Piwik Webtracking Image

Auf deutschen Dächern

ERNEUERBARE ENERGIEN Bundestag verabschiedet Gesetz zur Kürzung der Solarförderung

02.04.2012
2023-08-30T12:17:29.7200Z
3 Min

Der Schulchor der Europaschule in Bornheim, in der Nähe von Bonn, schlug die passenden Töne an: "We are the future" sangen die Mädchen und Jungen, als Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) dort Mitte März eine elektronische Anzeigetafel für Photovoltaik einweihte. Auf dem Schuldach gibt es dort zwar schon seit längerem eine Photovoltaikanlage. Jetzt können die Schüler aber genau sehen, wie viel Strom die eigene Anlage produziert. Einen Tag vor dem Besuch Röttgens waren das 40 Kilowatt - eine Summe, mit der alle 300 Computer der Schule mit Strom versorgt werden könnten. Bei einer Diskussion mit dem Minister fragte ein Schüler der 11. Klasse: "Ihr Ministerium finanziert Solaranlagen, aber gleichzeitig kürzen Sie die Förderung dafür: Wie passt das zusammen?" Darauf antwortete Röttgen: "Bisher hatten wir eine Überförderung der Photovoltaik. Das wird über die Stromrechnung bezahlt, und wenn zu viel gefördert wird, gefährdet das die Akzeptanz."

Zwei Wochen später hatte die Opposition, am vergangenen Donnerstag bei der abschließenden Debatte des Gesetzes über die Kürzung der Solarförderung und der Rechte der erneuerbaren Energien (17/8877) eine andere Antwort auf diese Frage: "Ihnen passen dass Erneuerbare-Energien-Gesetz und die Energiewende nicht", warf Dirk Becker (SPD) dem Minister vor. "Diese Novelle hat sie enttarnt, sie wollen bremsen, wo es nur geht", sagte er. Röttgen konterte, er sehe den Erfolg der Photovoltaik durch etwas ganz anderes gefährdet: "Ihr konservatives Besitzstandsdenken, in Teilen auch Besitzstandslobbyismus."

Hinter diesen rhetorischen Scharmützeln steht jedoch eine ganz andere Frage, die die Debatte dominierte: wie die geplanten Kürzungen der angeschlagenen deutschen Solarindustrie schaden - oder ihr langfristig sogar nutzen können.

Jan Korte (Die Linke) nannte als ein Beispiel seinen Wahlkreis Bitterfeld-Wolfen (Sachsen-Anhalt). In einem Gebiet, in dem einst "über Nacht 50.000 Arbeitsplätze weggefallen" seien, spielten die mittlerweile 3.000 Arbeitsplätze im sogenannten Solar Valley eine ganz entscheidende Rolle. Er nannte die Politik der Regierung daher "einen Anschlag auf die Entwicklung in Ostdeutschland", der man energischen Widerstand entgegen setzen werde. Auch Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen) warf dem Minister vor, er gefährde mit dem neuen Gesetz "Zehntausende von Arbeitsplätzen". "Das ist keine Absenkung mit Augenmaß", kritisierte sie. Es habe die übereinstimmende Meinung gegeben, dass die Stromeinspeisung 2012 um 30 Prozent gesenkt werden könne. "Was Sie aber machen, ist zum Teil eine Senkung um 50 Prozent", sagte sie. Dies führe zu einem "Jojoeffekt": Die massiven Kürzungen würden zu einer Torschlußpanik bei all denen führen, die eine Solaranlage planten und damit letztendlich zu noch mehr Zubau und einer "Überhitzung des Marktes" führen.

Die Aufgabe des Marktes bei der Photovoltaik sieht Klaus Breil (FDP) dagen in einem ganz anderen Licht: "Das Erneuerbare-Energien-Gesetz muss ein Instrument bleiben, um sie an den Markt zu bringen und nicht, um sie durchzufüttern." Für ihn spiele daher der Vertrauensschutz für Investoren eine besondere Rolle. Daher habe man die Übergangsregelungen in das Gesetz neu miteingebaut - eine von zahlreichen Änderungen des Gesetzentwurfes.

Fristen verlängert

Ursprünglich war geplant, dass die Kürzungen ab 1. April gelten sollten. Investoren, die ihre Anlage vor dem 24. Februar angemeldet hat, wird die bislang geltende Vergütung zugesichert. Allerdings muss die Anlage bis 30. Juni in Betrieb gehen. Für große Freiflächenanlagen gilt sogar eine Übergangsfrist bis 30. September. Neu in das Gesetz eingebracht wurde auch das System des "atmenden Deckels". Damit soll die Höhe zukünftiger Kürzungen der Förderung davon abhängig gemacht werden, wie hoch der Zubau von neuen Solaranlagen ist. Momentan gilt ein Ausbauziel von Anlagen mit einer Leistung von 2.500 bis 3.000 Megawatt jährlich. Verringert wurde auch der Anteil des Stroms, der vergütet werden soll. Während nach dem sogenannten Marktintegrationsmodell ursprünglich bei kleinen Anlagen 85 Prozent des Stroms bezahlt werden sollte, werden es in Zukunft nur noch 80 Prozent sein. Ganz gestrichen wurden die Verordnungsermächtigungen in dem Gesetz, mit dem die Regierung die Möglichkeit gehabt hätte, auch ohne Beteiligung des Parlaments Kürzungen zu beschließen. Fraglich ist jetzt, wie der Bundesrat am 11. Mai entscheidet. Der thüringische Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD) kündigte in der Debatte bereits den Widerstand der Länder im Bundesrat an.

Ungeachtet dessen läuft die neue Photovoltaik-Anzeigentafel in der Bornheimer Schule weiter: am vergangenen Donnerstag verzeichnet sie eine Leistung von über 30 Kilowatt pro Tag.