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Klima der Angst

MEDIEN Journalisten und Parlamentarier beklagen Verstöße gegen die Pressefreiheit

11.07.2011
2023-08-30T12:16:46.7200Z
3 Min

Der Iran gehört zu jenen Staaten, die Andreas Weiss zu den "schwarzen Flecken" auf der Landkarte von Journalisten zählt: Eine freie Berichterstattung ist dort nicht möglich. Zu diesen "schwarzen Flecken" gehörten Staaten wie Kuba, Vietnam, Nordkorea, Myanmar und China, erläuterte Weiss, Koordinator für die internationale Berichterstattung der ARD, am vergangenen Mittwoch vor dem Kultur- und Medienausschuss des Bundestages.

Der Ausschuss hatte Weiss, Gerda Meuer, Direktorin der Deutschen Welle (DW) Akademie, und Michael Rediske, Vorstandsmitglied der Organisation Reporter ohne Grenzen, zu einer öffentlichen Anhörung geladen, um mit ihnen über die Gefährdungen der internationalen Pressefreiheit zu diskutieren.

Die drei Medienvertreter zeichneten ein mitunter düsteres Bild der Lage: In vielen Ländern ist die Pressefreiheit nicht garantiert oder zumindest stark eingeschränkt, werden Journalisten verfolgt, bedroht, verhaftet oder getötet. Auf der Homepage von Reporter ohne Grenzen lässt sich die traurige Bilanz für das laufende Jahr nachlesen: 30 Journalisten und zwei Medien-Assistenten wurden seit Anfang des Jahres weltweit getötet, 146 Journalisten, neun Medien-Assistenten und 113 Online-Dissidenten inhaftiert.

So stieß die Bitte von Meuer, Rediske und Weiss an die Parlamentarier, sich in aller Welt an die Seite der bedrohten Journalisten zu stellen und für die Pressefreiheit zu kämpfen, bei allen Fraktionen auf offene Ohren. Die Verwirklichung der Pressefreiheit erfordere eben auch staatliches Handeln, stellte Gerda Meurer fest. Erst zwei Tage vor der Anhörung hatte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) in einem Brief an den iranischen Parlamentspräsidenten gegen die Verhaftung der Journalistin Maryam Majd protestiert und ihre Freilassung gefordert. Die Verhaftung sei ein "eklatanter Verstoß gegen international geschützte Freiheits- und Menschenrechte, die auch in der iranischen Verfassung verbürgt werden", bescheinigte Lammert.

Rediske wünschte sich außer diesem diplomatischen Druck aber auch ganz handfeste Hilfe: Die Europäische Union müsse "ein Hafen für verfolgte Journalisten" sein. Die Aufnahme von verfolgten Journalisten in Deutschland, denen Reporter ohne Grenzen zur Flucht verholfen habe, müsse schneller und unbürokratischer geregelt werden.

Gerda Meurer erläuterte am Beispiel der Deutschen Welle Akademie, wie man durch die Ausbildung von Journalisten in undemokratischen Ländern die Pressefreiheit langfristig fördern könne. Deshalb sei ihr Haus beispielsweise auch in Turkmenistan tätig. Eine Mitarbeiterin wirke dort an einer Reportage über landesübliche Hochzeiten mit. Selbst bei einem politisch unverfänglichen Thema könnten den Journalisten neue Sichtweisen vermittelt werden.

Kritik an EU-Staaten

Es sind nicht nur Diktaturen, die Journalisten und Parlamentariern Sorge bereiten. Auch in Europa hat sich in den vergangenen Jahren die Lage verschlechtert. Am Pranger stehen Ungarn, Frankreich und Italien. Das ungarische Mediengesetz sei auch nach der Überarbeitung auf Druck der EU-Kommission noch immer "eine Katastrophe", stellte Andreas Weiss fest. Und in Italien und Frankreich habe die staatliche Einflussnahme auf die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten zugenommen. Meuer verwies auf einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/6126), der dies zu Recht beklage. Allerdings schränkte sie ein, dass dies im weltweiten Vergleich eine "Klage auf hohem Niveau" sei.

Für Unverständnis auch in den eigenen Reihen sorgte die Einlassung des CDU-Abgeordneten Johannes Selle: Ihm sei kein Fall bekannt, in dem es nach Einführung des ungarischen Mediengesetzes zu Einschränkungen des Pressefreiheit gekommen ist. Dieser Einschätzung widersprachen Rediske und Weiss dezidiert. Rediske stellte klar, dass das ungarischen Mediengesetz, mit dem der Staat die audiovisuellen Medien zu einer "ausgewogenen Berichterstattung" verpflichte und ihnen mit Geldstrafen drohe, eine große Gefahr für eine kritische Berichterstattung darstelle.

ARD-Mann Weiss wurde deutlicher: In Ungarn "herrscht bereits ein Klima der Einschüchterung". Von den ungarischen Medien würden beispielsweise keine Fernsehbilder mehr von Demonstrationen gegen die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán geliefert. Und ungarische Journalisten und Behörden verweigerten zunehmend die Zusammenarbeit. Von Freiheit könne nicht mehr gesprochen werden, befand Weiss. "Ich finde es außerordentlich bedrückend, wenn sich in einem EU-Land Angst breit macht."

Auch die Ausschussvorsitzende Monika Grütters (CDU) wollte die Bemerkung Selles nicht unkommentiert im Raum stehen lassen: Die Situation gebe allen Grund zur Sorge. Ihr lägen Briefe von Künstlern aus Ungarn vor, die sich nicht mal mehr auf die Straße trauten.