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Kurz notiert

26.07.2010
2023-08-30T11:26:01.7200Z
5 Min

Aufnahmebedingungen

Ein europäischer Staat, der in die EU aufgenommen werden möchte, reicht beim Europäischen Rat einen Antrag auf Mitgliedschaft ein. Nun ist es an der EU-Kommission zu bewerten, ob das Bewerberland die Beitrittskriterien tatsächlich erfüllen kann. Reagiert die Kommission positiv und beschließt der Europäische Rat einstimmig ein Mandat für Verhandlungen, werden diese zwischen dem Bewerberland und allen Mitgliedstaaten formell eröffnet. Gleichzeitig beginnt die sogenannte Heranführungsstrategie. Sie begleitet den Verhandlungsprozess durch Stabilisierungsabkommen, Beitrittspartnerschaften, Finanzierungshilfen, Beteiligung an Gemeinschaftsprogrammen, -agenturen und -ausschüssen, regelmäßige "Fortschrittsberichte" und politischen Dialog.

Screening-Phase

Die erste Phase in den Beitrittsverhandlungen ist das sogenannte Screening. Dabei werden mögliche Problembereiche identifiziert und Berichte als Grundlage für die eigentlichen Verhandlungen erstellt. Diese Verhandlungen finden auf Ministerebene statt, also zwischen den ständigen Vertretern der Mitgliedstaaten und den Chefunterhändlern der Kandidatenländer. Die Beitrittsländer überreichen zum Beginn der Verhandlungen Papiere mit ihrer Position. Die Europäische Kommission schlägt dem Europäischen Rat daraufhin eine gemeinsame Stellungnahme über das weitere Vorgehen vor - diese Stellungnahme entscheidet darüber, ob ein neues Kapitel zur Verhandlung eröffnet wird.

Konkrete Fortschritte

Der Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess (SAP) hat drei Ziele: die Stabilisierung beziehungsweise den schnellen Wechsel zu einer funktionierenden Marktwirtschaft, die Förderung regionaler Kooperation und die Mitgliedschaft in der EU. Der SAP basiert auf einer fortschreitenden Partnerschaft. Was mit Handelszugeständnissen beginnt, wird mit wirtschaftlicher und finanzieller Unterstützung fortgeführt und letztlich vertraglich fixiert. Der SAP hilft den Ländern der Beitrittsregion dabei, EU- und internationale Normen zu übernehmen. Jedes Land muss dabei konkrete Fortschritte machen, um den Anforderungen einer eventuellen Mitgliedschaft zu genügen. Jedes Jahr wird der Fortschritt in Richtung einer EU-Mitgliedschaft bewertet.

Europäische

Partnerschaften

Beim EU-Gipfel in Thessaloniki 2003 führte die Europäische Union eine Reihe neuer Instrumente ein, um den Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess gerade in den westlichen Balkanländern zu unterstützen. Eines davon sind die Europäischen Partnerschaften, bei denen die EU-Mitglieder die Beitrittskandidaten bei ihren Reformen und Vorbereitungen auf die mögliche Mitgliedschaft unterstützten - sei es durch Hilfe bei der Finanzierung, den Austausch von Informationen oder Mitarbeitern. Infolge dieser Unterstützung konnte die EU allen Ländern des westlichen Balkans eine Mitgliedschaft in Aussicht stellen.

Heranführungshilfe

Die EU stellt Bewerberländern und potenziellen Kandidaten finanzielle Unterstützung bereit. Mit dieser Finanzhilfe sollen die Länder in die Lage versetzt werden, die nötigen politischen, wirtschaftlichen und institutionellen Reformen vorzunehmen und dadurch die in der EU bestehenden Standards zu erreichen. Die Heranführungshilfe richtet sich an fünf Komponenten aus: Übergangshilfe und Aufbau von Institutionen; grenzüberschreitende Zusammenarbeit; regionale Entwicklung in den Bereichen Verkehr, Umwelt und Wirtschaft; Stärkung des Humankapitals und Kampf gegen soziale Ausgrenzung sowie Entwicklung des ländlichen Raums. Die Finanzhilfen erfolgen in Form von Projekten. Um in den betreffenden Ländern Institutionen aufzubauen, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte zu stärken, Minderheiten zu schützen, eine Marktwirtschaft aufzubauen und die Zivilgesellschaft zu entwickeln, stellt die EU im aktuellen Finanzrahmen von 2007 bis 2013 insgesamt 11,5 Milliarden Euro zur Verfügung.

