GLAUBEN Christliche Politiker gibt es in allen Fraktionen: Was heißt das für ihre Entscheidungen bei Fragen nach Leben und Tod?
Als der Bundestag im Mai 2009 über die Spätabtreibung entschied, fiel das Wort "Christ" nur einmal in der Debatte. Es ging damals um die Frage, wie man schwangeren Frauen helfen kann, die erfahren, dass ihr Kind behindert sein wird. In vielen Fällen entscheiden sich Frauen dann für eine Abtreibung. Manche berichten, dass sie von den Ärzten regelrecht zu dieser Entscheidung gedrängt worden…
Ethikbeirat Die erneute Einsetzung des parlamentarischen Gremiums ist umstritten
Themen gäbe es dieser Tage reichlich - Organtransplantationen und Präimplantationsdiagnostik sind nur zwei Beispiele für Fragen, die das Parlament derzeit beschäftigen. Diesen widmete sich in der vergangenen Legislaturperiode neben den zuständigen Ausschüssen noch ein eigenes parlamentarisches Gremium: der Ethikbeirat. Ob er in dieser Wahlperiode erneut eingesetzt wird, ist ungewiss. Über…
PID Soll man Embryos vor einer künstlichen Befruchtung untersuchen dürfen? Aktueller Streit im Bundestag
Für zahlreiche Abgeordnete war es eine Erleichterung: Ende Oktober beschlossen die Fraktionsführungen von CDU/CSU und FDP, dass ohne Fraktionszwang über die Neuregelung der Präimplantationsdiagnostik (PID) abgestimmt werden soll - und zwar noch in diesem Jahr. Sogar die Opposition findet Lob: "Den Fraktionszwang aufzuheben, finde ich richtig. Bei einer ethisch so relevanten Frage wie dieser,…
Stammzellen Als Stammzellen bezeichnet man alle Arten von Zellen, die in der Lage sind, sich durch Zellteilung selbst zu vermehren und bei Bedarf spezialisierte Zelltypen oder Gewebe hervorzubringen. Je nach Art der Stammzelle und abhängig von den jeweiligen Umgebungseinflüssen haben sie das Potenzial, verschiedene Zelltypen des Körpers zu bilden. Wissenschaftler unterscheiden insbesondere…
Europa In vielen Staaten gilt ein liberaler Umgang mit der Präimplantationsdiagnostik. Es gibt aber Ausnahmen
In der Debatte um die Präimplantationsdiagnostik (PID) wird oft darauf abgehoben, dass kein anderes Land so strenge Gesetze habe wie Deutschland. Stimmt das überhaupt? Ein Blick in die anderen europäischen Länder zeigt ein differenziertes Bild. Zunächst fällt auf, dass die PID keineswegs nur in Deutschland verboten ist. Im Gegenteil: Sowohl in der Schweiz als auch in Österreich und…
EMBRYONEN Beim Stammzellenimport wählte der Bundestag einen Mittelweg zwischen Freigabe und Verbot
Nach der Debatte herrschte weitgehend Einigkeit im deutschen Blätterwald: Die "Süddeutsche Zeitung" etwa berichtete am 31. Januar 2002 von einer "Weihestimmung im Hohen Haus", dem die "Stuttgarter Zeitung" einen "großen Tag" bescheinigte. Und während in der "Bild"-Zeitung zu lesen war, die Abgeordneten hätten bei der Aussprache "größer, außerordentlicher, bescheidener, kleiner, wahrer" als…
PRO PID Der Gesetzgeber sollte für Rechtsklarheit sorgen
Seit der Einführung der Präimplantationsdiagnostik (PID) Ende 1989 wird darüber diskutiert, inwieweit sie ethisch zu rechtfertigen ist und ob sie zu einem Dammbruch führen könnte, der in letzter Konsequenz die Auswahl von "Designer-Babys" möglich machen würde. Der Schutz von Embryonen ist in Deutschland bislang strenger geregelt als in den meisten anderen Staaten der Welt. Ausgehend von dem…
CONTRA PID Embryonenschutz darf nicht gelockert werden
Warum sollten wir menschliche Embryonen schützen vor verbrauchender Forschung oder todbringender Selektion nach Kriterien genetischer Disposition, wenn sie doch so klein und unscheinbar sind und noch gar nicht aussehen wie Menschen? Weil sie dessen ungeachtet Menschen sind, und jeder Mensch, auch der ungeborene, nach dem Grundgesetz ein eigenes, unabgeleitetes Lebensrecht hat und ihm…
