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Das Problem mit der Bildung

SCHULDEBATTE Der soziale Status bleibt Schlüssel für den Erfolg. Fraktionen ringen um den richtigen Weg

31.01.2011
2023-08-30T12:16:36.7200Z
4 Min

Knapp 340 Seiten dick ist er -der Nationale Bildungsbericht 2010. Kein Wunder, dass da für jeden etwas dabei ist: positive Aussagen, über die sich Union und FDP freuen, wie etwa die überplanmäßige Steigerung der Zahlen an Studienanfängern. Aber auch Kritikpunkte, an denen sich die Opposition abarbeiten kann. Zuvörderst zu nennen, ist hier die Feststellung, wie es in dem Bericht heißt, dass "Bildungswege sich vor allem nach Geschlecht, sozialer Herkunft und Migrationsstatus entscheiden."

Während der Debatte am Donnerstag fielen aber auch noch weitere Schlüsselworte wie Bildungsgipfel, Kooperationsverbot oder auch Bildungspaket. Darüber entspann sich zu Beginn ein Streit zwischen Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) und Thüringens Kultusminister Christoph Matschie (SPD), die sich gegenseitig "Blockadehaltung" in dieser Frage vorwarfen. Schavan sagte, es sei "erstaunlich", dass die damalige rot-grüne Bundesregierung bei der Festlegung von Hartz-IV-Regelsätzen "Bildung schlicht vergessen hat". Ihre Forderung in Richtung SPD lautete: "Hören Sie auf zu blockieren, wenn wir das korrigieren wollen."

Bundesverantwortung

Die derzeit im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat verlaufenden Gespräche im Rahmen der Hartz-IV-Verhandlungen kommen in der Tat nur schleppend voran. Schuld daran ist aus Matschies Sicht aber eher Bundessozialministerin Ursula von der Leyen (CDU). Die von ihr geplanten Bildungsgutscheine seien "lebensfremd", kritisierte er vor dem Bundestag. "Mit einer Chipkarte wird keinem einzigen Kind geholfen", so Matschie. Statt eine Milliarde Euro in lokale Bildungsbündnisse zu investieren hätte die Bundesregierung mit dem Geld besser für eine ausreichende Anzahl von Sozialarbeitern in den Schulen sorgen sollen. Angesichts sinkender Einnahmen für Länder und Kommunen, forderte er, eine stärkere Unterstützung der Länder bei der Bildungsfinanzierung durch den Bund.

"Kooperationsverbot lockern"

Dass der Bund für Sozialarbeiter an den Schulen sorgen soll, sei eine gute Idee, fand auch Gregor Gysi, Vorsitzender der Linksfraktion. Allein das Grundgesetz erlaube das nicht mehr. "Diese Grundgesetzänderung war nur mit der SPD möglich", sagte er und urteilte: "Das Kooperationsverbot war völlig falsch." Möglicherweise steht aber auch eine Lockerung des durch die Föderalismusreform beschlossenen Kooperationsverbotes zwischen Bund und Ländern ins Haus. Grünen-Bildungsexpertin Priska Hinz zeigte sich zuversichtlich. Sie habe mit Freude vernommen, dass auch die Union an einer Lockerung des Verbotes interessiert sei. "Nun sollten wir uns gemeinsam an die Arbeit machen", forderte sie ihre Kollegen auf. Landesminister Matschie wies ihr gleich eine Hausaufgabe zu: "Tragen sie dazu bei, dass die SPD-Ministerpräsidenten das unterstützen und bereit sind, das Grundgesetz in diesem Punkt wieder zu ändern."

Kritik an SPD

Einen kleinen Dämpfer erhielten ihre Hoffnungen jedoch durch den FDP-Bildungspolitiker Patrick Meinhardt. Es sei zwar richtig, zu überlegen, auf welchem Wege den Ländern geholfen werden könne, sagte er. Gleichzeitig dürfe es nicht sei, "dass der Bund in Investitionen hineingeht und Länder wie Nordrhein-Westfalen dann sagen: Wir schaffen die Studiengebühren ab". Patrick Meinhardt machte zudem die SPD-regierten Bundesländer für das Scheitern des Bildungsgipfels 2010 verantwortlich. Ein solcher Gipfel könne nur Erfolg haben, "wenn Bund und Länder bereit sind aufeinander zuzugehen und nicht gegenseitig Blockaden aufbauen", sagte Meinhardt.

Neuer Gipfel gefordert

Matschies meinte hingegen, der Bildungsgipfel sei gescheitert, weil die Bundesregierung nicht bereit gewesen sei, die Länder in ihrer Kernaufgabe zu unterstützen. Nun werde ein neuer Gipfel gebraucht. "Einer, der ehrliche Antworten gibt, auf Finanzierungsfragen und auf die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern." Julia Klöckner (CDU) zweifelte am Willen der SPD-Länder, eine Lösung zu finden. Es werde nur "in Schallgeschwindigkeit mit dem Finger nach Berlin gezeigt", sagte sie. Wer Bildungspakete und -gipfel blockiere, dem gehe es um "politische Muskelspiele" und nicht um die Sache..

Streit um BAföG

Auf die eingangs erwähnten positiven Aussagen im Bildungsbericht ging schließlich der Unionsabgeordnete Marcus Weinberg ein. Durch die BAföG-Erhöhung und das Nationale Stipendienprogramm sei es gelungen, die Studienanfängerquote auf 43 Prozent zu erhöhen - drei Prozent mehr als vorgesehen. Dem wollte der SPD-Bildungsexperte Swen Schulz nicht widersprechen. Gleichwohl, so Schulz, sage der Bericht auch, dass es eine "soziale Selektivität beim Übergang in die Hochschule" gebe. Grund seien "Finanzierungsprobleme". Daher wolle seine Fraktion das BAföG deutlich ausweiten, statt Stipendien aufzulegen, die keine verlässlichen finanziellen Rahmenbedingungen brächten. "Mit Stipendien locken Sie niemanden, der finanzielle Probleme hat, an die Hochschule", sagte Schulz.

Gysi mahnt Kita-Ausbau an

Das "alles überragende Thema bei den Problemlagen", wie es Bildungsministerin Schavan formulierte, bleibe aber, dass der soziale Status nach wie vor entscheidenden Einfluss auf den Bildungserfolg habe. Die "Entkopplung von sozialer Herkunft und schulischer Leistung und die Überwindung der Bildungsarmut" müsse das große Thema sein, mahnte Schavan. Genau auf diese Frage gebe der Bericht jedoch keine Antwort, kritisierte Gregor Gysi. Das System der sozialen Benachteiligung beginne schon in der Kita und setze sich "bis zum Ende des Lebens fort".

Gysi forderte den verstärkten Ausbau von Kindertagesstätten in den alten Bundesländern mindestens bis zu dem Umfang, den es in den neuen Ländern schon gebe. In dieser Frage tue die Bundesregierung zu wenig, kritisierte auch SPD-Mann Schulz. Das anvisierte Ziel, von 2013 an Betreuungsplätze für 35 Prozent der unter dreijährigen Kinder zur Verfügung stellen zu können, sei kaum noch zu erreichen, schätzte er ein. Das einzige, worauf die Bundesregierung besonderen Wert lege, sei das Betreuungsgeld, das Eltern gezahlt werden solle, die ihre Kinder nicht in eine Bildungseinrichtung schicken würden. "Das ist der falsche Weg", sagte Schulz.