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»Den Spielraum nutzen«

ANNEGRET KRAMP-KARRENBAUER Die designierte saarländische Ministerpräsidentin über ihre politischen Zielvorstellungen.

31.01.2011
2023-08-30T12:16:36.7200Z
5 Min

Die Kontroverse um den anstehenden Wechsel Peter Müllers zum Bundesverfassungsgericht ist zum Topthema geworden. Einerseits wurden Absprachen zwischen Union und SPD in Berlin über Müllers Wahl zum Richter in Karlsruhe nie dementiert. Andererseits schießt man jetzt aus den Reihen der FDP quer. Was halten Sie von dieser Aufregung?

Ich sehe das sehr gelassen. Im Übrigen hat Peter Müller klargestellt, dass der Wechsel nach Karlsruhe für ihn nur eine von mehreren Optionen nach seinem Ausscheiden als Ministerpräsident im Sommer ist. Sollte er sich zu diesem Schritt entschließen, so gibt dies keinen Anlass für Kritik.

Nun führen Kritiker ins Feld, Matadoren aus der ersten politischen Reihe fehle in Karlsruhe die nötige Unabhängigkeit.

Ich erinnere daran, dass Ende der fünfziger Jahre der baden-württembergische Ministerpräsident Gebhard Müller sogar Präsident des Verfassungsgerichts wurde. In Karlsruhe sprachen schon viele Recht, die zuvor ein Ministeramt innehatten, etwa die SPD-Politikerin Jutta Limbach. An der Unabhängigkeit der Ex-Minister sind noch nie Zweifel aufgekommen. Und was für Ressortchefs gilt, sollte auch für Ministerpräsidenten gelten.

Müssen Verfassungsrichter, die zuvor in politischen Ämtern bestimmte Entscheidungen getroffen haben, bei solchen Themen nicht als befangen gelten? Man denke etwa an die Schuldenbremse oder den Länderfinanzausgleich.

Da sehe ich kein Problem. In Karlsruhe dürfte jeder Richter irgendwann mit einem Thema befasst sein, mit dem er vor seiner Amtsübernahme schon einmal zu tun hatte. Das Verfassungsgericht wird unabhängig von seiner Zusammensetzung auch in Zukunft das hohe Gut der Unabhängigkeit wahren.

Ist das Amt der Ministerpräsidentin politisch wirklich attraktiv? Sie haben zehn Jahre lang ein Ministeramt ausgeübt, im Innen-, im Bildungs- und im Sozialressort. Diese Erfahrung müsste Sie doch lehren, dass die landespolitischen Spielräume und die Gestaltungsmöglichkeiten eines Regierungschefs immer kleiner werden.

Es ist stets attraktiv, sich einer verantwortungsvollen Aufgabe stellen zu können. Mit Sachzwängen und engen Spielräumen musste man sich schon immer herumschlagen. In den achtziger und neunziger Jahren hat zum Beispiel die Montankrise die Gestaltungsmöglichkeit jeder Saar-Regierung erheblich eingeschränkt. Da darf man nicht in Fatalismus verfallen. Meine Devise lautet: vorhandene Spielräume nutzen und sich neue erkämpfen.

An der Saar rangieren Sie unter den Politikern an der Spitze der Beliebtheitsskala. Bundesweit sind Sie indes kaum bekannt. Wie wollen Sie sich profilieren?

Für mich ist Profilierung kein Selbstzweck. Auf Bundesebene geht es für mich darum, Verbündete mit Blick auf das Saarland zu gewinnen. Dabei kann es natürlich auch durchaus notwendig sein, die Linie der eigenen Partei zu kritisieren - aber um der politischen Substanz wegen und nicht wegen einer dicken Schlagzeile. Lieber eine Schlagzeile weniger und dafür einen Erfolg mehr in der Sache.

Familien- und sozialpolitisch liegen Sie auf der Linie von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Sind in diesem politischen Sinne von Ihnen Initiativen auf Bundeseben zu erwarten?

In der Tat stütze ich diesen wesentlich durch Ursula von der Leyen geprägten Kurs der Bundesregierung, die auf richtigen Gleisen im richtigen Tempo fährt. Initiativen sind dann zu ergreifen, wenn Denkanstöße aus den Reihen des Bundesrats nötig sein sollten. Ein Hauptaugenmerk auch in Berlin werde ich auf die Schaffung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen richten, die jungen Frauen und Männern die Verwirklichung von Kinderwünschen ermöglichen. Dazu gehört auch, Wirtschaft und Arbeitswelt familienfreundlicher zu gestalten.