BIOTECHNOLOGIE Nur wenige Eingriffe sind heute erlaubt
"Patient erstmals mit embryonalen Stammzellen behandelt", "Todesfall nach Stammzelltherapie", "Erste künstliche Zelle geschaffen" - drei Schlagzeilen aus dem Jahr 2010 und Beispiele dafür, welche Möglichkeiten und Gefahren die Biotechnologie heute bietet. Startpunkt dafür war das Jahr 1953. Mit der Forschung an der Struktur der Desoxyribonukleinsäure (DNS) und ihrer Funktionsweise legten zwei…
PARAGRAPH 218 Eine Debatte über Leben und Selbstbestimmung
Das Thema hat beide nicht losgelassen. Steigt man in den Keller der CSU-Politikerin Ursula Männle, findet man dort, nach fast zwanzig Jahren, kistenweise Unterlagen. Unterlagen zum Paragraphen 218, zur Frage der Schwangerschaftsabbrüche. Ein Abbruch mit der einzigen Bedingung, die gesetzliche Frist einzuhalten, habe nie ihrer Meinung entsprochen, sagt sie. Spricht man mit Inge…
Spätabtreibung Die Diagnose ist ein Alptraum: Spina bifida, eine Fehlbildung der Wirbelsäule und des Rückenmarks. Eine Frau erzählt, warum sie sich für eine »stille Geburt« entschieden hat
Es ist Samstag, der 11. September 2010, als für Beate Lehmann* und ihren Mann die Welt zusammenbricht. Die 31-Jährige ist mit Schmerzen ins Krankenhaus gefahren. Sie denkt, es seien Frühwehen, sie ist im fünften Monat schwanger. Ein Wunschkind, der sechsjährige Paul* soll ein Geschwisterchen bekommen. Die Ärztin im Krankenhaus macht ein Ultraschall-Bild vom ungeborenen Kind. "Der Kopf war zu…
Standpunkt Die Etablierung der vorgeburtlichen Diagnostik macht blind für den Sinn des Ungeplanten
Die Befürwortung der Präimplantationsdiagnostik (PID) in weiten Kreisen unserer Gesellschaft sollte hellhörig machen und die Frage aufwerfen, wie es denn kommen kann, dass der moderne Mensch glaubt, es sei sein gutes Recht, das vorgeburtliche Leben erst zu testen, bevor man sich seiner annimmt. Wir leben in einer Zeit, die für das Ungeplante keinen Sinn mehr zu haben scheint. Das einfach…
Pränatale Diagnostik Immer mehr Schwangere machen zusätzliche Tests
96 Prozent aller Kinder kommen gesund zur Welt! Diesen Fakt sollten sich alle werdenden Eltern klarmachen. Denn oft wird die erste Freude über die Schwangerschaft schnell durch die Sorge getrübt, dem Baby könnte etwas fehlen. Die Nachfrage nach der so genannten pränatalen Diagnostik (PND) steigt seit Jahren. Einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zufolge nehmen heute…
Alternativen Am Anfang einer ungewollten Schwangerschaft steht die wesentliche Entscheidung: Möchte die Frau das Kind austragen oder nicht? Entscheidet sie sich dafür, gibt es in Deutschland unterschiedliche Möglichkeiten, mit der Situation umzugehen. Eine von Beratungsstellen gern vorgeschlagene Möglichkeit ist die Betreuung durch eine Familienhebamme. Diese bereitet nicht nur auf die…
WENN TOD LEBEN RETTET Hubert Knicker war 38 Jahre alt, als sein gewohntes Leben aufhörte. Die Ärzte stellten ein vergrößertes Herz fest. Fortan drehte sich sein Alltag um das Überleben. Bis er ein neues Herz bekam
Hubert Knicker hat viele Leben gehabt. "Im Prinzip bin ich schon zehn Mal gestorben", sagt der 52-Jährige mit leiser Stimme. "Manchmal wundere ich mich selbst, dass ich noch auf der Erde bin." In den vergangenen 14 Jahren hing sein Leben am seidenen Faden. Erst seitdem ihm in diesem Sommer ein Herz implantiert wurde, wacht Knicker morgens ohne Todesangst auf. "Es ist wie eine zweite Geburt",…
EUROPArat Deutschland will die Bioethik-Konvention derzeit nicht unterzeichnen. Manche halten das für einen Fehler, weil die Chance zur weiteren Gestaltung des Regelwerks vertan werde
Manche Dinge dauern etwas länger. Seit mehr als anderthalb Jahrzehnten wird in Deutschland über eine einheitliche Haltung zur Biomedizin-Konvention des Europarates gerungen. Die Bundesregierung beabsichtigt derzeit nicht, sie zu unterzeichnen. Der offizielle Grund: Der Meinungsbildungsprozess sei noch nicht abgeschlossen. Der lange Zeitraum lässt erkennen, wie schwierig es ist, im Bereich…
