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Neue Planung, mehr Geld, Wegfall der Residenzpflicht

GESETZ Was der Bund tun will, um die gesundheitliche Versorgung in strukturschwachen Gebieten zu sichern

05.12.2011
2023-08-30T12:16:54.7200Z
3 Min

Mit dem am vergangenen Donnerstag im Bundestag verabschiedeten Versorgungsstrukturgesetz (17/6906, 17/8005) will die schwarz-gelbe Koalition dafür sorgen, dass es auch in entlegenen Regionen dauerhaft genügend Ärzte gibt. Ein Überblick der wichtigsten Maßnahmen:

Änderung der Bedarfsplanung

Ein Kernpunkt ist die Überarbeitung der so genannten Bedarfsplanung, die sicherstellen soll, dass es nicht zu viele, aber auch nicht zu wenige Vertragsärzte, -zahnärzte und -psychologen gibt. Die Koalition rechnet damit, dass der Gemeinsame Bundesausschuss, also das oberste Beschlussgremium der Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland, dazu bis Ende 2012 eine neue Richtlinie vorlegt. Vorgesehen ist, dass die einzelnen Planungsbereiche nicht mehr automatisch den Stadt- und Landkreisen entsprechen müssen. Berücksichtigt werden soll zudem, wie viele ältere und damit meist behandlungsbedürftigere Menschen in einer Region leben.

Höhere Honorare

Normalerweise müssen Ärzte Honorarabschläge hinnehmen, wenn in ihrer Praxis eine bestimmte Zahl an Behandlungen überschritten wird. Das ist gerade für Hausärzte auf dem Land mit hoher Patientendichte ein Problem. Mit dem Gesetz werden Mediziner in unterversorgten Gebieten nun von dieser Begrenzung ausgenommen und können in der Folge mehr verdienen. Des Weiteren können in strukturschwachen Gebieten für besondere medizinische Leistungen Preiszuschläge gezahlt werden.

Zudem erhalten die kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) die Möglichkeit, gemeinsam mit den gesetzlichen Krankenkassen finanzierte Strukturfonds einzurichten, um die Niederlassung von Ärzten gezielt zu fördern. Der Haushaltsausschuss geht in einem Bericht (17/8006) davon aus, "dass sich die Summe der geschätzten jährlichen Mehrkosten" für die gesetzliche Krankenversicherung "auf eine Größenordnung von rund 200 Millionen Euro beläuft".

Strukturelle Anreize

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf soll verbessert werden. Künftig sollen sich Vertragsärztinnen nach einer Geburt nicht mehr nur sechs, sondern zwölf Monate lang vertreten lassen können. Außerdem ist vorgesehen, für die Erziehung von Kindern bis zu 36 Monate einen so genannten Entlastungsassistenten, also einen zweiten in der Praxis tätigen Arzt, zu beschäftigen. Für die Pflege von Angehörigen ist eine sechsmonatige Auszeit mit Vertretung geplant.

Außerdem soll die Residenzpflicht entfallen. Landärzte müssen dann nicht mehr dort wohnen, wo sie praktizieren, sondern können auch in der Stadt leben. Darüber hinaus sollen Krankenhäuser stärker in die Notfalldienste einbezogen werden, um die niedergelassenen Ärzte zu entlasten.

Abbau der Überversorgung

In manchen vor allem großstädtischen Regionen tummeln sich mehr Haus- und Fachärzte, als für die Versorgung notwendig wären. Diese Überversorgung will die Regierungskoalition abbauen. Dazu erweitert sie die Möglichkeit der KVen, den freiwilligen Verzicht auf die Zulassung als Vertragsarzt finanziell zu fördern.

Anders als ursprünglich vorgesehen sollen die KVen jedoch kein Vorkaufsrecht erhalten, wenn in einem überversorgten Gebiet die Nachbesetzung einer Praxis ansteht. Vielmehr erhält dort der mit Kassen- und Ärztevertretern besetzte Zulassungsausschuss die Aufgabe, auf Antrag des ausscheidenden Mediziners oder seiner Erben zu entscheiden, ob sein Arztsitz nachbesetzt wird. Wird der Antrag abgelehnt, die Praxis also geschlossen, hat die KV dem Vertragsarzt oder seinen Erben eine Entschädigung "in der Höhe des Verkehrswertes der Arztpraxis" zu zahlen.

Ambulante Behandlung

Für Menschen mit besonders schweren und seltenen Erkrankungen wie Aids, Multiple Sklerose und Krebs wird ein neuer ambulanter Versorgungszweig eingeführt. An der "ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung" können sich - unter gleichen Qualitäts- und Vergütungsbedingungen - sowohl niedergelassene Ärzte als auch Krankenhäuser beteiligen. Die Koalition will damit die starre Trennung beider Sektoren lockern. Im Mittelpunkt soll die bestmögliche Versorgung der Patienten stehen und nicht mehr die Frage, wer die Leistung erbringt, heißt es zur Begründung. Die Leistungen können ohne Abstaffelung und Mengenbegrenzung erbracht werden. Den gesamten Bereich ambulanter Operationen hat die Koalition dagegen aus der "ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung" gestrichen. Insbesondere die Länder hatten hier Bedenken geäußert, die Kosten könnten explodieren. In fünf Jahren sollen die die Auswirkungen evaluiert werden.