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ORTSTERMIN: PODIUMSDISKUSSION ZUR SED-DIKTATUR : "Es ist spannend, das zu lesen"

14.05.2012
2023-08-30T12:17:31.7200Z
2 Min

"Lange nicht mehr gesehen", "schön, dass du kommen konntest": Im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus des Bundestags ging es in der vergangenen Woche ein bisschen zu wie beim Klassentreffen. Mitglieder und Mitarbeiter der zwei Enquete-Kommissionen, die sich in den neunziger Jahren der Aufarbeitung der SED-Diktatur gewidmet hatten, feierten ein Jubiläum: Vor 20 Jahren wurde das erste dieser beiden Gremien ins Leben gerufen. Von einem vielköpfigen Podium war viel Positives zu hören. Ironisch merkte der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk, Sachverständiger im zweiten Ausschuss, an, man "lobt sich über den grünen Klee". Indes schimmerte auch politische Spannung durch, als sich der DDR-Bürgerrechtler und spätere Grünen-Abgeordnete Gerd Poppe und der Historiker Ludwig Elm, PDS-Obmann in einer Kommission, einen Schlagabtausch lieferten.

Von einem "glänzenden Ergebnis" der Aufklärungsarbeit sprach Rita Süssmuth (CDU), seinerzeit Parlamentspräsidentin. Es sei "ein Stück Hygiene in die Politik eingezogen", sagte Rainer Eppelmann, DDR-Oppositioneller, Vorsitzender der zwei Gremien, heute Chef der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, die als Konsequenz aus den Ausschussanalysen entstand und zur Feier eingeladen hat. Die Aufklärungsbemühungen hätten "einen Beitrag zur inneren Einheit geleistet", gab sich Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) überzeugt. Keine andere Enquete-Kommission habe derart handfeste Folgen gehabt. Als Beispiele nannte er die Aufhebung von DDR-Unrechtsurteilen oder gerechtere Rentenregeln. Eppelmann machte auf das Vorbild der Bundestagsrecherchen für Osteuropa aufmerksam, wo man die "heiße Kartoffel nicht anfassen wollte". Die in 32 Bände mit 30.000 Seiten verpackten Erkenntnisse ließ der CDU-Mann in ein Vermächtnis münden: "Nie wieder Diktatur."

Markus Meckel, seinerzeit SPD-Obmann, erinnerte freilich daran, dass es "viel Streit gab", etwa wegen der SPD-Entspannungspolitik oder der DDR-Blockparteien, die in Union und FDP aufgingen. Vor allem aber wetterte Poppe los, gegen eine "Verklärung der DDR", die doch "uneingeschränkt eine Diktatur war". Er plädierte im Blick auf SED- und NS-Herrschaft mit Verve für einen "antitotalitären Konsens", ein "Diktaturvergleich muss möglich sein", auch wenn man dafür "wieder gescholten wird". Da brandete Beifall auf. Contra gab Elm: Die kritische Aufarbeitung der DDR durch die Enquete-Kommissionen sei zwar "berechtigt und überfällig" gewesen, eine "Parallelisierung" von DDR und NS-Diktatur sei jedoch abzulehnen, derart werde die eine "dämonisiert", die andere "verharmlost". Das Publikum grummelte unruhig.

Doch war die Aufklärungsarbeit tatsächlich wirkungsvoll? Kowalczuk goss Wasser in den Wein: In der Wissenschaft würden die Resultate kaum beachtet, es sei ohnehin ein "Wunder, wenn man sich in Universitätsseminaren mit der DDR befasst". Eppelmann merkte an, dass jene, die unter 30 Jahre seien, "keine existenziellen Erfahrungen mit der Diktatur haben". Rita Süssmuth empfahl der "jüngeren Generation" die Enquete-Dokumente zur Lektüre: "Es ist spannend, das zu lesen."