TRANSPLANTATION Bei dem Versuch, die Spendenbereitschaft zu steigern, musste der Bundestag den Tod definieren
Manchmal, wenn sie an die Beratungen zum Transplantationsgesetz zurückdenke, sagt die CDU-Abgeordnete Beatrix Philipp, "dann wünsche ich mir, dass wir im Bundestag immer so ernsthaft versuchen würden, eine Lösung zu finden, mit der alle leben können." Dabei war das Thema schwierig und behandelte im Kern so wichtige Fragestellungen wie kaum ein anderes: Wann ist ein Mensch wirklich tot? Und wer…
Organspende Einige Abgeordnete wollen neue Regeln: Jeder soll spenden oder widersprechen
Er weiß jetzt genau, worüber er spricht: Rund zwei Monate nach der Nierenspende für seine schwerkranke Ehefrau hat SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier angekündigt, sich auf parlamentarischer Ebene für eine Änderung des Transplantationsgesetzes einzusetzen. Er schlage vor, so der 54-Jährige, dass jeder Bürger von seiner Krankenkasse über Organspenden informiert werde, um dann eine…
Rechtslage Bei der so genannten Zustimmungsregelung muss der Verstorbene zu Lebzeiten einer Organentnahme zugestimmt haben - etwa indem er einen Organspendeausweis ausgefüllt hat. Während bei einer engen Zustimmungslösung Angehörige kein Mitspracherecht haben, können sie im Fall einer erweiterten Zustimmungslösung über eine mögliche Entnahme entscheiden, sofern kein Spenderausweis vorliegt.…
REGENERATIVE MEDIZIN Organzüchtung als Alternative zum Spenderorgan
Organe sind Mangelware. 4.709 Organe wurden im Jahr 2009 nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation verpflanzt. Rund 12.000 Patienten warten jährlich auf ein Organ. Wissenschaftler haben daher einen großen Traum: biologisch-künstliche Organe oder Organteile zu züchten. Klinische Anwendung findet das so genannte Tissue Engineering längst: Aus entnommenen Knorpelzellen wird im…
Pro und Contra Michael de Ridder und Eckhard Nagel diskutieren, ob Ärzte Todkranken straffrei Beihilfe zum Suizid leisten dürfen sollen
Im Zentrum der meisten Debatten, die um die Medizin am Lebensende geführt werden, steht unausgesprochen die Frage: Wer definiert, was gutes Sterben ist und wer entscheidet, wann und wie ein Schwerstkranker sterben darf? In einer säkularen, wertepluralen Gesellschaft wie der unsrigen kann und darf ihre Beantwortung letztlich nicht Glaubensgemeinschaften, Ärzte- oder Hospizverbänden überlassen…
Neonatologie Schwere Entscheidung für Eltern und Ärzte
Als Mara starb, lag sie auf der Brust ihrer Mutter. Sieben Tage lang hatte das Mädchen gekämpft - und schließlich verloren. Die Ärzte, die das Frühchen behandelten, hatten damit gerechnet: Zwölf Wochen zu früh war Mara auf die Welt gekommen, mit einem Gewicht von 550 Gramm. Dass sie sich ins Leben kämpfen könnte, schien von Anfang an eher aussichtslos - Wassereinlagerungen, eine Darmentzündung…
Koma Patienten nehmen mehr wahr als bislang gedacht
"Ein Artefakt der Medizin" nennt der belgische Neurowissenschaftler Steven Laureys das Koma. "Denn Patienten, die früher an Atemstillstand gestorben wären, können jetzt in so tiefer Bewusstlosigkeit überleben, wie man sie vor Erfindung der künstlichen Beatmung nie angetroffen hätte." Wer länger als eine Stunde nicht von selbst die Augen öffnet und auch sonst nicht auf äußere Reize reagiert,…
PATIENTENVERFÜGUNG Nach jahrelangen Debatten hat sich der Bundestag 2009 auf eine weitgehend liberale Lösung geeinigt
