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Brücken bauen

EUROPA I Union und FDP wollen den EU-Haushalt langfristig deckeln. Die Opposition drängt auf die Finanzmarktsteuer

28.11.2011
2023-08-30T12:16:52.7200Z
4 Min

Der Bundeshaushalt war noch nicht verabschiedet, da nahmen die Abgeordneten am vergangenen Donnerstag bereits einen anderen Etat in den Blick: Rund eine Billion Euro will die EU in den Jahren 2014 bis 2020 ausgeben, die Kommission hatte dazu im Juni ihre Vorschläge vorgelegt. Erstmals befasst sich der Deutsche Bundestag mit einem Finanzrahmen der EU - bevor dieser überhaupt von den Mitgliedstaaten und dem Europaparlament beschlossen wird. Ein Umstand, den Joachim Spatz (FDP), als erster Redner in der Debatte zum Haushaltsrahmen der EU 2014-2020 eine "historische Neuerung" nannte. Spatz spielte damit auf die Beteiligungsrechte des Parlaments an, die sich der Bundestag in der Folge des Lissabon-Vertrags und nach einem entsprechenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2009 selbst gegeben hatte. Anlass der Debatte waren ein Antrag der Koalitionsfraktionen (17/7767) und ein Antrag der Fraktion der SPD (17/7808). Beide wurden in die Ausschüsse überwiesen.

In Zeiten der europäischen Staatsschulden-Krise gehen die Meinungen zum künftigen EU-Haushalt auseinander. Union und FDP fordern eine Begrenzung des EU-Budgets auf ein Prozent der Wirtschaftsleistung des EU-Raumes und eine "Konzentration auf das Machbare". Die Oppositionsfraktionen hingegen sehen mehr Spielraum bei der Deckelung und fordern darüber hinaus eine konsequente Neuausrichtung der Ausgabenpolitik: Weg von großzügigen Agrarsubventionen - hin zu mehr Bildung, Forschung und Sozialprogrammen.

Der Liberale Joachim Spatz machte deutlich, dass Union und FDP sowohl die Einführung von Eurobonds als auch einer EU-Steuer ablehnen würden. Eine Finanztransaktionssteuer solle nur dann angestrebt werden, wenn sie europaweit und nicht nur innerhalb der Eurozone eingeführt werden kann und wenn die Einnahmen in die nationalen Haushalte fließen statt in jenen der Gemeinschaft. Spatz vermutete auf diesem Feld noch erheblichen Widerstand: "Ich sehe schon unsere Kollegen nach London fahren und sagen: Leute, die Steuer, die ihr sowieso nicht wollt, dürft ihr gleich in Brüssel abliefern." Als Schwerpunkte einer künftigen EU-Förderungen mit "europäischem Mehrwert" nannte Spatz unter anderem die Bereiche Forschung, Technologie und Investitionen in transnationale Netze bei Verkehr, Energie und Kommunikation.

Investitionen

Bettina Kudla vom Koalitionspartner CDU/CSU unterstrich, dass gerade in diesen Bereichen in den nächsten Jahren erhebliche Investitionen anstehen. Sie forderte eine "Vorfahrt für Investitionen vor konsumtiven Ausgaben" und schlug vor, für diese Bereiche durch öffentlich-private Partnerschaften privates Kapital zu mobilisieren. Eine eigene EU-Steuer lehnte die Finanz- und Europaexpertin strikt ab: "Ein eigenes Einnahmerecht der Europäischen Union würde auch das Risiko beinhalten, dass die EU eigene Schulden aufnimmt", warnte Kudla und fügte hinzu: "Die Akzeptanz der Europäischen Union wird nicht besser, wenn wir die Bürger mit neuen Steuern belasten." Das bisherige Einnahmesystem, das an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der einzelnen Staaten ausgerichtet sei, habe sich bewährt.

Michael Roth von der SPD-Fraktion warf der Koalition vor, sie verfahre nach dem Motto "wasch mich, aber mach mich nicht nass". Wer sonntags mehr Europa, Montag bis Freitag aber weniger Beiträge für Brüssel fordere, mache sich unglaubwürdig. Die Koalition und insbesondere Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) stelle sich "kaltblütig" an die Spitze der deutschen Agrarindustrie, die von den Subventionen durch die EU erheblich profitiere - viel stärker als etwa Landwirtschaftsbetriebe in Osteuropa. Prioritäten des EU-Haushalts sollten vielmehr Energie, Klimawandel, Innovation, Wachstum und Beschäftigung sein, sagte Roth und verwies dabei unter anderem auf die erschreckenden Jugendarbeitslosigkeit in Ländern wie Griechenland und Spanien. Roth sprach sich für eine EU-weite oder zumindest auf den Euro-Raum beschränkte Einführung einer Finanztransaktions-Steuer aus, ergänzte aber: "Wenn das auch in der Euro-Zone nicht durchgesetzt werden kann, dann müssen eben Deutschland, Frankreich, die Beneluxstaaten, Österreich und andere Staaten voranschreiten." Die Verursacher der Krise müssten endlich auch an der Finanzierung der Krisenbewältigung beteiligt werden.

Dieter Dehm, Europaexperte der Linksfraktion, sah im Koalitionsantrag den Geist eines "deutschen Marktextremismus" am Werk. "Ihr Dogma vom hemmungslosen Wettbewerb ist und bleibt antieuropäisch", sagte Dehm in Richtung Koalition. Insbesondere kritisierte er eine von ihr angeblich angestrebte Militarisierung der EU durch die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, eine fehlende Ausrichtung auf erneuerbare Energien und die Unterordnung des Sozialen unter die Maßstäbe des Wettbewerbs. Als Beispiel nannte er die Beteiligung privater Geldgeber an öffentlichen Aufgaben. "Auch Teilprivatisierung ist ein Brandbeschleuniger für Preise", sagte Dehm.

Von einem klug aufzustellenden EU-Haushalt "mit ausreichend Manövriermasse" zur Krisenbewältigung sprach Viola von Cramon-Taubadel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sie forderte unter anderem eine großzügigere Deckelung des EU-Haushalts auf 1,12 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung - auch deshalb, weil frühere Eigenmittel der EU weggefallen und neue Kosten auf Brüssel abgewälzt worden seien. Im Gegensatz zu manchen Stammtischreden hätten sich die deutschen Nettozahlungen an die EU von 11,3 Milliarden Euro im Jahr 1994 auf heute noch acht Milliarden Euro verringert. Cramon-Taubadel forderte einen "Green New Deal auf EU-Ebene" der sich "wie ein grüner Faden" durch den Haushalt ziehen solle. Nicht in alte Wachstumsideale und Beton sei zu investieren: "Wir wollen Köpfe und Knowhow sowie bildungs- und sozialpolitische Teilhabe fördern", sagte die grüne Abgeordnete.