Erweiterungspaket

Im Oktober 2009 verabschiedete die Europäische Kommission das jüngste ihrer jährlichen Strategiepapiere zur EU-Erweiterung. Darin enthalten sind die Fortschrittsberichte, in denen jeder Beitrittskandidat einer eingehenden Prüfung unterzogen wird. In diesem schriftlichen "Erweiterungspaket" wird außerdem der mehrjährige Rahmen für die Finanzhilfen dargestellt, mit dem die Reformbemühungen der Kandidaten für die nächsten Jahre unterstützt werden.

Der Erweiterungskommissar

Der Tscheche Stefan Füle ist seit Februar 2010 EU-Kommissar für Erweiterung und europäische Nachbarschaftspolitik. Er führt die Verhandlungen mit den Staaten, die sich um eine Mitgliedschaft in der EU bewerben. Sein Ressort besteht seit 1977 und war nur von 1989 bis 1993 nicht besetzt. In manchen Amtsperioden hatte der Erweiterungskommissar auch andere Aufgaben zu erfüllen. Füle zum Beispiel ist auch für die Europäische Nachbarschaftspolitik zuständig und arbeitet eng mit dem Hohen Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik zusammen. Bei seiner Anhörung vor dem Europaparlament kündigte er an, die Erweiterung um die Staaten des Westbalkans und um die Türkei vorantreiben zu wollen. Er werde sicherstellen, "dass keines der Länder am Westbalkan zurück und in der Kälte bleibt".

Die Generaldirektion

Ein Kommissar benötigt einen großen Mitarbeiterstab, der ihm zuarbeitet. In diesem Falle ist das die Generaldirektion Erweiterung der EU unter der Leitung des Briten Michael Leigh. Leigh ist bereits seit 1977 für die Europäische Gemeinschaft tätig, war unter anderem intensiv an den Beitrittsverhandlungen mit der Tschechischen Republik beteiligt und von 2000 bis 2003 in ähnlicher Funktion für die Türkei, Zypern, Malta, Bulgarien und Rumänien zuständig. Fast alle diese Staaten sind heute EU-Mitglieder. Die Generaldirektion Erweiterung ist in fünf Unterdirektionen aufgeteilt: Die erste ist für die Kommunikation mit und unter den Beitrittskandidaten zuständig; die zweite koordiniert die Zusammenarbeit mit den Kandidaten Kroatien, Mazedonien, Türkei und Island; die dritte Direktion tut dasselbe für Albanien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Serbien und Kosovo-Fragen; die vierte koordiniert die Finanzinstrumente und Regionalprogramme zur EU-Erweiterung; und Direktion Nummer fünf mit dem vielsagenden Titel "Ressourcen" ist für die strategische Planung der Erweiterung, Controlling und IT-Fragen zuständig.

Das Personal

Die Delegationen repräsentieren die EU und dienen den Interessen der Gemeinschaft auf der ganzen Welt. Mehr als 130 solcher Delegationen gibt es weltweit. Sie regeln die tagtäglichen Beziehungen zwischen der EU und den jeweiligen Ländern, sind also auf diplomatischem und konsularischem Gebiet beratend tätig. Außerdem klären die Delegationen über die Arbeit der EU auf und beantworten die allseits gestellte Frage: Was bringt uns eine Zusammenarbeit oder gar eine Mitgliedschaft? Ein besonderes Aufgabenprofil haben die Delegationen dort, wo man sich um eine Aufnahme in die EU bemüht. Hier analysieren die Mitarbeiter die politische und wirtschaftliche Entwicklung sowie die Ausführung nötiger Reformen. Außerdem sind sie an der Erstellung der jährlichen Fortschrittsberichte beteiligt. Bei Verhandlungen mit der Europäischen Union unterstützen die Mitarbeiter der Delegationen - das können bis zu 100 sein - das betreffende Land.

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