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Doppeltes Spiel in Islamabad

AFGHANISTAN Ahmed Rashid über die Verbindungen zwischen Taliban und Pakistan

14.02.2011
2023-08-30T12:16:37.7200Z
3 Min

Erst nach einem rund achtjährigen militärischen Einsatz in Afghanistan gaben Isaf, USA und Nato öffentlich zu, dass der Schlüssel für die Lösung des afghanischen Bürgerkriegs in Pakistan liegt. Die US-Regierung, die über den pakistanischen Einfluss auf die Taliban längst Bescheid wusste, hatte Präsident Pervez Muscharraf jedoch nicht öffentlich unter Druck setzen wollen. Schließlich galt er als "Verbündeter im Kampf gegen den Terrorismus".

Doch während sich die Regierung in Islamabad in dieser Rolle sonnte, organisierte Pakistans militärischer Geheimdienst ISI die Rückkehr des islamistischen Widerstands gegen die Isaf nach Afghanistan, weis der bestens informierte Journalist Ahmed Rashid in seinem lesenswerten Buch zu berichten. Bis heute können die afghanischen Taliban ungestört vom pakistanischen Quetta aus - unter dem direktem Schutz des ISI -den militärischen Aufstand am Hindukusch gegen die internationale Staatengemeinschaft steuern.

Besonders aufschlussreich sind Rashids Analysen der militärisch-politischen Auseinandersetzung im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet. Sowohl der Isaf als auch der Nato bescheinigt er, die politische Lage in Pakistan völlig falsch einzuschätzen. Der Autor macht deutlich, wie es Präsident Muscharraf über Jahre hinweg gelingen konnte, die USA mit dem Hinweis zu erpressen, nach seinem Sturz kämen auch in Pakistan die radikalen Taliban an die Macht und damit in den Besitz von Atomwaffen. Deshalb müssten USA und Nato auf Kritik an seiner Politik verzichten und ihn weiter finanziell unterstützen. Tatsächlich führte Muscharrafs Innenpolitik der stillschweigenden Tolerierung des Islamismus zur Stärkung der pakistanischen Taliban: Sie schreckten auch nicht davor zurück, gegen den Präsidenten vorzugehen und das Land so in eine tiefe Krise zu stürzen.

Kooperation mit China

Rashid betont, dass die Taliban für die Machthaber in Islamabad nur ein Werkzeug seien im Kampf gegen Indien und dessen regionalen Einfluss. Im Rahmen dieser Auseinandersetzung kommt Afghanistan die Rolle eines strategischen Rückzugsraumes zu. Darüber hinaus will Pakistan verhindern, dass es Indien über einen verbündeten Brückenstaat Afghanistan gelingt, Zugang zum ressourcenreichen Zentralasien zu bekommen. In diesem wichtigen geopolitischen Streit stärkt China Pakistans Position gegen Indien, indem Peking Islamabad beispielsweise mit Atomwaffentechnologien beliefert. Die dazu gehörende Raketentechnologie erhielt Pakistan aus Nordkorea, wie Rashid nicht vergisst hinzuzufügen.

Ausführlich berichtet der Autor über die militärische Entwicklung in Afghanistan und zitiert aus geheimen Dokumenten der Nachrichtendienste der Nato. Gespräche mit hochrangigen Politikern und Militärangehörigen aus den USA und Europa ergänzen die informative Studie. Neben seiner Analyse der sicherheitspolitischen Lage in der Region beschreibt Rashid detailliert die Politik des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai, mit dem er seit Jahren persönlich befreundet ist. Das hindert den Journalisten aber nicht daran, ungeschönt dessen Fehler zu benennen. Die Tatsache, dass Karsai keine politischen Parteien zu den Parlamentswahlen zuließ, bewertet Rashid als Haupthindernis für die Demokratisierung des Landes. Die Korruption in Karsais Regierung, seine Kooperation mit den Warlords, die Tolerierung des Drogenanbaus und die Verwicklung seines Bruders in Drogengeschäfte werden vom Autor ebenfalls nicht verheimlicht.

Gleichwohl vermag Rashids Fazit am Ende nicht zu überzeugen: Die Aufständischen könnten besiegt werden, wenn sich die Nato nicht aus Afghanistan zurückziehe und wenn noch mehr Entwicklungshilfe geleistet werde. Die Antwort auf die Frage, warum die Afghanen nicht entschlossener als bisher ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen und für Stabilität im Land sorgen, bleibt er schuldig.

Ahmed Rashid:

Sturz ins Chaos. Afghanistan, Pakistan und die Rückkehr der Taliban.

Edition Weltkiosk, Berlin 2010; 340 S., 19,90 €