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Die schöne neue Welt

WIRTSCHAFT Mini-Computer und internetfähige Funktelefone erobern Hand- und Hosentaschen der Deutschen. Die Koalition will die Chancen nutzen, die Opposition…

02.04.2012
2023-08-30T12:17:29.7200Z
4 Min

Die schöne neue Welt glänzt grau oder schwarz, wird in Zoll statt Zentimetern gemessen und ist digital. Analog war gestern. Nachrichten, Börsenkurse, Wetterbericht und E-Mails liefern tragbare Flachtelefone wie IPhone oder Smartphone; für größere Datenoperationen oder zum Lesen elektronischer Bücher (E-Books) kam gerade der Tablet-PC auf den Markt.

Für die neuen Geräte, von denen man vor ein paar Jahren noch nicht ahnte, wie notwendig sie einmal werden könnten, um ständig bei Facebook, WhatsApp oder Google online zu sein, werden Software-Experten, Vertriebsspezialisten und vor allem Internet-Anschlüsse mit der dafür notwendigen Technik gebraucht. Auf einen weiteren Aspekt wies Wirtschaftminister Philipp Rösler (FDP) in einer Debatte des Bundestages über die "Digitale Welt" am Freitag hin. Die Chancen der neuen Technik müsse man sehen und nicht nur Risiken.

Drei Arbeitsfelder

Rösler nannte drei Bereiche, in denen verstärkte Anstrengungen unternommen werden müssten: So müsse es einen weiteren Ausbau der Breitband-Infrastruktur geben, und die Regulierung der digitalen Welt müsse richtig erfolgen. Gebraucht werde eine andere Grundeinstellung, wie man mit Technologien umgehe. Rösler warnte davor, Fehler aus anderen Branchen in der digitalen Welt zu wiederholen. Es gebe Technikverweigerer, die eine ganze Branche zunichte gemacht hätten, sagte er mit Blick auf die Biotechnologie. "Diesen Fehler dürfen wir nicht noch einmal machen, schon gar nicht in der digitalen Welt." Allerdings deute sich in der Nanotechnologie eine Wiederholung des Fehlers an. Man müsse technologieoffen an die neuen Kommunikationsformen herangehen.

In einem vom Bundestag wegen zunächst unklarer Mehrheitsverhältnisse per "Hammelsprung" mit 198 zu 136 Stimmen beschlossenen Antrag der Koalition wird gefordert, die Wachstumspotenziale der digitalen Wirtschaft weiter auszuschöpfen und den Innovationsstandort Deutschland zu stärken. Zum Netzausbau heißt es in dem Antrag, die Breitbandstrategie solle auf das Ziel fokussiert werden, bis 2014 bereits für 75 Prozent der Haushalte Bandbreiten von mindestens 50 Megabit pro Sekunde zur Verfügung zu haben.

"Unter Wahrung des Datenschutzes müssen Maßnahmen getroffen werden, um Urheberrechtsverletzungen im Internet besser und wirksamer zu bekämpfen", fordert die Koalition. Rechtsverletzungen dürften auch in der digitalen Welt nicht akzeptiert werden, "wobei nicht allein auf Repression gesetzt werden kann".

Planungssicherheit vermisste Garrelt Duin (SPD-Fraktion) in dem Antrag der Koalition. Es gebe viele Chancen, aber die Menschen wollten auch Sicherheit. "Aber es setzt sich fort, was wir in vielen Politikbereichen erlebt haben: Sie kündigen an, aber konkrete Schritte lassen sie vermissen", so Duin. Das erste Ziel der Bundesregierung, bis 2010 eine flächendeckende Breitbandversorgung mit einer Geschwindigkeit von einem Megabit pro Sekunde zu erreichen, sei verfehlt worden. Jetzt werde das nächste Ziel formuliert, und auch das werde angesichts der zu spürenden Investitionssschwäche wieder verfehlt. Wachstumsprobleme würden dadurch verschärft. "Das Wort Investitionen taucht in Ihrem Forderungsteil kein einziges Mal auf", kritisierte Duin.

Auch in den klassischen Branchen wie Maschinenbau und Automobilindustrie gebe es große Wachstumspotenziale durch die Digitalisierung, sagte Nadine Schön (CDU). Dafür werde aber ein Ausbau der Breitbandversorgung gebraucht. 50 Megabit pro Sekunde würden bald notwendig sein. Es würden zudem Fachkräfte gebraucht. 30.000 Arbeitsplätze seien nicht besetzt. Schön beklagte ein "mangelndes Interesse an Technik gerade bei jungen Leuten". Dabei sei "Medien- und Technikkompetenz heute mindestens so wichtig wie Fremdsprachen". Schön verwies auch auf die hohen Abbrecherquoten bei Informatik-Studiengängen und den geringen Anteil von Frauen in diesen Studiengängen.

Kulturraum Internet

"Das Internet ist nicht nur Motor für Wachstum und Beschäftigung, sondern vor allem ein Kulturraum für die Freiheit von Wissen und Information, ein Kulturraum für freie Kommunikation", stellte Halina Wawzyniak (Die Linke) fest. Das Internet dürfe daher kein Spielplatz für Konzerne sein. Wawzyniak forderte Zugang zum Internet für alle Menschen, unabhängig von Alter, Einkommen oder Bildungsgrad. Sie forderte Gelder für die Kommunen, damit der Netzausbau beschleunigt werden könne. Auch an Netzneutralität führe kein Weg vorbei: "Alle Datenpakete müssen mit gleicher Qualität im Internet fließen können."

Nichts Innovatives und nichts Neues erkannte Kerstin Andreae (Bündnis 90/Die Grünen) in dem Antrag. Es gebe von der Koalition kein klares Bekenntnis zur Netzneutralität, keine klare Ansage zum Glasfasernetz und auch keine klare Ansage zum Datenschutz. "Das ist reine Prosa", kritisierte sie den Antrag. Auch zum Problem Fachkräftemangel habe die Koalition keine überzeugenden Antworten. Es gebe "keine Willkommenskultur".

Mit der Haltung der Grünen zur Technik setzte sich Manuel Höferlin (FDP) auseinander. Sie würden sich als Innovationstreiber der Nation aufspielen, aber früher "waren sie gegen Videotext, gegen ISDN, gegen Breitbandverkabelung, gegen Kabel- und Satellitenfernsehen".