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Demokratie live und zum Nachlesen: Volksvertretungen setzen auf…

BERICHTERSTATTUNG Moderne Kommunikationsmittel machen die Legislative transparent

27.08.2012
2023-08-30T12:17:36.7200Z
4 Min

Konnten in den Stadtstaaten des antiken Griechenlands noch alle Bürger auf der Agora, dem Markt- und Versammlungsplatz, zusammenkommen, um an politischen Entscheidungen mitzuwirken oder sie zu verfolgen, so ist das in den großen staatlichen Gebilden der Gegenwart schon längst nicht mehr möglich. Zwischen Politiker und Bürger sind deshalb die Medien als Informationsvermittler getreten. Heute wird parlamentarische Publizität durch Medien hergestellt; sie transportieren die Informationen aus dem Parlament an die Öffentlichkeit. Gleichzeitig transportieren Massenmedien Themen und Probleme aus der Gesellschaft zu den Abgeordneten im Bundestag.

Informationelle Offenheit

Medien ermöglichen die Teilhabe am politischen Geschehen in einer funktionierenden Demokratie. Die gläserne Reichstagskuppel über dem Plenarsaal des Bundestags steht für Offenheit und Transparenz. Sie sollen die Arbeit moderner Parlamenten kennzeichnen und somit die Akzeptanz und das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen. Das war nicht immer selbstverständlich: In England beispielsweise, dem Mutterland der Pressefreiheit, tagte das Parlament in seiner Anfangszeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Abgeordnete mussten Repressalien des Hofes fürchten, wenn ihre Redebeiträge publik werden würden.

Heute ist die Meinungsfreiheit, die für Parlamentarier und Medien gleichermaßen elementar ist, gesetzlich verankert - in England ebenso wie in weiten Teilen der Welt: Die aktuell 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen haben die Erklärung der Menschenrechte anerkannt, in der die Meinungsfreiheit festgeschrieben ist. In der Europäischen Union ist die Meinungs- und Informationsfreiheit in Artikel 11 der "Charta der Grundrechte" niedergelegt. Diese ist mit dem Vertrag von Lissabon in Kraft getretenen. Die Pressefreiheit im Inselstaat wurde übrigens schon 1695 eingeführt, indem das Parlament den "Licensing Act", ein Zensur-Statut, nicht weiter verlängerte.

Multimediale Nachrichten

Nicht alle Themen, die im Parlament behandelt werden, werden in den Massenmedien wiedergegeben. Deshalb informieren viele Parlamente zusätzlich selbst die Öffentlichkeit, wie beispielsweise der Bundestag mit seinem Online-Auftritt (siehe Seite 7).

Die Volksvertretungen unserer deutschsprachigen Nachbarländer, der Österreichische Nationalrat und der Schweizer Nationalrat, informieren ebenso multimedial auf ähnliche Weise. Mit einer großen Ausnahme jedoch: ein unabhängiges und objektives Printprodukt wie die Zeitung "Das Parlament" geben diese beiden nationalen Parlamente nicht heraus.

Das staatenübergreifende EU-Parlament muss sich - im Unterschied zu den nationalen Volksvertretungen - einer besonderen Herausforderung stellen: Es muss in den 23 Sprachen seiner Mitgliedstaaten informieren. Mehr als 40 Mitarbeiter beschäftigt die Pressedirektion der EU in Brüssel. Zudem unterhält sie Informationsbüros in allen Hauptstädten der Mitgliedsstaaten sowie in weiteren größeren Städten, beispielsweise in München. Eine unabhängige, journalistischen Kriterien genügende Zeitung gibt das EU-Parlament nicht heraus.

Während Konzepte für sogenanntes Parlamentsfernsehen in Europa erst in den 1990er Jahren entwickelt wurden, nahm in den USA das Netzwerk C-SPAN (Cable Satellite Public Affairs Network) bereits Ende der 1970er Jahre die Parlamentsberichterstattung auf: Es überträgt landesweit Plenardebatten des Repräsentantenhauses und des Senats sowie Ausschusssitzungen, aber auch Wahlkämpfe, Symposien und Pressekonferenzen. Mittlerweile sendet C-SPAN auf mehreren TV- und Hörfunk-Kanälen. In der Tradition des angelsächsischen Journalismus werden die Ereignisse ohne jegliche Kommentierung oder Analyse übertragen. C-SPAN selbst ist eine Non-Profit-Organisation, im Programm gibt es weder Werbung noch Sponsoring. Die Kabelgesellschaften finanzieren das Sendernetz und erhoffen sich publizistisches Ansehen.

Das Parlament der Europäischen Union bietet neben seinem Parlamentsfernsehen EuroparlTV auch einen audiovisuellen Dienst an: in einer umfangreichen Mediathek stehen beispielsweise ungeschnittene und unkommentierte Reden und Interviews zur Verfügung. Darüber hinaus stellt das EU-Parlament kleineren TV-Sendern aus EU-Mitgliedsstaaten kostenlos die Nutzung ihrer Fernsehstudios zur Verfügung, erklärt Jens Pottharst, EU-Presseattaché in Berlin.

In einigen Ländern gibt es eine zusätzliche Parlamentsberichterstattung im Fernsehen, wie zum Beispiel im öffentlich-rechtlichen Österreichischen Rundfunk (ORF): dieser überträgt in seinem Spartenkanal für Kultur und Information, ORF III, live Plenardebatten aus dem Nationalrat. Besonders wichtige und brisante Debatten werden auch im Hauptprogramm von ORF II ausgestrahlt. Dieser Sender produziert zudem das sonntägliches halbstündige Parlamentsmagazin "Hohes Haus". Seit 1980 ist es fester Bestandteil des Programms.

Hintergründige Berichterstattung

In Deutschland ist Phoenix der einzige Fernsehsender, der live die Plenardebatten des Bundestags überträgt, von seltenen Ausnahmen im Hauptprogramm von ARD und ZDF abgesehen. Seit 15 Jahren ist der gebührenfinanzierte "Ereignis- und Dokumentationskanal" von ARD und ZDF nun auf Sendung. Er dient "der politischen Meinungs- und Willensbildung der Bürgerinnen und Bürger, es sollen Hintergründe erhellt und Zusammenhänge dargestellt werden", heißt es in den Programmgrundsätzen. So solle der Sender "den demokratischen Parlamentarismus und die europäische Integration fördern". Sogar aus dem EU-Parlament berichtet Phoenix. Und in jeder Sitzungswoche des Bundestags überträgt der Sender live die Plenardebatten. 366 Stunden waren das im vergangenen Jahr, verteilt auf jeweils drei Tage mit Plenardebatte, Fragestunden und Regierungserklärungen in 22 Sitzungswochen sind das sechs Stunden pro Tag im Durchschnitt - flankiert von einordnenden Hintergrundberichten und Gesprächssendungen. Sie machten Phoenix zum "Ideal der Parlamentsberichterstattung", erklärt Bernd Niebrügge, ARD-Sonderkorrespondent und früher Polit-Redakteur bei Phoenix. Klaus Weidmann, Moderator der Phoenix-Sendung "Vor Ort", wünscht sich allerdings spannendere Debatten, "wie in den 1980er Jahren mit Herbert Wehner (SPD) und Franz Josef Strauß (CSU)" zurück, damit die weitgehend unkommentierte Berichterstattung an Attraktivität gewinne. Und er wünscht sich, dass die Politik wieder in den Vordergrund trete. Das sei Aufgabe aller Massenmedien.