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Zwischenbilanz

VON HELMUT STOLTENBERG

06.09.2010
2023-08-30T11:26:03.7200Z
2 Min

Gut vier Jahrzehnte haben die Deutschen in zwei verschiedenen Staaten gelebt, halb so lange nun wieder in einem gemeinsamen. Doch nur 40 Prozent von ihnen meinen einer jüngst veröffentlichten Umfrage zufolge, dass Ost und West zusammengewachsen sind, oder sehen nur noch kleine Unterschiede. Ebenfalls 40 Prozent stellen dagegen noch große Unterschiede fest und 13 Prozent glauben gar, dass es auch in einem halben Jahrhundert noch gravierende Unterschiede geben wird.

Freilich, 40 Jahre der Trennung in gegensätzlichen politischen und wirtschaftlichen Systemen sind eine lange Zeit im Leben eines Menschen. So mag es nicht verwundern, wenn bei nicht wenigen die Sicht auf die Landsleute im anderen Teil Deutschlands noch immer von Reserviertheit und Ressentiment bestimmt ist. "Unkenntnis ist immer die Quelle von Vorurteilen", sagt Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) und beklagt das geringe Interesse vieler Westdeutschen an Reisen in die neuen Ländern (Seite 2) ebenso wie Rudolf Seiters. Für den CDU-Politiker, vor 20 Jahren Kanzleramtsminister unter Helmut Kohl, ist das Zusammenwachsen der Ost- und Westdeutschen "nicht nur Aufgabe einer Generation" (Seite 5). Sein einstiger Kabinettskollege, Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP), hält die innere Einheit indes für weit fortgeschrittener, als viele glauben: Die jungen Menschen im Lande wüssten um ihre gemeinsame Zukunft, sagt er (Seite 11).

Einer Bilanz von 20 Jahren deutscher Einheit - die nur eine Zwischenbilanz sein kann - gehen auch die Autoren dieser Themenausgabe nach. Sie fragt nach Erfolgen und Misserfolgen beim Aufbau Ost und beleuchtet exemplarisch die wirtschaftliche Situation von Kommunen in beiden Landesteilen (Seite 6 und 7), geht dem Umgang mit der Stasi-Hinterlassenschaft der DDR ebenso nach (Seite 8) wie dem Verhältnis der Deutschen zu ihrer Demokratie (Seite 9) und sie analysiert die außenpolitischen Konsequenzen der Einheit für die größer gewordene Republik (Seite 10). Zugleich wirft "Das Parlament" einen Blick auf die Befindlichkeiten der Ost- und Westdeutschen beim Prozess des Zusammenwachsens (Seite 4 und 14) und stellt Menschen vor, die im jeweils anderen Landesteil heimisch geworden sind (Seite 4 und 5).

Nicht fehlen darf der Rückblick auf den aufregenden Weg zur Einheit nach der freien Volkskammerwahl vom März 1990 (Seite 3) sowie auf den Bundestagsbeschluss zum Umzug nach Berlin (Seite 13). Letzterer war dabei nur eine der zahlreichen Entscheidungen, die die Einheit dem gesamtdeutschen Gesetzgeber abverlangte (Seite 12). Dass dabei die Zeit auch an den Abgeordneten nicht spurlos vorbeiging, belegt unsere Porträtstrecke, die neben aktuellen Aufnahmen von Parlamentariern Fotos zeigt, die um 1990 entstanden sind. Und schließlich zeigen auch kurze statistische Angaben auf, welche Veränderungen das Land und seine Bewohner in den zurückliegenden 20 Jahren erfahren haben.