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Parlamentarisches Profil : Der Netzwerker: Sebastian Blumenthal

15.11.2010
2023-08-30T11:26:09.7200Z
3 Min

Den Marathon der Sitzungswoche noch in den Knochen sieht er das in der Hitze flimmernde Berlin langsam durch das ICE-Fenster verschwinden, und nach einer Weile hat Sebastian Blumenthal alles abgestreift und strandet schließlich in Kiel, die für ihn gleichzeitig Wahlkreis und Heimat ist.

Dort atmet er die Brise am offenen Meer. "Es ist wichtig zu wissen, wo man hingehört", sagt er rückblickend auf jene Wochenenden im Sommer. Das wusste der heute 35-Jährige, seit 2008 erstmals für die FDP im Bundestag, schon im Alter von 17 Jahren, als er den Jungen Liberalen beitrat. Dass sich langer Atem auszahlen kann, hatte er da bereits gelernt.

Knapp zwei Jahre hatte es gedauert, bevor er im Alter von 14 Jahren 1989 mit seiner Familie aus der DDR ausreisen durfte. Von den Jungen Liberalen folgte später der lange Weg über den Kreis- sowie den Landesverband bis schließlich in den Bundestag. Blumenthal macht nicht viel Wind. Er redet leise, so als horche er nach jedem Satz in sich hinein, um zu prüfen, ob er dem Gedachten wirklich stand hält. Die oft zähen Entscheidungswege im Bundestag und der Zeitaufwand, um zunächst in der eigenen Fraktion eine Beschlusslage zu erreichen, machten ihm anfangs zu schaffen. "Ich war ja nicht ganz neu in der Politik", erinnert er sich, "aber dies hätte ich so nicht erwartet. Da hätte ich mir schon gewünscht, dass manches schneller ginge."

Das erste Problem damals: "Ich hatte am Anfang kein eigenes Büro", sagt Blumenthal. "Ich saß gemeinsam mit meinem Team im Kopierraum und musste mich selbst organisieren." Die Zeit der Gefühlswallungen, als er vor zwei Jahren erstmalig im Plenarsaal saß, war damit vorbei. Pathos liegt ihm ohnehin nicht. Ihn interessieren Fragen wie: Was ist machbar? Wie machen wir es? Wer ist dabei?

Blumenthal versteht sich als Netzwerker im besten Sinne. Nicht nur, weil der gelernte Kommunikationselektroniker, der nach dem Fachabitur sein Diplom für "Multimedia Production" erwarb, im Bundestag den Unterausschuss "Neue Medien" beim Ausschuss für Kultur und Medien leitet und unter anderem in der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" sitzt.

Er verkörpert zudem jenen Nachwuchs im Parlament, den dort mancher gerne als "Generation Facebook" abtut. Manchem älteren Abgeordneten sind die virtuellen Plattformen suspekt, auf denen Jungpolitiker wie Blumenthal mit ihren Wählern chatten, twittern und posten. Gewöhnen müssen sich viele auch an die Selbstverständlichkeit, mit der sich Blumenthal und viele seiner Altersgenossen über Fraktionsgrenzen hinweg vernetzen. "Heute zeichnen sich die Jüngeren vor allem durch großen Pragmatismus aus, und hier und da ist es ideologisch nicht mehr ganz so verbohrt wie früher, sondern sehr lösungsorientiert", sagt Blumenthal.

Er weiß um die gemischten Gefühle, die er damit auslöst. "Es gibt schon auch immer wieder Irritationen bei gestandenen und erfahrenen Kollegen, weil wir sehr schnell von der Idee zur Umsetzung kommen. Das geht einigen zu schnell, weil es früher doch etwas gemächlicher ablief und wir auch manchmal an gewachsenen Entscheidungsstrukturen vorbei agieren." Diskutiert werden bei solchen Treffen mit Abgeordneten aus anderen Fraktionen vor allem Zukunftsthemen, die besonders seine Generation betreffen, etwa Fragen nach der Generationengerechtigkeit oder nach dem künftigen Gestaltungsfreiraum angesichts der wachsenden Staatsverschuldung. Die Botschaft, die Blumenthal damit seinen Wählern vorzuleben versucht: "Nehmt euer Geschick selbst in die Hand, denkt selber, seid kritisch!"

Dabei verzichtet er jedoch auf die Rolle des allwissenden Verkünders; das entspricht nicht seinem Naturell. "Keiner soll von uns erwarten, dass wir den Menschen erklären, was gut oder schlecht ist, sondern dass wir sie ermuntern, Informationen selber kritisch zu reflektieren." Auch an seinen Wochenenden zu Hause am Meer hält er dies so. "Ich fange dann auch nicht an, die anderen zu belehren. Das erspare ich uns." Er muss nicht mehr herausfinden, wo er hingehört.