Zusatzzahl 67
Rente Ab Januar verschiebt sich die Regelaltersgrenze. SPD und Linke können dies nicht stoppen
Weihnachten, das Fest der Familie, naht und das muss nicht immer ein Grund für Harmonie sein. In vielen Wohnzimmern herrscht schon jetzt gereizte Stimmung. Und wenn man den Plenarsaal des Bundestages als das Wohnzimmer der Berliner Abgeordneten-Familie betrachten will, dann macht auch dieses in Sachen fehlender Harmonie keine Ausnahme. Da droht Linken-Fraktionschef Klaus Ernst der Bundesregierung schon mal mit der Rute. Umgekehrt wirft Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) der Linken sichtlich wütend vor, "betonhart in der Vergangenheit zu leben" und aktuelle Entwicklungen nicht sehen zu wollen.
Kurz vor dem Start der Rente mit 67 am 1. Januar war die Stimmung am vergangenen Donnerstag gereizt wie immer bei diesem Thema. Gegenstand der Bundestagsdebatte war eine Große Anfrage der Fraktion Die Linke (17/5106) und die Antwort der Bundesregierung (17/7966) darauf. Während Die Linke in ihrer Anfrage die Anhebung des Rentenalters als "unvertretbares Risiko für Jung und alt" bewertet, betont die Regierung in ihrer Antwort, die Entscheidung von damals bleibe auch heute richtig. Entlang dieser Fronten bewegte sich im Wesentlichen auch die Diskussion, die Grünen und die SPD standen mit ihren Positionen irgendwo dazwischen.
Vor allem für die SPD verwundert das nicht, hat sie doch 2007 in der Großen Koalition die Rente mit 67 beschlossen. Ab Januar wird es also ernst für die ersten Neu-Rentner. Sie müssen einen Monat länger arbeiten, um abschlagsfrei in Rente gehen zu können. Bis 2029 wird auf diese Weise das Renteneintrittsalter schrittweise angehoben. Ab Jahrgang 1964 gilt dann generell das Einstiegsalter von 67 Jahren.
Zu viele Arbeitslose
Mit ihrem jüngsten Parteitags-Beschluss, die Rente mit 67 auszusetzen, bis mindestens 50 Prozent der 60- bis 64-Jährigen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, hat die SPD aus eigener Sicht jedoch keinen Kurswechsel vollzogen. Sie argumentiert mit der sogenannten Überprüfungsklausel des betreffenden Gesetzes, die besagt, vor dem Hintergrund der aktuellen arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Situation Älterer zu entscheiden, ob die Rente mit 67 tatsächlich eingeführt werden soll. Und bei deren Bewertung scheiden sich erheblich die Geister.
"Sie haben von der sozialen Lage der Menschen in diesem Land überhaupt keine Ahnung", warf SPD-Arbeitsmarktexpertin Elke Ferner der Regierung vor. Nur jeder Fünfte sei vor dem Renteneintritt versicherungspflichtig beschäftigt, ein Viertel der Menschen dagegen arbeitslos. Deshalb sei es unverantwortlich, bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik Milliarden zu kürzen und so die Chancen Älterer auf einen Job massiv einzuschränken. Sie forderte, Zeiten der Langzeitarbeitslosigkeit für die Rentenberechnung stärker zu berücksichtigen und die Bedingungen für den Erhalt einer Erwerbsminderungsrente zu verbessern.
Wenn man bis 67 arbeiten soll, müssten bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, betonte Klaus Ernst (Die Linke). Dazu gehöre, "dass man mit 64 Jahren überhaupt noch Arbeit hat". Derzeit seien aber nur knapp neun Prozent der 64-Jährigen in Deutschland in Vollzeit erwerbstätig. Für 90 Prozent der Menschen bedeute die Anhebung des Renteneinstiegsalters deswegen nichts anderes als eine "äußerst brutale Rentenkürzung".
Ursula von der Leyen interpretierte die Arbeitsmarktlage Älterer ganz anders. Man könne doch nicht leugnen, dass sich die Situation Älterer in den vergangenen Jahren deutlich verbessert habe. In den letzten zehn Jahren habe sich die Erwerbstätigenquote der 60- bis 64-Jährigen verdoppelt, so der Einwand der Ministerin. Es sei ein Gebot der Fairness den Jungen gegenüber, das Renteneintrittsalter anzuheben. "Europa ist ein Kontinent des langen Lebens und darauf müssen wir reagieren. Wir machen keine Rolle rückwärts", verteidigte die Ministerin den Start der Rente mit 67.
Heinrich Kolb (FDP) fragte die SPD in Bezug auf die Überprüfungsklausel des Gesetzes: "Was haben Sie denn damals erwartet, wie sich die Erwerbslage der Älteren entwickeln würde?" Immerhin sei die Erwerbstätigenquote der Älteren und auch das Renteneintrittsalter in den letzten Jahren erheblich gestiegen.
Wolfgang Strengmann-Kuhn (Bündnis 90/Die Grünen) wie auch Elke Ferner forderten flexiblere Übergänge in die Rente. Außerdem müsse das Erwerbsleben so gestaltet werden, dass man gesund länger arbeiten könne. Er warb für eine "Grüne Garantierente", die den Menschen nach 30 Versicherungsjahren ein Niveau über der Grundsicherung garantieren soll.
Versuch gescheitert
Karl Schiewerling (CDU) wies schließlich darauf hin, dass die Akzeptanz der Rentenversicherung so groß wie nie zuvor sei. Deshalb müsse man die Stellschrauben auch für die Zukunft der Rentenversicherung richtig stellen, warnte er. Eine Anhebung der Beiträge, eine Absenkung des Sicherungsniveaus oder eine Erhöhung des Bundeszuschusses seien jedoch keine ernsthaften Alternativen zur Rente mit 67.
Deshalb geht es damit nun wie geplant im Januar los. Der Versuch von SPD und Linken, dies mit zwei Entschließungsanträgen (17/8150; 17/8151) noch zu verhindern, scheiterte an der Stimmenmehrheit der Koalitionsfraktionen.