Das Saarland wehrt sich wie andere Nehmerländer gegen die von Baden-Württemberg, Bayern und Hessen angedrohte Verfassungsklage, die beim Finanzausgleich Erleichterungen für die drei Hauptzahler zu Lasten der Empfänger durchsetzen wollen. Können Sie diesem Druck aus dem Süden standhalten?

Wir haben die besseren Argumente. Die drei Länder haben das gegenwärtige System des Finanzausgleichs, das bis 2019 läuft, mit ausgehandelt. Das Verfassungsgericht hat dem Saarland eine unverschuldete Haushaltsnotlage attestiert. Wir setzen Sparauflagen konsequent um. In Verbindung mit der guten wirtschaftlichen Entwicklung an der Saar führt dies dazu, dass wir immer weniger Geld aus dem Ausgleichstopf benötigen. Der Finanzausgleich gehört zu den Bedingungen der Schuldenbremse. Sollten die drei Länder tatsächlich nach Karlsruhe ziehen, werden wir zusammen mit anderen Ländern juristische Schritte prüfen.

Innerhalb des Spektrums der Bundespartei stand die Saar-CDU bislang links der Mitte. Wir wird es unter Ihnen als Parteivorsitzender aussehen?

Wir stehen in einer starken christlich-sozialen Tradition. An dieser grundsätzlichen Ausrichtung des Landesverbands wird sich nichts ändern.

Die Opposition kritisiert, dass Müller als Ministerpräsident bis zum Sommer nun als Auslauf- und Übergangsmodell gelte, während Sie in Wartestellung ausharren müssen. Eine unerquickliche Situation, oder?

Keineswegs. Die Regierung Müller ist voll handlungsfähig. Auch ich werde konsequent meine Arbeit als Ministerin erfüllen, da gibt es noch viel zu tun, etwa die Erstellung eines Aktionsplans zur Bekämpfung der Kinderarmut. Auch die Neuregelung der Jobcenter steht für mich noch an, ein anderes Beispiel. Der Masterplan Energie, die Krankenhausreform und die Neuordnung der Schulstruktur markieren bis zum Sommer die Hauptaufgaben des Kabinetts Müller.

Trotz der Prominenz Müllers büßte die CDU bei der Landtagswahl 2009 satte 13 Prozent ein. Wie wollen Sie diesen Negativtrend umkehren?

Die Union hat sich in allen Landtagswahlkämpfen des Jahres 2009 in einer schwierigen Lage befunden und Verluste in ähnlicher Größenordnung wie an der Saar erlitten. Aufgabe ist die Lösung der anstehenden Fragen im Land und nicht die Festlegung einer Wahltaktik für das Jahr 2014.

Jamaika scheint durch den Wechsel an der Spitze nicht gefährdet, FDP und Grüne wollen Sie mittragen. Hat die Einigkeit vielleicht aber auch damit zu tun, dass bei Neuwahlen SPD und Linke die Mehrheit erringen könnten?

Es fällt auf, dass in der jetzigen Situation nicht einmal die Opposition Neuwahlen fordert, SPD und Linke sind sich einer Mehrheit wohl nicht sicher. Anders als in Hamburg, wo Schwarz-Grün nach Ole von Beusts Abgang zerbrach, hängt unser Dreierbündnis nicht von einigen wenigen Personen ab, die Koalition an der Saar fußt vielmehr auf einem breiten Netzwerk.

Anfangs wurde Jamaika als innovatives Modell mit bundespolitischer Ausstrahlung gefeiert. Inzwischen scheint aber doch etwas die Luft raus zu sein. So wurde aus der fünfjährigen Grundschule nichts, auch die Gemeinschaftsschule steht auf der Kippe. Lässt sich die Koalition inhaltlich noch rechtfertigen?

Wir haben in einem sorgsam erarbeiteten Koalitionsvertrag unsere Ziele und Aufgaben festgelegt, an deren Umsetzung wir weiter konsequent arbeiten werden. Zum Beispiel in der Energie- oder Bildungspolitik.