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Alles auf Anfang

EUROPA Für die Opposition ist das Thema Euro-Bonds noch nicht vom Tisch

20.12.2010
2023-08-30T11:26:12.7200Z
4 Min

Angela Merkel ist zufrieden. Gemeinsam mit den 26 anderen Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union hat sie am vergangenen Donnerstag "ein Signal für Europa und damit auch für den Euro" gesetzt. So hatte es die Kanzlerin formuliert. Sie hätte auch sagen können: "Mein Signal für Europa". Denn was der Europäische Rat in Brüssel zum Schutz des Euro auf den Weg gebracht hat, entspricht Merkels Forderungen: Zum Schutz der Gemeinschaftswährung soll es ab 2013 einen dauerhaften Rettungsschirm für Krisenländer geben, der die bisherigen Milliardenfonds für Griechenland und andere Euro-Länder ablösen soll. Der Krisenmechanismus soll nur in Gang gesetzt werden, "wenn dies unerlässlich ist, um die Stabilität des Euro als Ganzes zu gewährleisten" - und die betroffenen Länder sich strikte Sparpläne auferlegen, wie Griechenland und Irland dies getan haben.

Festgeschrieben werden soll all das in Artikel 136 des Vertrags von Lissabon. Bislang sieht der ein generelles Verbot der gegenseitigen Schuldenübernahme vor. Genau das wird jetzt entsprechend modifiziert - um im Ernstfall doch Beistand zu erlauben. Der Beschluss muss einstimmig erfolgen. Wenn Deutschland also nicht davon überzeugt ist, dass ein Land ohne Hilfe zusammenbricht, kann es sein Veto einlegen.

Streit um Euro-Bonds

Der grobe Plan steht damit, Details aber fehlen. Wie groß der Fonds künftig sein soll, ob er aufgestockt wird? Bislang unklar. Unter den bisherigen 750 Milliarden Euro, von denen Deutschland für 120 Milliarden Euro bürgt, soll er nicht liegen. Deutschlands Forderung nach einer grundsätzlichen Beteiligung privater Gläubiger ist nicht durchgekommen. Stattdessen sollen sie die finanziellen Lasten "fallweise" mittragen. Was das heißt, ist ebenfalls unklar. Gleiches gilt für das Thema Euro-Bonds. Sie waren nur am Rande Gipfel-Thema. Gerade für die strikte Ablehnung solcher gemeinschaftlicher europäischer Anleihen hatte die Kanzlerin im Vorfeld viel Prügel einstecken müssen. Der Chef der Euro-Gruppe, der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker, hatte Merkels kategorisches Nein gar als "uneuropäische Art" bezeichnet.

Auch in ihrer Regierungserklärung vor dem Gipfel am vergangenen Mittwoch im Bundestag musste sich die Kanzlerin einiges anhören: Der Vorwurf des "Hü und Hott" in der Europapolitik von SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier war da noch die sanfteste Kritik. Jürgen Trittin wählte - wenn auch zögernd - drastischere Worte: Merkel werde in Europa als "teutonisches Sparmonster" wahrgenommen. Mit Blick auf die Euro-Bonds sagte der Vorsitzende der Grünenfraktion: "Sie haben ein sinnvolles Instrument zur Steuerung hin zu mehr Stabilität einfach vom Tisch gewischt. Das ist der Grund, warum Deutschland unter Ihrer Kanzlerschaft, liebe Frau Merkel, mittlerweile so extrem unpopulär in der Europäischen Union ist." Der Euro-Bonds-Vorschlag hätte es verdient, "dass die Regierung ihn prüft", ärgerte sich Trittin. Zumal gemeinsame Anleihen nichts Neues seien. Bereits in den vergangenen Monaten hätte die Europäische Union Ungarn und das Baltikum auf diesem Wege vor dem Staatsbankrott gerettet.

Einen Entschließungsantrag seiner Fraktion (17/4185), in dem sie die Einführung dieser gemeinsamen Anleihen gefordert hatte, lehnte der Bundestag ab. Als mögliche Übergangslösung bezeichnete Gesine Lötzsch, Fraktionsvorsitzende der Linken, die Euro-Bonds. "Eine grundsätzliche Revision des Lissabon-Vertrags ersetzen sie aber nicht." Ein Entschließungsantrag ihrer Fraktion (17/4184), der dies gefordert hatte, wurde wie ein Entschließungsantrag der SPD (17/4183) abgelehnt.

Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier mahnte, dass eine "kleine Vertragsänderung, die niemandem weh tut", nicht dauerhaft helfe: "Wir brauchen ein kräftiges Signal, um die zweifelnden Märkte zu überzeugen", zeigte er sich überzeugt. Er warf der Bundesregierung vor, die jüngsten Signale aus der Europäischen Zentralbank (EZB) zu ignorieren. Die bei der EZB nötige Kapitalerhöhung als Folge des massiven Aufkaufs von Staatsanleihen aus Euro-Ländern sei ein letztes Alarmsignal, "aber dieses Alarmsignal wollen Sie nicht hören", kritisierte Steinmeier: "Wenn die Regierungen in Europa jetzt nicht Entscheidendes bewegen, dann wird die EZB zur Bad Bank in Europa." Es könne jedoch niemand wollen, dass an die EZB schlechte Anleihen ausgelagert würden, argumentierte er.

»Unverantwortlich«

Für die Fraktionsvorsitzende der FDP, Birgit Homburger, war das zu viel: "Dass Sie die EZB mit einer Bad Bank vergleichen, ist unverantwortlich. Sie reden diese Situation erst herbei." Auch Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion, warf Steinmeier vor, die Glaubwürdigkeit der Europäischen Zentralbank mit seinen Äußerungen erst in Zweifel zu ziehen. "Das gefährdet die Entwicklungen in Europa."

Homburger verteidigte die Ablehnung der Euro-Bonds durch die Koalitionsfraktionen. Europa sei keine Transferunion: "Wer für gemeinsame Anleihen eintritt, schafft einen Länderfinanzausgleich auf europäischer Ebene." Neben drohenden Zins-Mehrkosten für Deutschland würden gemeinsame Anleihen den Mitgliedstaaten jeglichen Anreiz nehmen, ihre Haushalte zu sanieren. Das könne und wolle Deutschland nicht zulassen. Auch Merkel hatte kritisiert, "die Vergemeinschaftung der Risiken, wie es zum Beispiel bei Euro-Bonds geschieht, als Lösung erscheinen zu lassen. Dies ist überhaupt keine Lösung".

Offenes Ergebnis

Das letzte Wort dazu ist aber wohl noch nicht gesprochen. Der Präsident des Europaparlaments, Jerzy Buzek, hatte auf dem Gipfel in Brüssel eine "breite Debatte" über die Stabilisierung der Euro-Zone gefordert. Auch gemeinsame Staatsanleihen der Euro-Länder dürften "nicht als mögliches Werkzeug ausgeschlossen" werden. Die "möglichen Vorteile" von Euro-Bonds sollten sorgfältig geprüft werden, heißt es zudem in einer Entschließung der vier größten Fraktionen im EU-Parlament.

Die Europaabgeordneten müssen angehört werden, bevor auf dem nächsten Europäischen Rat im März der formelle Beschluss gefasst werden kann, den Lisssabon-Vertrag zu ändern. Anschließend muss der geänderte Vertragstext von den einzelnen Nationalstaaten ratifiziert werden, damit das dauerhafte Rettungssystem bis Mitte 2013 bereitsteht.