Alle im selben Boot
UN-KLIMAKONFERENZ Regierung lobt Beschlüsse von Durban. Opposition kritisiert Finanzierung
Selten konnte man die Strapazen einer Konferenz so deutlich an ihren Akteuren ablesen wie auf der UN-Klimakonferenz in Durban (Südafrika). Dem sichtlich übernächtigten Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) war in den Morgenstunden des 11. Dezember seine Erleichterung anzumerken. "Das Paket von Durban ist ein großer, wegweisender Erfolg für den Klimaschutz" sagte Röttgen kurz vor seiner Rückreise. Denn allen Unkenrufen zum Trotz hatte sich die Weltgemeinschaft in Durban nach zweiwöchigen harten Verhandlungen doch noch auf einen neuen Fahrplan für ein Klimaschutzabkommen geeinigt, das erstmals für alle Staaten gelten soll. Das Kyoto-Protokoll läuft 2012 aus.
Auf Leben und Tod
Fünf Tage später und sichtlich erholt, lobte Röttgen am vergangenen Freitag bei einer Regierungserklärung nochmals die Ergebnisse des Gipfels - allerdings auch mit kritischen Untertönen: "Dieses Ergebnis ist wegweisend, substanziell, aber nicht ausreichend", sagte der Umweltminister. "Auch mit dieser Konferenz hinken wir dem Problem hinterher", erklärte er. Es gebe noch immer eine "erschreckende Lücke". Die Menschen hätten mit mehr Dürre, weniger Wasser und unter zunehmenden Konflikten zu leiden. Für sie alle ist "Klimawandel eine Frage von Leben und Tod", mahnte er.
Gerade die neue strategische Partnerschaft zwischen den am wenigsten entwickelten Ländern, den Inselstaaten und der EU, habe "ein starkes moralisches Gewicht gehabt", sagte Röttgen, und zum Verhandlungserfolg beigetragen. Die Tatsache, dass es in Zukunft ein globales Abkommen für alle geben solle, sei eine "fundamentale Neuordnung der Klimapolitik". Als positiv bewertete er auch, dass der 2010 in Cancun (Mexiko) beschlossene Klimafonds 2012 arbeitsfähig werden solle. Deutschland habe sich als Sitz für den neuen Fonds beworben.
Die Taten der Regierung reichen der Opposition in Sachen Klimaschutz bei weitem nicht aus. "Das ist kein großer Erfolg. Das ist nichts", sagte Matthias Miersch (SPD). Er kritisierte, dass es für den Klimafonds gar kein Geld gebe und auch die EU-Energieeffizienzrichtlinie noch nicht umgesetzt sei. "Beenden Sie das Trauerspiel", sagte er an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gewandt. Sein Fraktionskollege Frank Schwabe (SPD) forderte von der Bundesregierung, sich eindeutig zum 30-Prozent-Ziel der EU zu bekennen, mit dem sich die EU verpflichten soll, bis 2020 insgesamt 30 Prozent weniger CO2 (im Vergleich zu 1990) auszustoßen. Nach Meinung der SPD soll die Politik daher in Zukunft nicht mehr auf eine UN-Konferenz, sondern auf eine "Mehr-Wege-Strategie" setzen, bei der vor allem mit den Ländern verhandelt werden soll, die beim Klimaschutz vorangehen wollen.
Auch die Vorsitzende des Umweltausschusses, Eva Bulling-Schröter (Die Linke), die mit einer Delegation des Ausschusses nach Durban gereist war, stellte ernüchtert fest: "Der internationale Prozess ist gescheitert." Als Ergebnis aller UN-Klimaverhandlungen habe es eine Minderung des CO2-Ausstosses von einem Prozent gegeben, während die Emissionen insgesamt um 40 Prozent gestiegen sei, erklärte sie. Dennoch brauche man die Beratungen zum Klimaschutz, sagte die Umweltpolitikerin. Ganz grundsätzlich stellte sie fest: "Der Klimaschutz stößt an die Grenzen des Gesellschaftssystems" und rief dazu auf "vor der eigenen Haustüre zu kehren" und den ungezügelten Konsum zu beenden.
Neuer Rechtsrahmen
Ganz anders sieht Michael Kauch (FDP) in einem neuen Klimaabkommen auch neue Chancen. Die Konferenz habe die Erwartungen "klar übertroffen", weil es gelungen sei, einen einheitlichen Rechtsrahmen zu vereinbaren. Dies sei auch wichtig, um zwischen den Industriestaaten Wettbewerbsgleichheit zu erlangen, sagte er. Gleichzeitig lobte Kauch den neuen Klimafonds. Ein entscheidender Moment in der Verhandlungsführung sei gewesen, "dass wir es ernst meinen mit der Klimafinanzierung", sagte Kauch.
Genau das bestreitet aber die Opposition. SPD und Grüne hielten der Regierung "Rechentricks" vor, mit denen kein zusätzliches Geld für den Klimaschutz zur Verfügung gestellt werde. "Vieles, was sie anbieten, steht nicht im Haushaltsansatz", kritisierte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. Außerdem warf sie der Regierung vor, zu wenig Konkretes für den Klimaschutz zu tun: "Man muß zu Hause auch liefern", sagte sie und forderte von der Regierung ebenfalls die rasche Umsetzung der EU-Effizienzrichtlinie.
Übereinstimmend kritisierten die Fraktionen hingegen die Ankündigung Kanadas in der vergangenen Woche, sich aus dem Kyoto-Protokoll zurückzuziehen. Röttgen bezeichnete den Schritt als "inakzeptables Verhalten". Und sein Koalitionspartner Kauch erklärte, ein Verhalten wie das von Kanada müsse zukünftig an anderer Stelle bei internationalen Verhandlungen Konsequenzen haben.