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Der maritime Motor stottert noch

WIRTSCHAFT Nach der Krise ist in Deutschland nur noch Spezialschiffbau möglich

16.05.2011
2023-08-30T12:16:43.7200Z
4 Min

Seemannsleben, Hafenkonzerte und Windjammerparaden: Diese romantischen Bilder aus der maritimen Welt sind längst Geschichte. In der durch die Wirtschaftskrise schwer gebeutelten Branche mit mehr als 380.000 Beschäftigten, die für ein jährliches Umsatzvolumen von 50 Milliarden Euro sorgen, herrscht knallharter Wettbewerb. Krisensymptome sind weiter sichtbar. So wies der SPD-Wirtschaftsexperte Garrelt Duin in der Debatte über die Lage der maritimen Wirtschaft am Freitag im Bundestag darauf hin, dass sich die Fischereiwirtschaft in Schwierigkeiten befinde und Hilfe brauche.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Hans-Joachim Otto (FDP), zeichnete dagegen in der Debatte über den Zweiten Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung und Zukunftsperspektiven der maritimen Wirtschaft in Deutschland (17/5572) ein schöneres Bild der Branche. Die schwarz-gelbe Bundesregierung habe die Förderung von Forschung und Entwicklung im Schiffbau um 30 Prozent erhöht. In der mittelfristigen Finanzplanung sei eine Erhöhung um 50 Prozent vorgesehen. Innovationshilfen seien optimiert worden. Die konjunkturellen Rahmenbedingungen würden stimmen. An weiteren Verbesserungen der Rahmenbedingungen für die maritime Wirtschaft müsse aber gearbeitet werden, empfahl Otto mit Blick auf die in Kürze stattfindende maritime Konferenz in Wilhelmshaven.

Wachstumsmotor

Dagegen verwies Uwe Beckmeyer (SPD) auf die in jüngster Zeit gewachsenen Sorgen der Branche. Es gehe dabei nicht nur um die Küstenregion. 40 Prozent des Umsatzes würden aus küstenfernen Regionen kommen. "Wir haben es hier mit einem Wachstumsmotor besonderer Güte zu tun", sagte Beckmeyer, der der Bundesregierung Versäumnisse vorwarf und von einer "äußerst beunruhigenden Situation" sprach. Die Bundesregierung habe die Haushaltsmittel in der Schifffahrtsförderung halbiert, so dass bereits in diesem Jahr die Mittel für das zugesagte Volumen nicht mehr ausreichen würden. Die Regierung sei dabei, das auf der maritimen Konferenz in Emden geschlossene "maritime Bündnis" aufzukündigen. Was die Bundesregierung als ihren Erfolg verkaufe, sei in Wirklichkeit ein Erfolg der Branche, die sich um Aufträge gekümmert habe, sagte Beckmeyer zu den wieder wachsenden Auftragsbeständen.

Beckmeyers Vorhaltungen stießen auf Widerspruch bei der CDU/CSU-Fraktion. Deren Wirtschaftsexperte Eckhardt Rehberg erklärte: "Die Politik hat gehandelt." Nach dem Auftragseinbruch durch die Wirtschaftskrise seien von den 13 Milliarden Euro des Deutschlandfonds 1,3 Milliarden Euro in die maritime Wirtschaft geflossen. Mit Unterstützung der staatlichen KFW-Gruppe seien 19 Schiffsbauten ausländischer Reedereien auf deutschen Werften in Auftrag gegeben worden. "Der Bund wird hier seiner Verantwortung gerecht." Dagegen habe die SPD abgelehnt, dass mit Hilfe deutscher Steuergelder Schiffe auf deutschen Werften gebaut würden, sagte Rehberg mit Blick auf einen Fährschiff-Auftrag aus Indonesien, den die Sozialdemokraten abgelehnt hätten.

Dass die maritime Wirtschaft nicht nur für die Küstenländer wichtig sei, bestätigte Dietmar Bartsch von der Linksfraktion. Aber entgegen der Behauptungen von Otto und der Bundesregierung sei dieser Wirtschaftszweig weiter in der Krise. "Eigentlich befinden wir uns in einer permanenten Krise", sagte Bartsch. Von der Regierung habe es nur Ankündigungen gegeben. Die Zahl der Werftbeschäftigten in Mecklenburg-Vorpommern habe 1990 30.500 Personen betragen. Heute seien noch 2.700 Menschen auf den vier größten Werften beschäftigt, sagte Bartsch zu den Erklärungen der Bundesregierung, es sei gelungen, den Kernbestand der Werftindustrie in Mecklenburg-Vorpommern zu erhalten. Die Kürzung der Haushaltsmittel bezeichnete Bartsch als Fehlentscheidung.

Schöne Bekentnisse

Ein Exportland wie Deutschland sei auf die maritime Wirtschaft angewiesen, stellte Valerie Wilms (Bündnis 90/Die Grünen) fest. Die schönen Bekenntnisse der Koalition würden aber nicht ausreichen, denn die Zielsetzung fehle. Es gebe Ankündigungen, aber bei der Umsetzung werde nur laviert, so dass niemand wisse, wofür die Koalition eigentlich stehe. "Die einzige Linie, die erkennbar bleibt, ist die standhafte Weigerung, eine umweltfreundliche und klimaschonende Schifffahrt Realität werden zu lassen", kritisierte Wilms. So forderte sie eine Umstellung auf umweltfreundlichere Treibstoffe: "Die fahrenden Müllverbrennungsanlagen auf See müssen endlich abgelöst werden." Die Koalition wisse jedoch offenbar nicht, was sie wolle, schaffe damit Unsicherheit für die maritime Wirtschaft und verhindere Investitionen.

In dem Bericht der Bundesregierung wird die Lage der deutschen Werften auch nach der Wirtschafts- und Finanzkrise als angespannt dargestellt. Bei den deutschen Werften seien die Auftragseingänge 2009 um 90 Prozent im Vergleich zum Boomjahr 2007 gesunken. 2008 und 2009 seien 60 bestellte und teilweise schon im Bau befindliche Schiffsbauten mit einem Auftragswert von 2,2 Milliarden Euro storniert worden. "Zwar wurde in 2010 mit der Aquirierung von Neubauaufträgen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro (22 Schiffe) ein Ergebnis erreicht, das deutlich über dem historischen Tiefstand des Jahres 2009 mit Neubauaufträgen im Wert von nur 0,5 Milliarden Euro (20 Schiffe) lag. Die Auftragseingänge waren aber auch 2010 weit geringer als die Neubauablieferungen (4,6 Milliarden Euro), so dass die Auftragspolster der Werften weiter abnahmen", schreibt die Bundesregierung und verweist darauf, dass diese Auftragsbestände von 9,6 Milliarden Euro (Ende 2009) auf 7,4 Milliarden Euro zurückgegangen seien. Die Verringerung habe zu einem "kritischen Niveau" geführt.

Von den Auftragseinbrüchen seien Werften, die sich vor allem auf den Containerschiffbau konzentriert hätten, am stärksten betroffen gewesen. Sie hätten strukturelle Anpassungen vornehmen müssen, schreibt die Regierung. Als Ergebnis sei es selbst traditionsreichen Containerschiffswerften gelungen, neue Aufträge für den Bau beispielsweise von Windpark-Errichterschiffen und Arctic-Spezialschiffen einzuwerben.

Als Lehre aus der Krise würden die deutschen Unternehmen ihre schiffbauliche Forschung mit dem Ziel der stärkeren Positionierung in den Hightech-Segmenten des Passagier-, Fähren- und Spezialschiffbaus intensivieren.