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Hindukusch statt Mittelmeer

LIBYEN Der Konflikt in dem nordafrikanischen Land dauert an. Deutschland hilft in Afghanistan aus

28.03.2011
2023-08-30T12:16:40.7200Z
3 Min

Deutschlands engste Verbündete fliegen weiter Angriffe auf Libyen - ohne Beteiligung der Bundesrepublik. Derweil debattiert der Bundestag über eine Erweiterung des Bundeswehreinsatzes am Hindukusch. Kein Wunder, dass sich Außenminister Guido Westerwelle (FDP) in der Aussprache über die neue Awacs-Mission der Luftwaffe am vergangenen Freitag gegen den Vorwurf verwahren musste, Deutschland betreibe - drei Tage vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz - eine Art Kompensationsgeschäft. "Angemessen" und "richtig" sei der Einsatz der Aufklärungsflugzeuge über Afghanistan im Rahmen der Internationalen Schutztruppe (Isaf), versicherte Berlins Chefdiplomat.

Bodenoperationen unterstützen

Den Antrag der Bundesregierung, die Aufklärungsflugzeuge am Hindukusch einzusetzen (17/5190), nahm der Bundestag mit 407 Ja-Stimmen bei 113 Nein-Stimmen und 33 Enthaltungen an. Bis zu 300 Soldaten sollen demnach zum Einsatz kommen. Zu den Aufgaben der Awacs-Aufklärer gehört die Koordinierung des Luftverkehrs von militärischen und zivilen Flugzeugen im afghanischen Luftraum. Zudem sollen sie Bodenoperation der Isaf unterstützen. Der Einsatz ist zunächst bis zum bis 31. Januar 2012 befristet. Die Kosten beziffert die Regierung auf rund 8,8 Millionen Euro.

Westerwelles Vorgänger im Auswärtigen Amt, SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, warf der Regierung in der Debatte vor, drei Tage vor den Landtagswahlen "wie Zieten aus dem Busch" zu kommen und ihren Antrag zu präsentieren. Dabei erfordere nicht die Lage in Afghanistan die Verlegung der Aufklärungsflugzeuge zum gegenwärtigen Zeitpunkt, auch nicht die Bedrohungslage in Deutschland und ebenso wenig die neuen Anforderungen an die Nato. Vielmehr erfolge sie, weil der Bundesregierung "das Wasser bis zum Halse steht".

Steinmeier monierte in diesem Zusammenhang eine Missachtung des Parlaments. Kein Geringerer als Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) habe der Regierung dies "in das Stammbuch" geschrieben. Gleichwohl werde die SPD-Fraktion dem Antrag zustimmen.

Der CDU-Verteidigungsexperte Ernst-Reinhard Beck sagte, das Awacs-Mandat sei "wichtig, ist richtig und zum gegenwärtigen Zeitpunkt notwendig". Er wies darauf hin, dass die deutschen Partner in Libyen ihre Awacs-Maschinen brauchten. Die Deutschen sprängen im Gegenzug in Afghanistan ein. Diese Entscheidung sei ein Stück "gelebte Bündnissolidarität". Afghanistan verfüge noch nicht über die Mittel, den Luftraum selber zu überwachen. Den Vorwurf, es handele sich um ein "Ablenkungsmanöver", wies Beck zurück. Es gebe kein Junktim zwischen dem Einsatz in Afghanistan und der Operation in Libyen. Die Position der Bundesregierung im Libyen-Krieg sei stets klar gewesen: wirtschaftlicher und dipomatischer Druck ja, militärisches Eingreifen nein. Von einem deutschen "Sonderweg" zu sprechen, sei abwegig.

Jan van Aken (Die Linke) bezeichnete die Ausweitung des Afghanistan-Einsatzes als falsches Signal. Gegenteilige Bemerkungen etwa von Westerwelle, es erhöhe die Sicherheit des Landes, träfen nicht zu. Was für Afghanistan gelte, treffe auch auf Libyen zu. Flächendeckendes Bombardement sei der falsche Weg. Besser sei es, mit den Waffenexporten aufzuhören.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin begründete sein "Nein" zum Regierungsantrag damit, dass das Mandat die Unterstützung der Bodenkräfte vorsehe. Das könne er nicht mittragen. Er hielt der Koalition vor, sie wolle mit dem Mandat den eingetretenen "bündnispolitischen Scherbenhaufen" kitten. Das Gebot der Stunde heiße aber Hilfe für die Flüchtlinge, Waffenembargo und Stopp der Öllieferungen.

Bereits am Donnerstag hatte das Parlament einen Antrag der Koalitionsfraktionen (17/5193) zu Nordafrika angenommen. In ihm heißt es, für die Eskalation in Libyen trage die dortige Führung die "volle Verantwortung". Der Machthaber des Landes, Muammar Al-Gaddafi, habe dem libyschen Volk den Krieg erklärt und sich nach glaubwürdigen Berichten schlimmer Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht. Die libysche Führung müsse abtreten und für ihr Handeln zur Rechenschaft gezogen werden.

Mehrere Oppositionsvorlagen wies der Bundestag dagegen zurück: Die SPD hatte gefordert, den Reformprozess in Nordafrika und Nahost umfassend zu fördern (17/4849, 17/5146). "Libyen-Krieg sofort beenden" lautete der Titel des Antrags der Linksfraktion (17/5173). Das militärische Eingreifen in dem Land sei "politisch falsch, moralisch unglaubwürdig und völkerrechtlich bedenklich". Die Linke scheiterte auch mit der Forderung, die "deutsche Unterstützung von Diktatoren" sei zu beenden (17/4671, 17/5147). Außerdem hatte sie einen Stopp der Überwachung des libyschen Luftraums durch Awacs-Flugzeuge (17/5176) gefordert und eine Beachtung des Parlamentsbeteiligungsgesetzes (17/5175).

Die Grünen hatten einen Antrag (17/5192) vorgelegt, in dem sie forderten, Gaddafi wegen "offenkundigen und systematischen Menschenrechtsverletzungen" zu verurteilen.