Bundesrat, in dem die Länder ein nach Einwohnerzahl abgestuftes Stimmengewicht haben. Mit jeweils mehr als sieben Millionen Einwohner verfügen Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und eben Nordrhein-Westfalen über jeweils 6 Bundesratsstimmen. So lange diese vier Länder alle von Union und FDP regiert wurden, ergab das bereits 24 Stimmen für das schwarz-gelbe Lager. 5 Stimmen steuert die CDU/FDP-Regierung in Hessen bei und jeweils 4 Stimmen kommen von den Koalitionen beider Parteien in Sachsen und Schleswig-Holstein. Das macht zusammen 2 Stimmen über der absoluten Mehrheit im Bundesrat - oder genauer: machte 2 Stimmen darüber, denn mit dem Wechsel von der CDU/FDP-Koalition in Düsseldorf zur rot-grünen Minderheitsregierung im bevölkerungsreichsten Bundesland haben die 6 NRW-Stimmen im Bundesrat die Seiten gewechselt. Schwarz-Gelb bleiben somit derzeit nur noch 31 Stimmen - zu wenig, um aus eigener Kraft eine Zustimmung des Bundesrates durchzusetzen.

»Neutrales Lager«

Zwar sitzt die Union noch in einer Reihe weiterer Landesregierungen - mit den Sozialdemokraten unter CDU-Führung in Sachsen-Anhalt und Thüringen (jeweils 4 Bundesratsstimmen) und unter SPD-Führung in Mecklenburg-Vorpommern (3 Stimmen) sowie mit den Grünen in Hamburg (3 Stimmen) und in der bundesweit einzigen "Jamaika"-Koalition mit Grünen und Freidemokraten im Saarland (3 Stimmen). Im Bundesrat sind all diese Regierungsbündnisse jedoch dem "neutralen Lager" zuzurechnen, das sich bei Abstimmungen in strittigen Fällen enthält. Damit kommen diese insgesamt 17 Stimmen nicht zum Tragen, wenn es darum geht, für die Zustimmung des Bundesrates zu schwarz-gelben Gesetzesvorhaben eine Mehrheit in der Länderkammer zu finden.

Dies gilt natürlich auch für einen etwaigen Einspruch des Bundesrates gegen entsprechende Gesetzesbeschlüsse des Bundestages. Auch um einen solchen Einspruch einzulegen, bedarf es der Mehrheit der Bundesratsstimmen - von der alle roten, rot-roten und rot-grünen Landesregierungen zusammen noch weiter entfernt sind als die sechs schwarz-gelben: Zu den 4 Stimmen der SPD-Alleinregierung in Rheinland-Pfalz können Sozialdemokraten und Die Linke mit ihren Koalitionen in Berlin und Brandenburg jeweils weitere 4 Stimmen in die Waagschale werfen, während es die rot-grünen Landesregierungen von Bremen (3 Stimmen) und nun auch Nordrhein-Westfalen es auf zusammen 9 Stimmen bringen. Das sind unter dem Strich 21 Stimmen und damit noch 10 weniger als bei Schwarz-Gelb. Zudem können Union und FDP mit ihrer Mehrheit im Bundestag einen etwaigen Einspruch der Länderkammer überstimmen.

Künftig könnte es also wieder mehr Arbeit für den Vermittlungsausschuss geben, um den es in den vergangenen Jahren etwas ruhiger geworden war. 4 Sitzungen absolvierte das Gremium in der laufenden Legislaturperiode seit vergangenem Herbst, ganze 14 Sitzungen waren es in den vorangegangenen vier Jahren der großen Koalition. Deutlich mehr zu tun hatten die Vermittler in der vorherigen Wahlperiode mit rot-grüner Bundesregierung, als es von 2002 bis 2005 immerhin 56 Sitzungen des Ausschusses gab.

Sofern es nicht vorher in einem Bundesland zu vorgezogenen Neuwahlen kommt, bleiben die neuen Machtverhältnisse in der Länderkammer mindestens bis März 2011. Dann stehen die SPD-Regierung von Rheinland-Pfalz und die große Koalition in Sachsen-Anhalt ebenso zur Wahl wie das schwarz-gelbe Bündnis in Baden-Württemberg. Union und Freidemokraten könnten dann die Mehrheit der Bundesratsstimmen zurückerobern - oder sich noch weiter von ihr entfernen.