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Im Wissen um den Stammtisch

DIÄTEN Abgeordnetenentschädigung und staatliche Parteienfinanzierung steigen

11.07.2011
2023-08-30T12:16:46.7200Z
4 Min

Das Thema ist ein bisschen heikel, lässt sich doch damit an den Stammtischen im Lande gut Stimmung machen gegen "die da in Berlin", gegen Parteien und Parlamentarier. Das war am Donnerstag vergangener Woche auch der Bundestagsdebatte anzumerken, nach der die Abgeordneten sowohl eine Erhöhung ihrer Diäten als auch eine Anhebung der Obergrenze der staatlichen Parteienfinanzierung

beschlossen. Alle seien sich bewusst, dass die Diätenerhöhung ein sensibles Thema sei, sagte etwa der CDU-Abgeordnete Bernhard Kaster. Sein FDP-Kollege Stefan Ruppert verwies darauf, dass man sich als Abgeordneter gut überlegen müsse, was man einer breiten Öffentlichkeit zu diesem Thema sagt. Und der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck, betonte, letztendlich werde jeder zusätzliche Cent für die Parteien von der Öffentlichkeit kritisiert nach dem Motto, dass die jetzt schon wieder mehr Geld bekämen.

Beschlossen hat das Parlament die Anhebungen gleichwohl. Dafür stimmten die CDU/CSU-, die SPD-, die FDP- und die Grünen-Fraktion, bei der sich ihr Abgeordneter Christian Ströbele enthielt, während die Linksfraktion dagegen votierte. Damit wird die Abgeordnetenentschädigung Anfang 2012 und Anfang 2013 um je 292 Euro auf schließlich 8.252 Euro steigen. Zugleich wird das Gesamtvolumen staatlicher Mittel, das allen Parteien höchstens ausgezahlt wird, von 133 Millionen Euro für das laufende Jahr auf 141,9 Millionen Euro und für 2012 auf 150,8 Millionen Euro angehoben. Ab 2013 soll eine "jährliche Anpassung entsprechend dem bereits bislang geltenden Index" erfolgen.

In ihrem gemeinsam vorgelegten Gesetzentwurf (17/6291) verweisen die Fraktionen von Union, SPD, FDP und Grünen darauf, dass sich die Höhe der Abgeordnetenentschädigung nach geltendem Recht an den Gehältern von gewählten hauptamtlichen Bürgermeistern und Oberbürgermeistern mittlerer Kommunen sowie von Richtern an Obersten Bundesgerichten orientiert. Die Entschädigung sei jedoch stets hinter diesen Orientierungsgrößen zurückgeblieben. Mehrfach sei auf Diätenerhöhungen verzichtet worden. Nun solle eine Kommission Empfehlungen für ein Verfahren zur künftigen Anpassung der Entschädigung der Abgeordneten und künftigen Regelung ihrer Altersversorgung erarbeiten.

Einig bei Parteienfinanzierung

Zur Änderung des Parteiengesetzes heißt es in der Vorlage, neun Jahre nach der letzten Anpassung der absoluten Obergrenze an die Preisentwicklung sei es geboten, sie "an die Entwicklung des Preisindexes für die parteitypischen Ausgaben" anzupassen. Diesem Teil des Gesetzentwurfes hätte auch die Linksfraktion zustimmen können, sagte ihr Abgeordneter Raju Sharma. Nach der Verfassung hätten die Parteien die Aufgabe, bei der politischen Willensbildung des Volks mitzuwirken, und dafür brauche man eine solide Form der Parteienfinanzierung. Neben Mitglieds- und Mandatsträgerbeiträgen sowie Spenden brauche man die staatliche Teilfinanzierung, weshalb auch deren Erhöhung wichtig sei.

Kaster verwies darauf, dass die Anforderungen und Aufgaben der Parteien sich seit der letzten Anpassung vergrößert hätten und man nun mit der Erhöhung der Obergrenze einen maßvollen Schritt mache. Ähnlich äußerte sich der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz. Indem der Bundestag die staatliche Parteienfinanzierung neun Jahre lang nicht verändert habe, habe er dazu beigetragen, dass sich die strukturellen Arbeitsbedingungen für die Parteien eher verschlechtert hätten. Ruppert argumentierte, wer diese Anhebung nicht wolle, müsse irgendwann sagen, welche alternative Parteienfinanzierung oder welche alternative demokratische Organisationsform er sich vorstelle. Beck betonte, die Bürger erwarteten von den Parteien, dass sie ihnen ihre Konzepte erklären und sagen, mit welchen Ideen sie konkurrieren.

Maßvoll fand Kaster auch die Diätenerhöhung. Über einen Zeitraum von drei Jahren habe es faktisch keine Diätenanhebung gegeben, sagte er. Mit der jetzigen Erhöhung werde das Parlament einerseits der Vorgabe des Grundgesetzes hinsichtlich einer angemessenen und die Unabhängigkeit der Abgeordneten sichernden Entschädigung und andererseits den Erwartungen der Bürger in Bezug auf Vernunft und Augenmaß durchaus gerecht.

Wiefelspütz verwies darauf, dass die Anhebung bezogen auf vier Jahre eine Erhöhung des Bruttogehalts der Parlamentarier um knapp zwei Prozent bedeute. Das sei ausgewogen und angemessen. Die Abgeordneten wollten an der Einkommensentwicklung des Volkes teilhaben.

Ruppert betonte, die Erhöhung sichere auch, dass die Parlamentarier nicht auf die Idee kommen, sich vielleicht noch in zu vielen anderen Tätigkeiten zu ergehen. Ihm werde oft gesagt, dass man sich den Typus eines unabhängigen Politikers wünsche, der zuvor in einem anderen beruflichen Arbeitsfeld Erfahrungen gesammelt hat und der jederzeit bereit und in der Lage ist, in dieses Arbeitsfeld zurückzukehren. Diesen Politikertypus müsse man auch adäquat bezahlen: nicht zu gut, aber auch nicht zu schlecht.

Kritik der Linksfraktion

Beck sagte, wenn man über die Jahre hochrechne, wie lange es keine Anpassung gab und wie hoch die Steigerung ist, stelle man wahrscheinlich fest, dass nicht einmal die Inflationsrate ausgeglichen wird. Die Abgeordneten würden anständig bezahlt, fügte Beck hinzu. Er hänge nicht an der Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung um 292 Euro, aber er wolle, dass die Parlamentarier angemessen ausgestattet sind, damit sie unabhängig sind und frei von Nebenbeschäftigungen und anderen Einflüssen sein können, wenn sie das für sich so entscheiden. Dies gehöre zur Freiheit des Mandats und zur Unabhängigkeit der Abgeordneten.

Sharma unterstrich dagegen, dass die Linksfraktion bei der Diätenerhöhung eine grundsätzlich andere Auffassung vertrete. Angesichts der geringen Erhöhungen der Löhne, Renten und des BAföG seien Anhebungen um 3,7 Prozent bis 3,8 Prozent in der Bevölkerung einfach nicht vermittelbar. Aus deren Sicht sei die Diätenerhöhung nichts anders als Selbstbedienung, fügte Sharma hinzu. Dies wolle seine Fraktion nicht mittragen.