Sein baldiger Tod ist sicher. Der Kranke leidet an einem unheilbaren Hirntumor. Er ist an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen, wird durch eine Magensonde ernährt. Aufwachen wird er nicht mehr. Aber keiner weiß, wie lange es bis zu seinem Lebensende dauert. Es kann eine Frage von Tagen, Wochen oder Monaten sein. Als es ihm noch bedeutend besser ging, hat er eine Patientenverfügung verfasst.…
VERGLEICH Aktive und passive Sterbehilfe ist in manchen Ländern Europas legal. Deutschland gehört nicht dazu
Die Haltung der Bundesärztekammer ist eindeutig: "Aktive Sterbehilfe ist unzulässig und mit Strafe bedroht, auch dann, wenn sie auf Verlangen des Patienten geschieht. Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung widerspricht dem ärztlichen Ethos und kann strafbar sein." So steht es in der Stellungnahme des Gremiums aus dem Jahr 2004 - und auch wenn es in einigen europäischen Staaten…
Hirntod Wachsende Zweifel an bisherigen Gewissheiten
Das moralisch-ethische Fundament der postmortalen Organspende ist der sicher diagnostizierte Tod des Spenders. In Deutschland ist dies der Hirntod. Aber wie sicher lässt sich feststellen, ob bei einem künstlich beatmeten Menschen der Sterbeprozess beendet und der Tod eingetreten ist? Nach der "klassischen" Todesdefinition muss ein integriertes Funktionieren des Organismus irreversibel verloren…
WÜRDE DES STERBENS Der Autor Tilman Jens über die Demenzkrankheit seines Vaters Walter Jens
Das Umsteigen auf dem Stuttgarter Hauptbahnhof ist nicht eben angenehm an diesem leuchtend sonnigen Herbsttag. Übellaunig dreinschauende Gestalten versperren den Weg. Überall Bundespolizei, die Sicherheitskräfte des Grube-Konzerns unterstützend, allesamt angetreten, um den Protest der Bürger gegen Stuttgart 21 von den Gleisen zu vertreiben. Einen Moment stelle ich mir vor, die Rebellion in…
BESTATTUNGSKULTUR Vom Zwang zu sparen und dem Wunsch, auch nach dem Tod als Individuum wahrgenommen zu werden
"Hier liegen meine Gebeine, ich wollt' es wären deine." Als der Schriftsteller Karl Julius Weber vor seinem Tod diese Worte als Grabinschrift wählte, wollte er seinem Ruf als Satiriker offenbar gerecht werden. Seine Familie ersetzte die Worte nach seinem Ableben 1832 allerdings durch ein weniger bissiges "Erbarm dich mein!" Auch das Grab von Oscar Wilde auf dem Friedhof Père Lachaise in Paris…
Palliativversorgung 70 Prozent der Sterbenden fehlt angemessener Beistand
Bitte beeilen Sie sich!" Mit einem dramatischen Appell wendet sich der CDU-Abgeordnete Hubert Hüppe unterstützt von allen Fraktionen am 19. Juni 2008 an Länder, Krankenkassen, Ärzte, Pflegekräfte. Auf der Tagesordnung des Parlaments steht das Thema "Leben am Lebensende" - auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (16/9442). Wer todkrank ist, soll seine letzten Tage gut versorgt zu Hause…
Zwischenruf Wo liegt die Trennlinie zwischen erlaubter und verbotener Sterbehilfe? Die Patientenautonomie am Lebensende wird sich vermutlich nie definieren lassen
Ein Berliner Hospiz: von außen als solches nicht zu erkennen, liegt es doch in Steglitz-Zehlendorf in einer eher verträumten Wohngegend. Am Eingang eine Kerze. Licht in herbstlicher Dunkelheit? Ein Licht auf dem letzten Weg? Endstation jedenfalls für die Menschen, die hier eingeliefert werden - "Austherapierte", wie Mediziner hoffnungslos Fälle nennen. Die Verweildauer der Kranken? Im Schnitt…
Jens SpahN UND PATRICK MEINHARDT CDU/CSU und FDP wollen noch in diesem Jahr über die Neuregelung der Präimplantationsdiagnostik entscheiden. Das Tempo ist in der Koalition umstritten.
Herr Meinhardt, Herr Spahn, Ihre Fraktionen haben beschlossen, dass das Parlament noch in diesem Jahr ohne Fraktionszwang darüber abstimmen soll, ob die Präimplantationsdiagnostik (PID) in Deutschland erlaubt sein soll oder verboten wird. Bei der PID werden im Reagenzglas erzeugte Embryonen auf Krankheiten und Gendefekte hin untersucht. Nötig geworden ist eine Neuregelung, weil der…