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Sprungbrett oder Absturzgefahr?

ARBEIT Wirtschaftsverbände verteidigen befristetete Jobs als Chance für Arbeitnehmer

11.10.2010
2023-08-30T11:26:06.7200Z
3 Min

Sind Arbeitsverträge auf Zeit nützliche Sprungbretter für Uni-Absolventen und Arbeitslose, durch die sie sich für unbefristete Jobs empfehlen können? Oder sind sie ein Instrument zur Ausbeutung der Mitarbeiter, die jahrelang in Unsicherheit leben müssen? Über diese Fragen herrschte bei der öffentlichen Anhörung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales am vergangenen Montag Uneinigkeit zwischen Fraktionen und geladenen Experten.

Anlass der Anhörung waren drei Anträge, eingebracht von den drei Oppositionsfraktionen SPD (17/1769), Die Linke (17/1968) und Bündnis 90/Die Grünen (17/2922). Angesichts eines Trends zu mehr befristeten Jobs warnen die Sozialdemokraten in ihrem Antrag vor den gesellschaftlichen Folgen dieser Entwicklung: "Menschen, die in der Arbeitswelt keine Sicherheit vorfinden, haben auch keine Sicherheit im Privatleben", argumentieren sie. Die Forderungen der Sozialdemokraten: Die sogenannte "sachgrundlose Befristung" solle abgeschafft werden. Diese eröffnet Unternehmen die Chance, Mitarbeiter bis zu zwei Jahre lang ohne Angabe von Gründen befristet zu beschäftigen. Bisher darf eine Firma das sogar vier Jahre lang, wenn sie gerade frisch gegründet wurde; wenn der neue Mitarbeiter älter ist als 52 Jahre und vorher arbeitslos war, fünf Jahre lang - auch diese Möglichkeiten wollen die Sozialdemokraten streichen. Beschlossen wurden die Ausnahmen für Unternehmensgründungen und ältere Arbeitnehmer 2001 unter der rot-grünen Koalition. Auch Linksfraktion und Grüne fordern in ihren Anträgen, die sachgrundlose Befristung abzuschaffen. Darüber hinaus wollen sie die Befristung zur "Erprobung" des neuen Mitarbeiters streichen - denn auch ohne diese Regelung könne der Arbeitgeber eine Probezeit von maximal sechs Monaten vereinbaren.

»Keine Planungssicherheit«

Bei der Anhörung lehnten vor allem die Vertreter der Wirtschaftsverbände diese Vorschläge ab: Sie betonte sowohl die Bedeutung befristeter Arbeitsverträge für die Flexibilität von Unternehmen, als auch die Chancen, die sich daraus für die Arbeitnehmer ergeben würden. Roland Wolf von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sagte, 40 bis 50 Prozent der Arbeitnehmer würden nach Auslaufen der befristeten Verträge in unbefristete Jobs übernommen. Hildegard Reppelmund vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) berichtete, zwei Drittel der Mitgliedsunternehmen würden laut einer Umfrage weniger Leute einstellen, wenn es die Chance zur Befristung nicht gäbe. Die geladenen Wirtschaftsverbände unterstützten deshalb auch den Plan der schwarz-gelben Koalition, das "Ersteinstellungsgebot" abzuschaffen: Es besagt, dass Firmen, die einen Mitarbeiter schon einmal auf Zeit beschäftigt haben, ihn nicht wieder befristet einstellen dürfen. Laut Koalitionsvertrag soll eine erneute Einstellung nach einer Karenzzeit von zwölf Monaten erlaubt werden, um sogenannte "Kettenbefristungen" zu verhindern.

Die Vertreter von Gewerkschaften oder gewerkschaftsnahen Forschungsinstituten betonten hingegen vor allem die negativen Folgen befristeter Beschäftigung für die Mitarbeiter. Nadine Zeibig vom Hugo Sinzheimer Institut für Arbeitsrecht in Frankfurt am Main sagte, dass Arbeit auf Zeit überdurchschnittlich oft "prekäre Arbeit" sei, die den Menschen keine Planungssicherheit ermögliche. Martina Perreng vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) argumentierte, dass Unternehmen die "sachgrundlose Beschäftigung" nicht bräuchten, um Konjunkturschwankungen auszugleichen. Trotzdem sprach sie sich nicht eindeutig dafür aus, diese Form der Befristung abzuschaffen: Sie befürchtete, Unternehmen würden dann Mitarbeiter verstärkt als Leiharbeiter oder Praktikanten einstellen.