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Ohne Hürde nach Europa

WAHLRECHT Karlsruhe kippt Sperrklausel bei EP-Wahlen

14.11.2011
2023-08-30T12:16:52.7200Z
2 Min

In gewisser Weise passt dieser Richterspruch ganz gut zum Motto der Europäischen Union: "In Vielfalt geeint" lautet dieses, und zumindest dem Europäischen Parlament (EP) dürfte das Bundesverfassungsgericht mit seiner vergangene Woche verkündeten Entscheidung noch etwas mehr Vielfalt als bisher schon beschert haben: Die Karlsruher Richter erklärten die bei der Europawahl 2009 geltende Fünf-Prozent-Hürde für verfassungswidrig, wenn auch nicht den damaligen Urnengang für ungültig (2 BvC 4/10, 2 BvC 6/10, 2 BvC 8/10). Damit dürften bei künftigen EP-Wahlen mehr deutsche Parteien als bisher in das Parlament einziehen - 2009 wären es ohne die Sperrklausel sieben zusätzliche Parteien aus Deutschland gewesen. Derzeit sind im EP mehr als 160 Parteien vertreten.

Nach der mit fünf zu drei Richterstimmen ergangenen Entscheidung bewirkt die Sperrklausel eine Ungleichgewichtung der Wählerstimmen: Stimmen für kleinere Parteien, die an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, blieben "ohne Erfolg". Zugleich werde durch die Sperrklausel der Anspruch der Parteien auf Chancengleichheit beeinträchtigt, heißt es in dem Urteil. Darin verweisen die Richter darauf, dass die Fünf-Prozent-Klausel bei Bundestagswahlen ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, "dass die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig ist und dieses Ziel durch eine Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen gefährdet wird". Das EP wähle dagegen keine Unionsregierung, die auf seine fortlaufende Unterstützung angewiesen wäre.

Debatte um Bundesregelung

Der Vorsitzende des Wahlprüfungsausschusses des Bundestages, Thomas Strobl (CDU), nannte es "wichtig, dass das Gericht ausdrücklich eine Unterscheidung zwischen der Fünf-Prozent-Hürde auf europäischer Ebene und der entsprechenden Regelung für den Bundestag vorgenommen hat". Und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) fand "Schlussfolgerungen völlig daneben, die nun für den Deutschen Bundestag oder für die Landtage ähnliche Regelungen zum Gegenstand hätten". Demgegenüber kündigte Linksfraktionschef Gregor Gysi eine Prüfung entsprechender juristischer Schritte an: "Wir werden dann den gehen, der am ehesten als zulässig erscheint und mit dem wir dann auch zum Bundesverfassungsgericht kommen", sagte er.