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Einkommensteuer: Hitzige Debatte um die kalte Progression

FINANZEN Koalition setzt ihre Entlastungspläne im Bundestag durch. Opposition sieht Tarifprobleme nicht gelöst. Bundesrat muss noch zustimmen

02.04.2012
2023-08-30T12:17:29.7200Z
3 Min

Die Koalitionsfraktionen haben ihr Vorhaben zur Reduzierung der Steuerbelastung durch die kalte Progression massiv verteidigt und im Bundestag mit ihrer Mehrheit durchgesetzt. "Das ist ein Versprechen aus unserem Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP, und das halten wir heute ein", sagte der CDU/CSU-Finanzexperte Klaus-Peter Flosbach am Donnerstag in der Debatte über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zum Abbau der Kalten Progression (17/8683). Gegen den Entwurf stimmten die Oppositionsfraktionen SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Zum Inkrafttreten des Gesetzes ist aber noch die Zustimmung des Bundesrates erforderlich.

Flosbach erklärte, es gehe in dem Entwurf um Einkommen bis 55.000 Euro. Die heimlichen Steuererhöhungen für diese Einkommensbezieher, die eintreten, wenn es Lohnerhöhungen zum Ausgleich der Inflation gibt, sollten reduziert werden. »Es ist für uns überhaupt nicht nachvollziehbar, dass beispielsweise die Sozialdemokraten nicht mitziehen, dass wir kleinere und mittlere Einkommen von Steuern entlasten«, kritisierte Flosbach. Der Staat werde 2013 und 2014 zusammen sechs Milliarden Euro Steuern durch die kalte Progression einnehmen. "Das heißt, hier entstehen Einnahmen beim Staat nur aufgrund der Inflation, und das hat nichts mit der Leistungsfähigkeit zu tun." Es handele sich um eine Einnahme ohne gesetzliches Handeln.

Von einem "hervorragenden Gesetzentwurf", den auch die Opposition unterstützen sollte, sprach Volker Wissing (FDP). Er wies den Vorwurf zurück, es handele sich um Steuergeschenke. Lohnerhöhungen seien keine Geschenke, sondern die Menschen hätten sich diese Lohnerhöhungen mit harter Arbeit erarbeitet. Die Koalition verzichte auf Steuererhöhungen, wodurch sich die Einnahmen des Staates nicht reduzieren würden.

Keine Gefahren

"Die kalte Progression, die Sie abschaffen wollen, existiert in der Praxis für die Menschen nicht", stellte Lothar Bindig (SPD) fest. Die Steuerbelastung auf Einkommen mit gleicher Kaufkraft habe 2011 deutlich niedriger gelegen als 1999. In den letzten 16 Jahren habe es zehn Tarifsenkungen gegeben. Das steuerfreie Einkommen habe immer deutlich oberhalb des Existenzminimums gelegen. Den Bürgern seien die Gefahren, die durch die kalte Progression entstehen könnten, "schon vorauseilend genommen" worden. Selbst der jetzige Grundfreibetrag von 8.004 Euro liege deutlich oberhalb des verfassungsrechtlich gebotenen Maßstabs.

"Das Vorhaben ist falsch. Es ist nicht gegenfinanziert. Die Umsetzung Ihres Gesetzes führt zu einer Vergrößerung der Schere zwischen Arm und Reich", rief Barbara Höll (Die Linke) aus. An den Grundproblemen des Einkommensteuertarifs werde nichts verändert. Der Verlauf dieses Tarifs müsse wieder durchgehend linear-progressiv werden: "Dann hätten wir überhaupt nicht das Problem der Kalten Progression." Das Gerechtigkeitsprinzip, wonach höhere Einkommen auch höhere Steuern zu zahlen hätten, sei leider ausgehebelt worden. Es habe in den letzten Jahren vielmehr eine gezielte Entlastung hoher Einkommen gegeben, wie etwa die Absenkung des Spitzensteuersatzes von 53 Prozent im Jahr 1999 auf 42 Prozent (2005). Wenn es heute noch die Steuersätze von 1970 geben würde, "dann müsste man dem reicheren Teil der Bevölkerung 1,5 Billionen Euro abnehmen und an die unteren 90 Prozent der Bevölkerung abgeben. Dann hätten diese unteren 90 Prozent der Bevölkerung pro Kopf 20.000 Euro mehr in der Tasche. Das ist die Verteilungssituation", sagte Gerhard Schick (Bündnis 90/Die Grünen). Die Hälfte der vorgesehenen Entlastungssumme gehe an die oberen 20 Prozent der Einkommensbezieher.

In dem Entwurf ist eine stufenweise Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrags in zwei Schritten zum 1. Januar 2013 auf 8.130 Euro und zum 1. Januar 2014 auf 8.354 Euro (insgesamt plus 350 Euro) vorgesehen. Auch der Tarifverlauf soll prozentual wie der Grundfreibetrag um 4,4 Prozent angepasst werden.