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»Handschrift der Finanzlobby« beim Anlegerschutz

15.11.2010
2023-08-30T11:26:09.7200Z
3 Min

FINANZEN

Alle Fraktionen sehen Handlungsbedarf, um Geldanleger besser zu schützen. Die Ansichten über den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetzes (17/3628) gingen in einer Sitzung des Finanzausschusses am vergangenen Mittwoch und bei der ersten Lesung am vergangenen Freitag im Bundestag jedoch weit auseinander. Ein Sprecher der Unionsfraktion sagte im Finanzausschuss: "Da muss etwas getan werden. Das sollten wir zügig tun." Er verwies auf die drei Elemente des Gesetzentwurfs: Anleger vor Falschberatung zu schützen, das "Anschleichen" an Unternehmen zwecks Übernahme durch Investoren zu verhindern sowie offene Immobilienfonds vor zu starker Rückgabe von Anteilscheinen zu bewahren. Die FDP-Fraktion verwies darauf, dass die Verhinderung des "Anschleichens" viel mit Anlegerschutz zu tun habe. So hätten am Deutschen Aktien-Index (DAX) orientierte Fonds Probleme damit, bei Übernahmeversuchen entstehende Kursausschläge nachzubilden.

Der Entwurf sieht vor, dass alle Mitarbeiter in der Anlageberatung - Vertriebsverantwortliche und "Compliance-Beauftragte" - künftig bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu registrieren sind. Bei Falschberatung oder fehlender Information über Provisionen darf die BaFin Bußgelder verhängen. Anleger müssen außerdem besser über Finanzprodukte informiert werden. Dazu soll ein "kurzes und leicht verständliches Dokument" dienen.

Die SPD-Fraktion kritisierte, dass der ursprüngliche Entwurf weit mehr Bestimmungen zum Anlegerschutz vorgesehen habe. Diese seien bei den "Beratungen im Vorfeld verloren gegangen". Diese Reduzierung des Anlegerschutzes sei ein "schwerer konzeptioneller Fehler". Die FDP-Fraktion entgegnete, die Tätigkeit als Vermittler von Finanzprodukten solle einheitlich in der Gewerbeordnung geregelt werden. Von der Linksfraktion hieß es, man habe höhere Erwartungen an den Gesetzentwurf gehabt, der jetzt keinerlei Regelungen zu geschlossenen Fonds enthalte. "Der Anlegerschutz trägt die Handschrift der Finanzlobby", kritisierte die Fraktion. Notwendig sei die Schaffung einer Verbraucherschutzbehörde und eines Finanz-TÜV, der jedes Finanzprodukt vor der Zulassung prüfe.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verwies darauf, dass es viele Regelungen zum Anlegerschutz gebe, aber nur geringe Durchsetzungsmöglichkeiten. Vor den Gerichten würden viele Anleger scheitern. Bei diesem Thema sei der Gesetzentwurf eine "große Leerstelle". Die Fraktion vermisste Regelungen für Zertifikate und intransparente Finanzprodukte. Die Unionsfraktion entgegnete, man müsse zwischen "grauen Produkten" und "weißen Produkten", die sehr transparent seien, unterscheiden.

Die Bundesregierung kündigte einen eigenen Gesetzentwurf zum Grauen Kapitalmarkt und zur Aufsicht über Finanzvermittler an. Ein Referentenentwurf solle bis Jahresende vorliegen.

Der Gesetzentwurf sieht außerdem vor, dass nach den massiven Rückgaben von Anteilen an offenen Immobilienfonds durch institutionelle Anleger für neu erworbene Anteile an diesen Fonds künftig eine Mindesthaltefrist von zwei Jahren gelten soll. Daran sollen sich zwei weitere Jahre mit "Halteanreizen" anschließen. Darunter versteht die Regierung, dass ausstiegswillige Anleger im dritten Jahr einen Abschlag von zehn Prozent und im vierten Jahr einen Abschlag von fünf Prozent ihres Anteilwertes hinnehmen müssen. Die Bundesregierung verspricht sich davon eine Stabilisierung bei den offenen Fonds. Auch die Fraktionen sahen Handlungsbedarf in diesem Bereich. Die FDP-Fraktion wies jedoch darauf hin, dass es nicht nur Anleger gebe, die ihre Anteile zurückgeben, sondern auch Anleger, die ihre Anteile halten wollten und mit einer Auflösung der Fondsgesellschaft nicht einverstanden seien.

Der Ausschuss beschloss eine Öffentliche Anhörung zum Anlegerschutzgesetz, die am 1. Dezember stattfinden soll.